Zukunft Praxis

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PRAXISnah: „Der Kontakt zu Ärzt:innen ist die beste Werbung.“

Kolleg:innen über die Schulter schauen und voneinander lernen: diesmal mit Gabriele Herzing, Logopädin und Praxisinhaberin aus Kassel.

PRAXISnah mit Gabriele Herzing, Logopädin und Praxisinhaberin aus Kassel

Frau Herzing, was unterscheidet Ihre Praxis von anderen logopädischen Praxen in Kassel?
Ganz abgesehen davon, dass es meine Praxis schon ziemlich lange gibt – mehr als 35 Jahre –, sind wir mit 14 Mitarbeiterinnen auch eine ziemlich große Praxis. Das hat den Vorteil, dass wir bei uns das ganze Spektrum der Logopädie abdecken können.

Können das nicht die meisten Praxen?
Als Patient:in geht man vielleicht davon aus. Und in der Praxis wird man natürlich auch in aller Regel nicht abgewiesen. Das heißt aber noch lange nicht, dass es dort auch tatsächlich jemanden gibt, der auf das jeweilige Problem spezialisiert ist. Das ist in einer kleinen Praxis überhaupt nicht möglich.

Bieten Sie auch spezielle Leistungen, die es nur bei Ihnen gibt?
Eine Besonderheit ist zum Beispiel, dass wir mit Reizstrom arbeiten. Die meisten Menschen kennen das nur aus der Physiotherapie, aber die Stimulation der Muskulatur funktioniert auch in der Logopädie bei bestimmten Indikationen ganz wunderbar.

Ist das ein Angebot für Selbstzahler:innen?
Nein, das ist eine ganz normale Kassenleistung. Ohnehin haben wir nur relativ wenig Angebote für Selbstzahler:innen. Hin und wieder bieten wir Stimmtraining in Gruppen für Lehrer:innen und andere Sprechberufe an – allerdings ist das dank Corona auch ziemlich zum Erliegen gekommen.

Bei Ihnen arbeiten nur Frauen. Ist das so gewollt?
Lange Zeit lag es daran, dass es einfach keine männlichen Bewerber gab. Mittlerweile würde ich aber auch sehr lange überlegen, ob ich überhaupt einen Mann einstellen wollte. Denn ich glaube, dass ein solch homogenes Team durchaus Vorteile hat.

Welche?
Alle meine Mitarbeiterinnen haben eine extrem hohe Sozial- und Fachkompetenz. Es gibt keine Konkurrenz, niemand möchte sich hervortun, niemand wird ausgegrenzt. Das ist wirklich ein Dream-Team! Und ich fürchte, wenn da jetzt plötzlich ein Mann dazu käme, würde das die Gruppendynamik nachteilig ändern.

„Für mich war auch früher schon immer der persönliche Kontakt zu den Ärzt/innen die beste Werbung.“

Gabriele Herzing, Logopädin und Praxisinhaberin

Interessant: In „Männerberufen“ wird immer nach Frauenförderung gerufen und nach gemischten Teams verlangt...
Meine Erfahrungen mit Männern in dem Beruf sind nun einmal nicht ganz so gut – was natürlich Zufall sein mag. Und mir ist auch bewusst, dass ein Frauenteam nicht nur Vorteile hat. Gerade den Jungs unter den Patient:innen würde zum Beispiel eine männliche Identifikationsfigur sicher guttun.

Und unabhängig vom Geschlecht: Ist der Fachkräftemangel ein Problem für Sie?
Aktuell nicht, in der Vergangenheit haben wir aber auch schon immer mal sehr lange suchen müssen. Bewährt hat sich bei mir, junge Kolleginnen über Ausbildungspraktika zu gewinnen. Wenn sie hier eine gute Zeit haben, viel lernen und mitnehmen können, sind die Chancen gut, dass sie nach der Ausbildung wieder hierher wollen. Schon zwei Mitarbeiterinnen haben wir dieses Jahr auf diesem Weg gewonnen.

Zwei neue Mitarbeiterinnen – trotz Corona?
Im ersten Lockdown hatten wir einen Einbruch um 80 Prozent und mussten Kurzarbeit beantragen. Inzwischen hat sich aber wieder alles ziemlich normalisiert. Und das bedeutet bei uns dann auch leider wieder: lange Wartelisten.

Mehr Informationen über Gabriele Herzing und ihre Logopädie-Praxis
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Das heißt, die Frage nach Werbung und Marketingmaßnahmen erübrigt sich bei Ihnen wahrscheinlich?
Ja, aber für mich war auch früher schon immer der persönliche Kontakt zu den Ärzt:innen die beste Werbung. In der Anfangszeit habe ich dafür die Praxen persönlich aufgesucht, um mich vorzustellen. Heute schaue ich in der Regel nur noch an Weihnachten vorbei, um ein kleines Präsent vorbeizubringen und den Kontakt zu halten.

Zum Schluss nur noch unsere gesundheitspolitische Frage: Was würden Sie machen, wenn Sie für einen Tag Gesundheitsministerin wären?
Ich würde dafür sorgen, dass der Heilmittelbereich ein höheres Ansehen erlangt – und damit verbunden natürlich auch mehr Geld für die handelnden Personen. Das wäre auch die wichtigste Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Denn man darf sich nicht wundern, wenn heute kaum noch jemand diesen Beruf erlernen möchte.

Für die Durchsetzung solcher Ziele sind ja die Berufsverbände zuständig. Wie zufrieden sind Sie mit deren Arbeit?
Ich bin ausgesprochen unzufrieden. Meine Mitgliedsnummer im Bundesverband dbl ist die 1350; daran kann man sehen, wie lange ich dort schon Mitglied bin. Erstmals denke ich jetzt jedoch darüber nach, auszutreten. Beim neuen Versorgungsvertrag wurde meiner Ansicht nach einfach zu hasenfüßig und nachgiebig verhandelt. Die Verhandlungsführerin soll einmal gedroht haben, die Verhandlungen abzubrechen – mit Erfolg. Vielleicht hätte sie das einfach öfter mal machen sollen.

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