Arbeitsklima: Gepflegtes Miteinander

Viele Menschen haben feine Antennen dafür, wie es in einer Praxis zugeht. Deshalb ist ein gutes Betriebsklima wichtig.

PraxisProfi: Psychisches Wohlbefinden am Arbeitsplatz

Ein Kind kommt zu einer sprachtherapeutischen Behandlung. Und die Eltern bringen Bruder oder Schwester mit. Das passiert häufig. Im Wartezimmer herrscht dann meistens Trubel, erzählt Praxisinhaber Mathias Gans: „Das heißt für uns als Team, dass wir mit der Situation umgehen und bisweilen klare Grenzen setzen müssen.“ Das bedeutet auch: Der Ton bleibt immer freundlich, sowohl gegenüber den Patient:innen und ihren Angehörigen als auch gegenüber den Kolleg:innen. Kommt es zu Konflikten, steht der Chef hinter seinen Mitarbeiter:innen.

Mathias Gans weiß um die zwischenmenschlichen Herausforderungen des Praxisalltags. Der Ergotherapeut ist Inhaber einer Ergotherapie- und einer Sprachtherapiepraxis in Süddeutschland, außerdem berät er andere Praxisinhaber:innen und hält Seminare, auch zum Thema Betriebsklima. Eine angenehme Atmosphäre entsteht nach seinen Beobachtungen, wenn klare Regeln gelten. Und wenn Chef:innen mit gutem Beispiel bei der Umsetzung vorangehen. „Wir begrüßen und verabschieden Patient:innen. Wir fragen zu Beginn, wie es ihnen geht“, nennt Gans wichtige Regeln auf. „Wir dokumentieren. Wir halten die Behandlungszeit ein. Und wir helfen Kolleg:innen, wenn etwas mal nicht klappt.“

Dass das Betriebsklima stimmt, merke man daran, dass sich Mitarbeiter:innen für ihre Praxis engagieren, sagt Mathias Gans. Dass sie ehrlich sind und konstruktive Kritik üben. Diese sollte dann auch von der Praxisleitung ernst genommen werden, fordert Gans.

Ein gutes Arbeitsklima bringt viele Pluspunkte. Studien aus verschiedenen Bereichen der Volkswirtschaft zeigen, dass eine Wohlfühlatmosphäre im Betrieb die Zahl der Krankentage niedrig hält. Mitarbeiter:innen möchten bleiben. In Zeiten des viel diskutierten Fachkräftemangels dürften Praxisinhaber:innen daran ein hohes Interesse haben.

Auch die Patient:innen merken schon in den ersten Minuten, was für ein Ton in der Praxis herrscht. „Die allermeisten Menschen haben feine Antennen dafür, ob es hektisch oder entspannt zugeht“, sagt Ralf Jentzen, Inhaber von Coactiv Consulting. Der Sportwissenschaftler aus der Nähe von Aachen berät seit über 20 Jahren Physiotherapiepraxen zu betriebswirtschaftlichen Themen. Dabei geht es vor allem um das Gewinnen und Halten von Mitarbeiter:innen, um optimale Arbeitsabläufe, Wachstumsstrategien und die Praxisnachfolge.

Nach Jentzens Ansicht tragen Ordnung und eine geschickte Betriebsorganisation zum guten Arbeitsklima bei. Sie helfen, Stress zu vermeiden. Jedes Ding hat seinen Platz – der Pezziball in einer passenden Halterung und die Handtücher in einem praktischen Regal. Im Mittelpunkt der im besten Sinne aufgeräumten Praxis steht für Ralf Jentzen die Chefin oder Chef. Sie sollten den Kolleg:innen Raum für eigenverantwortliches Arbeiten geben und sie bei passender Gelegenheit loben: „Einfach mal in großer Runde danke dafür sagen, dass die Mitarbeiter:innen den Belastungen der vergangenen Monate standgehalten haben“, empfiehlt Jentzen. „Oder dafür, dass die Kollegin an der Rezeption so empathisch auf die schwerhörige Patientin eingegangen ist.“

Alle sechs Monate sollten Praxisinhaber:innen sich für den oder die Mitarbeiter:in Zeit für ein Feedbackgespräch unter vier Augen nehmen. „Ich sage bewusst nicht Zielvereinbarungsgespräch“, betont Ralf Jentzen. Das sei zu formell gedacht. Es gehe darum, sich über Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter:innen zu verständigen. „Du hast die Corona-Monate super gemeistert“, könnte so ein Gespräch beginnen. Später könnte dann eine Beobachtung folgen: „Ich habe allerdings auch gemerkt: Du wirkst bisweilen angespannt. Was würde dir helfen, besser mit Stress umzugehen?“

Ralf Jentzen plädiert für eine konstruktive Fehlerkultur. „Es sollte die Haltung vorherrschen, dass das ganze Team aus Fehlern lernt“, fordert er. Ist etwas schiefgelaufen, gelte es zunächst, die Ursachen zu finden. Oft liegt es nämlich nicht an Mitarbeiter:innen, sondern eben an der Betriebsorganisation. Gibt es beispielsweise einen ruhigen Arbeitsplatz, an dem sich um Abrechnungen und Ähnliches gekümmert werden kann? Solche Aufgaben dort zu erledigen, wo immer wieder das Telefon klingelt, Patient:innen und Kolleg:innen vorbeikommen, sei kontraproduktiv, findet Jentzen.

Der Ergotherapeut Mathias Gans rät dazu, neben den Behandlungen ausreichend Zeit für andere Arbeitsschritte einzuplanen. Auch das Schreiben von Arztberichten und Absprachen mit Kolleg:innen brauchen Zeit. „So ein Puffer ist wichtig für das Wohlbefinden des Teams.“ Er rät dazu, dass Praxisinhaber:innen gemeinsam mit ihren Kolleg:innen ein Leitbild für die Praxis entwerfen. Sie sollten sich Zeit nehmen und überlegen, was sie als Team ausmacht, und wofür die Praxis steht. „In unserem Leitbild haben wir festgeschrieben, dass jeder Patient und jede Patientin von uns die Behandlung bekommt, die er oder sie benötigt. Wenn wir ihm oder ihr nicht helfen können, sagen wir es auch“, betont Mathias Gans. „Ganz wichtig: Im Leitbild steht, dass wir als Team gut für uns selbst sorgen.“
 


Merksätze fürs Miteinander

  • Chef:innen sollte ihre Mitarbeiter:innen unterstützen und fördern. Regelmäßig ein Lob aussprechen – das wirkt Wunder.
  • Auch wenn es hoch hergeht: Das Team steht zusammen – und Chef:innen hinter ihren Mitarbeiter:innen.
  • Grundeinstellung: Aus Fehlern lernen wir.
  • Klare Regeln sind für den Praxisablauf wichtig. Chef:innen sind dabei Vorbilder.
  • Mitarbeiter:innen sollten genügend Zeit haben für Organisatorisches und für Absprachen mit Kolleg:innen.
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