Zukunft Praxis
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Selbstständigkeit: Man muss kein Naturtalent sein
Wer sich mit dem Gedanken trägt, eine therapeutische Praxis zu gründen oder vielleicht eine bestehende zu übernehmen, steht zunächst vor einem Berg von Fragen: Gibt es einen Markt für die Praxis, wo ist der ideale Standort, welche Räumlichkeiten brauche ich, welche Ausstattung und wie funktioniert das eigentlich mit der Kassenzulassung? Jenseits all dessen muss Gründer:innen aber eines klar sein: Ab Tag eins der Selbstständigkeit werden sie die treibende Kraft ihres Unternehmens sein und müssen sich – so sie denn Mitarbeiter:innen haben – auch in der neuen Rolle als Chef:in zurechtfinden.
Deshalb ist es gut, sich vor der Praxisgründung eine Reihe von Fragen zu stellen. Für Claudia Hönig, Unternehmensberaterin für Heilberufe, lautet die erste: „Was will ich mit meiner Praxis erreichen, welches Ziel verfolge ich?“ Die Antwort ist das, was bei vielen Unternehmen unter „Vision“ und „Mission“ zu lesen ist. Die Vision formuliert das langfristige Ziel der Praxis, ein Idealbild der Zukunft, das allen – Führungskräften wie Mitarbeiter:innen – als Motivationsgrundlage dient. Wie die berühmte Karotte vor der Nase kann die Vision etwas sein, das vielleicht nie erreicht wird, die Praxis aber als Zielsetzung immer wieder voranbringt. Die Mission hingegen ist konkreter: Hier wird erklärt, warum es die Praxis gibt – und was sie wie und für wen anbietet. Klarheit darüber hilft bei der täglichen Arbeit und den anstehenden Entscheidungen.
Was ist mein Ziel? Eigne ich mich für die Selbständigkeit?
Die zweite Frage ist persönlicher: Wie gut eigne ich mich für die Selbstständigkeit? „Wer den Schritt wagen will, der muss vier Dinge mitbringen: die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, eine hohe Resilienz, um die Schwierigkeiten und Rückschläge wegstecken zu können, ein hohes Maß an Willenskraft und die Fähigkeit, sich zu fokussieren. Das Ziel zu kennen und sich auf dem Weg dorthin nicht beirren zu lassen, ist das Wichtigste“, erklärt Unternehmensberaterin Claudia Hönig.
Dabei ist das Ziel keineswegs abstrakt zu verstehen. Im Gegenteil sollten ganz konkrete Aussagen getroffen werden: wie viele Mitarbeiter:innen es geben wird, ob die Arbeit in Voll- oder Teilzeit geplant ist und wie hoch der Verdienst sein soll. Wichtig ist auch die Entscheidung, was die Praxis bieten soll. Das hat neben wirtschaftlichen oft auch persönliche Gründe: „Manche können gut mit Kindern, andere haben viel Geduld mit älteren Menschen, wieder andere arbeiten gerne mit Leistungssportler:innen“, sagt Hönig. Diese Ziele sollte der oder die Inhaber:in kennen, am besten aufschreiben und fest im Team verankern.
Was zeichnet eine gute Führungskraft aus? Menschlichkeit!
Wie eine gute Führungskraft heute handeln sollte, darüber herrscht in Fachkreisen nahezu Einigkeit: Vor allem menschlich sollen die Chef:innen sein, das bekräftigt auch Claudia Hönig: „In vielen Praxen wird mit den Mitarbeiter:innen schlechter umgegangen als mit den Patient:innen. Das darf nicht sein.“ Wenn für die Kund:innen Werte wie Wertschätzung, Respekt und Dankbarkeit gelten, dann sollten diese auch den Umgang untereinander bestimmen. Schließlich wünscht sich jeder ein erfülltes Leben, und in einer Heilberufepraxis, die von vornherein menschlicher ausgerichtet als andere Betriebe, sollte dies der Maßstab für den täglichen Umgang miteinander sein.
Nichts ist schlimmer, als eine Praxis, in der das Team wegen ungeklärter Konflikte auseinander driftet. Deshalb sind Routinen wichtig, die Gelegenheit geben, sich offen zu äußern und eben auch zuzuhören. „Solche Reflexionen und Feedback-Runden sollten regelmäßig stattfinden, am besten mehr als viermal im Jahr“, empfiehlt Hönig. Sie sorgen nicht nur für eine gute „emotionale Hygiene“ im Team, sondern bieten allen die Chance, sich zu verbessern, auch den Führungskräften. Ein Naturtalent als Chef:fin sei zwar hilfreich, es gehe aber auch ohne. „Das kann man lernen kann – und muss es auch. Schließlich trägt man die Verantwortung für die Praxis, für Patient:innen, Mitarbeiter:innen und für sich selbst“, sagt Claudia Hönig.
Und was ist, wenn es einmal schlecht läuft, wenn es einen Konflikt zwischen Chef:in und Mitarbeiter:in gibt? Die Beraterin empfiehlt, so schnell wie möglich das Gespräch zu suchen, und mit offenen Fragen dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, Stellung zu beziehen. Ziel solcher Gespräche sollte es sein, herauszufinden, was besser werden kann und festzulegen, was anders werden muss. „Ähnlich wie in einer Beziehung muss man sich auch in einem Team darüber klar werden, ob man zueinander passt oder nicht“, erklärt die Beraterin. „Niemand möchte mit jemandem zusammen sein, der unglücklich macht, weder zu Hause, noch in der Praxis“.
Die Glücksprüfung gilt auch für die Führungskräfte selbst. Das Dasein als Chef:in ist kein Selbstläufer. Empfehlenswert ist ein halbjährlicher Rückzug in eine persönliche Klausur. „Dort sollte man sich fragen, ob die damals getroffene Entscheidung heute noch die richtige ist“, sagt Hönig. „Es geht nicht darum, die Vergangenheit in Frage zu stellen, sondern herauszufinden, ob der eingeschlagene Weg auch in Zukunft funktioniert.“
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