Zukunft Praxis

Das kostenlose Fachmagazin für alle Heilmittelerbringer:innen. Alles, was Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Logopäd:innen und Podolog:innen bewegt: Zukunft Praxis widmet sich aktuellen Themen wie der Digitalisierung und bietet echte Mehrwerte für den Praxis-Alltag. Lesen Sie hier alle Fokusthemen aktueller und vergangener Ausgaben. 

Physio auf Rädern

Die Idee einer mobilen Praxis ist charmant, wirft aber auch Fragen auf. Ein Physiotherapeut aus dem Rheingau-Taunus-Kreis hat seinen Weg gefunden.

Erfan Barogh in seinem Physio-Truck

Tatütata, der Physiotherapeut ist da. So ungefähr hatte es sich Erfan Barogh anfangs vorgestellt, als er über den Physiotruck nachdachte. Die Idee dazu kam ihm, als er noch als Rettungsassistent arbeitete und zu dem einen oder anderen Einsatz gerufen wurde, bei dem der Patient nicht in die Klinik gemusst, sondern eine kleine Massage wahrscheinlich schon Wunder gewirkt hätte. Später, als er dann Physiotherapie an der Hochschule Fresenius in Idstein studierte, merkte er, dass die Sache doch etwas komplizierter ist. Noteinsätze? Vielleicht doch keine so gute Idee ohne medizinische Ausbildung und Zulassung. Und dann wenigstens normale Hausbesuche mit fahrender Praxis? Auch das weder rechtlich möglich noch wirtschaftlich sinnvoll. „Außerdem hatte ich nicht bedacht, dass man ja normalerweise Hausbesuche macht, weil die Patient:innen bettlägerig oder zumindest immobil sind“, schmunzelt Barogh über sich selbst, „da können sie natürlich auch nicht so gut nach draußen zum Truck kommen.“

Ausrangierten Rettungswagen umgebaut

Doch die Idee ließ ihn nicht los. Noch während seines Studiums kaufte er deshalb einen ausrangierten Rettungswagen und begann ihn umzubauen. Als Erstes mussten natürlich Blaulicht und Martinshorn daran glauben. Zwar waren einige Standards wie Stromanschluss, Licht, Standheizung, Klimaanlage und Schränke in dem Fahrzeug bereits vorhanden, doch viele weitere Arbeiten kamen hinzu. So baute er einen neuen Boden ein, folierte die Schränke, setzte LED-Lichter ein, verkleidete die Radkästen, installierte eine Musikanklage und vieles mehr. Für manche Einbauten wie Waschbecken oder Eisfach verwendete er Materialien aus dem Wohnmobilbereich. Fast ein halbes Jahr baute Barogh so an seinem Physiotruck. „Das war ein Haufen Arbeit“, blickt er lachend zurück.

Um sich und seinen Truck bekannt zu machen knüpfte er Kontakte in die Eventbranche und wurde für große Open-Airs gebucht. Hier konnte er Künstler:innen vor oder nach dem Auftritt behandeln. Felix Lobrecht, Wincent Weiss, Eko Fresh und viele mehr lagen so auf seiner Liege und bekamen von ihm eine Massage. „Ich wurde dafür zwar nicht bezahlt, aber dafür konnte ich netzwerken“, erzählt Barogh. Und das eine oder andere Selfie mit einem Prominenten fiel auch meist ab, das er dann auf Social Media posten konnte. So machte sich der junge Physiotherapeut schnell einen Namen.

Und das Geschäftsmodell dahinter? Das hatte zunächst wenig mit dem Physiotruck selbst zu tun. So fing Barogh parallel zu seinem mobilen Engagement an, Patient:innen zuhause in seinem Gästezimmer in Taunusstein zu behandeln. Es folgte eine erste Praxis in einem Wohnhaus. Dann der Umzug in eine große Praxis mit Mitarbeiter:innen. Und in Kürze wird sogar eine zweiter Standort im benachbarten Steinbach hinzukommen. „Ich war und bin Nonstop am Schaffen“, so Barogh mit unverkennbar hessischem Zungenschlag, „aber es hat sich gelohnt.“

Betriebliche Gesundheitsförderung

Als verrückte Flause will er seine alte Idee mit dem Truck indes nicht abtun. Im Gegenteil: „Ich habe vor, noch in diesem Jahr einen zweiten Rettungswagen umzurüsten, den ich dann auch an andere Praxen vermieten werde“, so der 34-jährige Jungunternehmer. Denn eine Einsatzmöglichkeit des Trucks ist durchaus legal, wirtschaftlich und sinnvoll: nämlich der Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung.

„Mich buchen vor allem Unternehmen und Behörden, die etwas für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen tun möchten“, so Barogh. Der größte Kunde sei derzeit die Stadt Taunusstein mit ihren rund 400 Angestellten. Diese seien sehr dankbar, wenn seine rollende Physiotherapiepraxis auf dem Parkplatz stehe, und sie ihre Arbeit nur für ein halbes Stündchen unterbrechen müssten, um sich dort behandeln zu lassen. Natürlich sind die Möglichkeiten in dem kleinen Wagen begrenzt. Auf den sechs Quadratmetern geht letztlich nur das, was an der Bank gemacht werden kann, wie Massage, Wärme- und Kältetherapie, Kinesiologie-Taping und ähnliches. Selbst für Übungen mit dem Pezziball muss der Kunde externe Räume zu Verfügung stellen, an gerätegestützte Krankengymnastik ist gar nicht erst zu denken. Um so etwas anbieten zu können, müsste Barogh noch einmal deutlich mehr investieren und einen richtigen Truck ausbauen.

Newsletter abonnieren – Einfach. Kostenlos.

Neuigkeiten zur Heilmittelrichtlinie und Hilfsmittelbranche, ein Infoservice zu Absetzungen, Einladungen zu Webinaren und Messen: Wer sich jetzt für „Wissenswert“ registriert, bleibt künftig per E-Mail up to date – und kann sofort auf alle Premium-Artikel zugreifen. Kostenlos.