Zukunft Betrieb
Das kostenlose Fachmagazin für alle Hilfmittelerbringer:innen. Alles, was das Gesundheitshandwerk und Sanitätsfachhandel bewegt: Zukunft Betrieb widmet sich aktuellen Themen wie der Digitalisierung und dem Fachkräftemangel. Lesen Sie hier alle Fokusthemen aktueller und vergangener Ausgaben.
Unter vier Augen: Darum brauchen wir die Digitalisierung

Frau Abel, warum braucht Deutschland ein digitalisiertes Gesundheitssystem?
Kirsten Abel: Hier sehe ich vor allem drei Vorteile. Der erste ist Transparenz: Alle Parteien wissen immer genau, welche Gesundheitsansprüche sie haben und ob diese tatsächlich auch erbracht werden. Zweitens die höhere Geschwindigkeit durch saubere und valide Prozesse, was eng mit der Entbürokratisierung zusammenhängt. Der dritte Vorteil liegt im Controlling, denn mit den erhobenen Daten können wir den Erfolg aller gesundheitspolitischen Maßnahmen messen – damit öffnet sich auch die Tür zur Versorgungsforschung.
Was ist nötig, um die Hilfsmittelversorgung in den Digitalisierungsprozess einzubinden?
Kirsten Abel: Offenheit, um Standards zu setzen und Medienbrüche zu hinterfragen. Die Sanitätshäuser gehören derzeit noch zu den Premiumkunden der Papierindustrie, weil wir zu viele Medienbrüche haben. Wir brauchen einen standardisierten Prozess von der Verordnung bis zur Abrechnung. Erst dann können wir diesen Prozess auch digitalisieren, das ist die große Herausforderung. Noch immer gibt es Krankenkassen, die Unterschriften in Papierform verlangen, die sie dann einscannen und wegwerfen.
Herr Dr. Pfänder, wie blicken Sie als Anbieter und Entwickler von Praxisund Branchensoftware auf die Digitalisierung und Standardisierung?
Dr. Jochen Pfänder: Wir brauchen einheitliche und schlanke Prozesse. Mit jeder individuellen Option, die wir digital abbilden müssen, wird nicht nur die Entwicklung teurer und komplexer, auch die Bedienung der Software wird unnötig kompliziert. Bei unseren Produkten verfolgen wir das Ziel, sie trotz großer Funktionalität so einfach nutzbar wie möglich zu halten. Standardisierte Prozesse würden dazu erheblich beitragen.
Frau Abel, sind die Sanitätshäuser und Orthopädietechnik-Betriebe auf die Digitalisierung gut vorbereitet?
Kirsten Abel: Technische Orthopädie setzt an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik an. In der Versorgung sind digitale Tools längst im Einsatz. Wir sind alle digital affin und wünschen uns auch in der Verwaltung der Versichertengelder die digitale Unterschrift. Alles, was unsere Häuser vorbereiten konnten, haben wir auf den Weg gebracht. Das meiste wird in den Häusern digital verarbeitet und nur noch für die Krankenkassen ausgedruckt.
Herr Dr. Pfänder, welche digitalen Entwicklungen am Markt sind derzeit richtungsweisend?
Dr. Jochen Pfänder: Da gibt es viele spannende Trends: 3-D-Druck von Prothesen und Orthesen, Wearables, die beispielsweise beim Gesundheitsmonitoring helfen, oder therapeutische Anwendungen, die sich der virtuellen oder erweiterten Realität bedienen. Auch wir helfen dabei, den Weg zu mehr Digitalisierung zu ebnen, beispielsweise als einer der zahlreichen Partner des größten Pilotprojekts zur eVerordnung bei Hilfsmitteln, das die Gesundheitshandwerke mithilfe des BIV-OT aufgesetzt haben. Voraussichtlich zum 1. Juli 2027 sollen alle Sanitätshäuser und orthopädie(schuh)- technischen Werkstätten elektronische Verordnungen von Hilfsmitteln, also das digitalisierte Muster 16, verarbeiten können. Das Ziel des Projektes ist es, einen Prozess dafür zu gestalten und zu erproben.
Frau Abel, was muss passieren, um die digitale Transformation zu beschleunigen?
Kirsten Abel: Abgesehen von der Standardisierung brauchen wir eine Antwort auf die Frage, wie schnell die Betriebe an die TI kommen? Nur die TI bietet Datensicherheit. Unser Pilotprojekt sollte hier schnell angebunden werden. Viele Arztpraxen nutzen bereits KIM, und viele Betriebe sind bereit, das auszuprobieren. Jetzt sind der Gesetzgeber und die Krankenkassen am Zug.
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