Ratgeber Recht

Gut informiert bei den wichtigesten Themen rund um die Rechtssicherheit im Heil- und Hilfsmittelbereich: Rechtsanwalt Dr. Dr. Thomas Ruppel gibt Ihnen im Ratgeber Recht praxisnahe Überblicke über rechtlich relevante Themen für Sie und Ihre Praxis.  

Rechtstipps zur Praxisgründung

Die Praxisgründung ist eine spannende Zeit - Sichtweisen verändern sich, man kann sein Arbeitsumfeld selbst gestalten, sich selbst verwirklichen. Und genau so vielfältig die damit verbundenen Aufgaben sind rechtlichen Vorschriften.

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Die Rechtsform

Soll die Praxis als Einzelunternehmen geführt werden, ist der oder die Inhaber:in selbst "die Praxis". Es bedarf weder einer Gewerbeanmeldung noch sonstiger behördlicher Anmeldungen - außer natürlich der Zuteilung der IK-Nummer bei der ARGE IK und der Zulassung durch die ARGE Heilmittelzulassung. Damit Rechnungen korrekt ausgefertigt und die Steuererklärung richtig abgegeben werden kann, müssen Sie beim Finanzamt eine Steuernummer beantragen. Eine Umsatzsteuer-ID-Nummer ist hingegen nicht notwendig.
 
Sollten Sie die Praxis als Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründen, ist ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag und eine anwaltliche  Beratung dringend empfehlenswert. Die Gründung einer Heilmittel-GmbH ist natürlich auch möglich. Hierfür bedarf es dann eines Notars. Dieser kümmert sich nicht nur um den Gesellschaftsvertrag, sondern auch um die Anmeldung zum Handelsregister. Die Heilmittel-GmbH ist kraft Rechtsform Gewerbe- und Körperschaftssteuerpflichtig.

Der Praxismietvertrag

Eine der teuersten und langjährigsten Entscheidungen bei der Praxisgründung ist für Sie der Praxismietvertrag, denn hier lauern nicht nur rechtliche Stolpersteine, sondern auch Um- und Rückbaukosten und jahrelange Verpflichtungen. Diesen Aspekt haben wir bereits in unserem Beitrag "Praxismietvertrag: die teuerste Entscheidung nach dem Praxiskauf" betrachtet. 

Ihre Praxishomepage

Das Thema Praxishomepage sollte nicht vernachlässigt werden und füllt einen eigenen Beitrag, den sie hier lesen können: "Rechtssichere Praxishomepage: mehr als nur Datenschutz".

Was gilt beim Verbraucherschutz?

Viele gewohnte Regelungen gelten nicht für Praxisgründer:innen, insbesondere die des Verbraucherschutzes. Dies gilt nicht nur für deutlich strengere Allgemeine Geschäftsbedingungen, denen man sich ausgesetzt sieht. Auch das im Gesetz verankerte Widerrufsrecht für sog. Fernabsatzverträge - etwa beim Onlineshopping - gilt für Unternehmer:in nicht. Sie als Praxisgründer:innen müssen also darauf achten, dass bei online oder telefonisch getätigten Bestellungen der Verkäufer oder die Verkäuferin von sich aus ein Recht zur Rückgabe der bestellten Produkte anbietet - verpflichtet ist er oder sie dazu nicht.
Strengere Anforderungen gelten auch, wenn die bestellte Ware mangelhaft ist: Für Unternehmer gilt eine sog. "Rügeobliegenheit" - bestellte Ware muss unverzüglich (innerhalb weniger Tage) geprüft und Mängel reklamiert werden, ansonsten verliert man die gewohnten Gewährleistungsrechte.

Welche Versicherungen brauche ich?

In jedem Fall müssen einige Versicherungen abgeschlossen werden.

Wichtig ist insbesondere die Berufshaftpflichtversicherung. Diese tritt immer dann ein, wenn Patient:innen einen (zivilrechtlichen) Behandlungsfehler behaupten und meinen, sie seien dadurch - etwa durch fehlerhafte Diagnosen, Therapiefehler usw. - zu Schaden gekommen. Die Berufshaftpflichtversicherung zahlt aber nicht nur im Schadensfall, sondern sie wehrt auch unberechtigte Forderungen ab; d.h. sie funktioniert bei Behandlungsfehlervorwürfen wie eine Rechtsschutzversicherung und übernimmt Anwalts- und Gerichtskosten. Bei der Berufshaftpflichtversicherung kann man nicht viel falsch machen. Achten müssen Sie stets darauf, dass die versicherte Summe ausreichend ist.

Als Fachanwalt für Medizinrecht rät Dr. Dr. Thomas Ruppel, nicht unter 5.000.000 Euro, besser 10.000.000 Euro je Schadensfall zu versichern. Teuer sind in Deutschland (anders als etwa in den USA) nicht etwa Schmerzensgelder, diese bewegen sich selbst bei heftigen Behandlungsfehlern meist unter 100.000 Euro. Teuer sind vielmehr Verdienstausfälle - wenn etwa in der Physiotherapie ein 35 Jahre junger Manager in der Gangschule so ungünstig stürzt und mit dem Kopf aufschlägt, dass er nicht wieder arbeiten kann. Dann muss die Haftpflichtsumme so hoch sein, ihm sein Gehalt (inkl. verpasster Gehaltssteigerungen) bis zum Rentenalter zahlen kann. Hinzu kommt, dass die Krankenkassen die Heilbehandlungskosten übernehmen und diese vom Therapeuten oder der Therapeut:in regressieren. Im schlimmsten Fall, etwa bei einer Intensivpflege, sind das 25.000 Euro - im Monat. Eine Unterdeckung ist existenzbedrohend, weil der Differenzbetrag dann vom Therapeuten oder der Therapeut:in gezahlt werden muss - hier bleibt dann nur der Weg in die Privatinsolvenz.

Der zweite große Fehler bei der Berufshaftpflichtversicherung liegt darin, dieser nicht alle bestehenden Risiken mitzuteilen. Klar ist: Je höher das Risiko, desto teurer die Versicherung. Aber kennt die Versicherung nicht alle Risiken, sind diese eben auch nicht versichert. Insbesondere müssen alle (ggf. freien) Mitarbeiter:innen unverzüglich der Haftpflichtversicherung gemeldet werden, dies gilt besonders dann, wenn sich die Zahl der Arbeitsstunden erhöht - je mehr ein:e Therapeut:in arbeitet, desto mehr Zeit hat er, Fehler zu machen.

Ein häufiges Problem ist die sog. "Scheingesellschaft", etwa wenn eine Praxisgemeinschaft nach Außen als "Hans Müller & Gerda Meier - Ergotherapeuten" auftritt - damit wird der Anschein einer Gemeinschaftspraxis geweckt. Gleiches gilt, wenn Hans Müller in Wahrheit ein Angestellter von Gerda Meier ist. Hier muss die Berufshaftpflichtversicherung wissen, dass eine sog. "Scheingesellschaft" besteht, denn während in der Praxisgemeinschaft jede:r Therapeut:in nur für sich selbst haftet, haftet in der Gemeinschaftspraxis (auch in der Scheingesellschaft) jede:r Therapeut:in auch für die Fehler der anderen mit. Das Risiko, welches die Versicherung abdecken soll, ist also doppelt so hoch. Es reicht nicht, dass jede:r Therapeut:in seine eigene Haftpflichtversicherung hat.

Neben der Berufshaftpflichtversicherung brauchen Sie auch eine Betriebshaftpflichtversicherung. Diese greift bei Schäden, die nicht durch fehlerhafte Behandlungen entstehen sondern etwa wenn die Wege zur  Praxis nicht ausreichend geräumt wurden, ein:e Therapeut:in beim Hausbesuch eine teure Vase umreißt usw. Sie ist das Pendant zur privaten Haftpflichtversicherung.

Fallstricke bei der Praxisgründung drohen auch bei Verstößen gegen die vielen Vorschriften aus der Kassenversorgung, seien es die Heilmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, die Rahmenverträge usw. Hier drohen bekanntlich Absetzungen, was besonders ärgerlich ist, weil Sie Ihre gute Arbeit am Ende nicht bezahlt bekommen. Gegen Absetzungen helfen keine Versicherungen, sondern eine immer aktuelle Kenntnis des Regelwerkes. Fortbildungen und Mitarbeiterschulungen auch in diesen wenig attraktiven rechtlichen Fragestellungen sind daher unabdingbar. Versicherbar sind Absetzungen hingegen zumeist nicht, in besonders großen Praxen können sogenannte Managementversicherungen helfen (D & O-Versicherungen) helfen. Für den rechtlichen Beistand kann man sich zumindest rechtsschutzversichern. Die Zusammenarbeit mit einem Abrechnungsdienstleister wie Optica hilft Ihnen ebenfalls.

Welchen Umfang Rechtsschutzversicherungen haben sollten, ist letztliche eine Risikoabwägung. Anwalts- und Prozesskosten sind für die meisten Selbstständigen auch ohne Rechtsschutzversicherung gut tragbar. Diese übernimmt nicht nur die eigenen Anwaltskosten, sondern auch die Gerichtskosten und die gegnerischen Anwaltskosten, sollte man den Prozess verlieren. Dabei gilt: Ob mit oder ohne Rechtsschutz muss man immer nur die gesetzlichen Anwaltsgebühren bezahlen, unabhängig davon, ob der oder die Gegner:in eine teure Honorarvereinbarung mit seinem Anwalt oder ihrer Anwältin geschlossen hat. Umgekehrt gilt auch: Viele Rechtsschutzversicherungen übernehmen auch "nur" die gesetzlichen Gebühren des eigenen Anwaltes, nicht die Honorarvereinbarung. Gerade wenn eine strafrechtliche Absicherung gewünscht ist, z.B. beim Vorwurf von (fahrlässigen) Körperverletzungen oder Abrechnungsbetrug sollte in jedem Fall die Übernahme eines Stundensatzes mitversichert werden.

Sinnvoll ist eine Rechtsschutzversicherung im Arbeitsrecht, denn abweichend von allen anderen Prozessen muss hier in der ersten Instanz jede Seite ihre Kosten selbst tragen, unabhängig davon, ob sie gewinnt oder verliert.

Viele Versicherungsmakler:innen sind sehr zurückhaltend hinsichtlich eines Sozialrechtsschutzes. Sie gehen davon aus, das man zumindest ein Widerspruchsverfahren selbst durchführt und erst im Klageverfahren eine:n Anwält:in braucht. Dies ist aber problematisch, denn während das Widerspruchsverfahren "nur" wenige Monate dauert, braucht das Sozialgericht häufig drei Jahre bis zu einer Entscheidung. Es ist daher ratsam, das sogenannte Vorverfahren (=Widerspruchsverfahren)  mit zu versichern.

Mehr zum Thema Versicherungen finden Sie auch in unserem Beitrag "Versicherungsschutz: Von Wasserschäden und anderen Risiken"

Die Finanzen

Immer im Blick behalten müssen Sie als Gründerin Ihre Liquidität. Diese ist, neben den bekannten Anlaufschwierigkeiten ein erhebliches Risiko für Praxisgründer:innen. Die Praxis läuft gut an, aber anders als bei Arbeitnehmer:innen werden die laufenden Einnahmen nicht jeden Monat besteuert, sondern die genaue Steuerlast ist erst nach Abschluss des Jahres bekannt, wenn Ihre Steuerberater:in die Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellt hat. Gerade im dritten oder vierten, gut laufendem Jahr erhöhen viele Therapeut:innen ihren Lebensstandard, und legen nicht genug Geld für die Einkommenssteuer (schnell 30 % der Einnahmen nach Abzug der Betriebsausgaben) zur Seite - und dann kommt nicht nur eine Steuernachforderung auf Sie zu, sondern auch eine Erhöhung der Vorauszahlungen.  Es ist äußerst misslich und teuer, dann bei der Hausbank einen Kredit für die Zahlung von Steuerschulden aufnehmen zu müssen. Gerade in wirtschaftliche erfolgreichen Jahren sollten Sie sich daher bereits unterjährig von Ihrem Steuerberater oder Ihrer Steuerberaterin die zu erwartende Einkommenssteuerbelastung mitteilen lassen und zumindest ein Drittel der Überschüsse zurücklegen (z.B. auf ein anderes Konto).
 


Dr. Dr. Thomas Ruppel und sein Team beraten Heilmittelerbringer in allen rechtlichen Fragen. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Dr. rer. med. Ruppel erreichen Sie per Mail oder Telefon: 0451 29366-500.

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