„Es ist gut, dass der Verhandlungsmarathon ein Ende gefunden hat“
Herr Troidl, wie positioniert sich der VDB zum Ergebnis des Schiedsverfahrens? Was ist Ihr persönliches Fazit?
Das Ergebnis ist auf der einen Seite enttäuschend. Wir haben mehr erwartet. Auf der anderen Seite sind 14,09 Prozent kein Minusangebot, was uns die Kassen zu Beginn der Verhandlungen angeboten hatten. Ich sage mal, es ist ein annehmbares Ergebnis. Wir sind aber noch nicht am Ziel. Physiotherapeuten müssen endlich, wirklich angemessen bezahlt werden, damit der Beruf wieder attraktiv wird.
Wie haben Sie den Verlauf der Verhandlungen empfunden? Auch im Vergleich zu den bisherigen Verhandlungen?
Es war der zäheste Verlauf in der Geschichte der Preisverhandlungen Physiotherapie.
Sind Klagen vom GKV-Spitzenverband oder eines Physiotherapieverbandes zu befürchten?
Es ist gut, dass der Verhandlungsmarathon ein Ende gefunden hat. Uns ist es wichtig, dass die Kollegen nun die Vergütungserhöhungen erhalten. Die weitere Vorgehensweise passen wir den Entwicklungen an.
Welche positiven Punkte des Schiedsergebnisses sind herauszustellen?
Ob 14,09 % ausreichen, um die Mitarbeiter:innen ambulanter Physiopraxen nach Tarif zu bezahlen, bezweifeln wir. Ein funktionierendes Gesundheitswesen wird in den nächsten Jahren im Zuge des demografischen Wandels eine entscheidende Rolle spielen. Wenn wir es nicht schaffen, die monetäre Entlohnung in den Gesundheitsfachberufen zu erhöhen, werden wir auf kurz oder lang ein eklatantes Problem haben. In dieser Situation sollten wir alle Möglichkeiten ausschöpfen Gesundheitsberufe attraktiv zu gestalten, um einen Anreiz für Schulabgänger zu schaffen, die Berufe zu erlernen. Unter diesem Gesichtspunkt akzeptieren wir den Schiedsspruch, doch hat er gezeigt, dass das Problem in seiner Gesamtheit noch nicht ganz erfasst wird.
Was hätte besser sein können, was hätten Sie sich noch gewünscht?
Nun, das Ergebnis ist auf unsere Intervention zurückzuführen. Wir haben eine Klage eingereicht, haben uns an den Gesundheitsausschuss gewandt und an das Bundesministerium für Gesundheit. Eigentlich sind wir davon ausgegangen, dass die Intervention in einem Schiedsverfahren unnötig ist. Zweitens hätten wir ein weiteres Gutachten gut gefunden. Das von den Verbänden in Auftrag gegebene Gutachten wurde nicht von der Schiedsstelle anerkannt, ebenso nicht das der Gegenseite. Hier hätten wir uns gewünscht, dass die Schiedsstelle ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gibt.
Die neuen Möglichkeiten in Bezug auf die Korrektur der Rezepte hören sich toll an! – Über diese Neuigkeiten haben sich die Therapeut:innen sicherlich gefreut?
Ob die Maßnahmen ausreichen, um dem Abrechnungswahnsinn ein Ende zu setzen, müssen wir abwarten. Im Rahmen der Möglichkeiten haben wir alles versucht den bürokratischen Aufwand zu verringern.
Wie geht es nach dem Schiedsergebnis jetzt konkret weiter? Was sind die nächsten Schritte?
Aktuell verhandeln die maßgeblichen Verbände mit dem GKV Spitzenverband die Bedingungen und Vereinbarungen zur Anwendung der Blankoverordnung. Der VDB-Physiotherapieverband möchte die Blankoverordnung für alle Therapien und Diagnosen und alle Praxen mit oder ohne Zertifikatsleistungen ermöglichen. Ansonsten macht die Blankoverordnung keinen Sinn. Die Diagnose stellt weiterhin der Arzt, von daher spricht dem nichts entgegen. Dieser Meinung sind aber nicht alle Verhandlungspartner.
Zum anderen verhandeln die Verbände derzeit mit dem GKV Spitzenverband die Erstattungsleistungen für die Anbindung an die Telematikinfrastruktur. Hier geht es ebenfalls um viel Geld und der Abschluss wird entscheidet für alle Praxen sein. Die Kosten müssen vollständig erstattet werden. Dafür setzen wir uns ein.
Was müssen Physiotherapeuten nun tun?
Für Physiotherapeuten ist es nun wichtig sich mit dem neuen Rahmenvertrag vertraut zu machen. Und: Unbedingt den Rahmenvertrag anzuerkennen, um nicht die Zulassung zu verlieren.
Wann sollen die Verhandlungen zu den Leistungsbeschreibungen und Behandlungszeiten aufgenommen werden?
Mit dem 2. Schiedsspruch ist das Verfahren erst einmal abgeschlossen. Eine zeitnahe Verhandlung über eine neue Leistungsbeschreibung wird es nicht geben. Das wird erst wieder 2022 in den neuen Verhandlungen möglich sein.
Was ist bei diesen Verhandlungen zu erwarten?
Wir warten jetzt erst einmal die Umsetzung des neuen Rahmenvertrags und die Regelungen des Schiedsspruchs ab. Wir schauen wie die Umsetzung der in Kraft getreten Maßnahmen funktioniert und sehen dann, wo es immer noch hakt und wo die Probleme liegen. Was in erneuten Verhandlungen zu erwarten ist, können wir heute noch nicht sagen.