Blankoverordnung: „Neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Therapie.“

Bettina Simon, Vorstandsmitglied für Versorgung und Kostenträger beim Deutschen Verband Ergotherapie (DVE), über zähe, aber erfolgreiche Verhandlungen zur Blankoverordnung und neue Perspektiven für Therapeut:innen und Patient:innen.

Bettina Simon

Frau Simon, Sie waren von Anfang an in die Verhandlungen zur Blankoverordnung in der Ergotherapie involviert. Was bedeutet Ihnen der erzielte Durchbruch persönlich?

Das nun in der Tat sehr positive Ergebnis freut mich auch persönlich außerordentlich. Als ich 2016 als Vorständin im DVE anfing, sah der Gesetzgeber noch Modellprojekte für die Blankoverordnung vor. Wir sind das auch sofort angegangen und haben versucht, unterschiedlichste Krankenkassen als Kooperationspartner zu gewinnen, allerdings ließ sich keine der Kassen überzeugen. Dann hat der damalige Bundesgesundheitsminister Spahn dafür gesorgt, dass die Blankoverordnung in der Regelversorgung verankert werden kann. Die Arbeit an einem entsprechenden Rahmenvertrag für die Ergotherapie war natürlich noch mit nicht selten zähen Verhandlungen und viel Detailarbeit verbunden. Nach jahrelanger, intensiver Beschäftigung mit der Blankoverordnung empfinde ich das erzielte Ergebnis als sehr positiv. Vor allem, weil es für die Ergotherapiepraxen weitreichende positive Folgen haben wird.

Was möchten Sie hervorheben?

Viele Entscheidungen, die zuvor im Vorbehalt der Ärzt:innen lagen, können nun direkt von den Ergotherapeut:innen getroffen werden. Unsere Berufsgruppe hat die dafür notwendigen Kompetenzen – und durch die Blankoverordnung kann sie das jetzt auch deutlich zeigen. Ärzt:innen stellen noch die Indikation für die Heilmittel, aber die Gestaltung der Therapie obliegt den Ergotherapeut:innen. Die Blankoverordnung stellt das heraus.

Dafür waren aber die von Ihnen beschriebenen langwierigen Verhandlungen nötig. Was waren die größten Hindernisse?

Es ging ja um eine grundsätzlich neue Versorgungsform – für alle drei Vertragspartner: für den DVE, den Bundesverband für Ergotherapeut:innen in Deutschland und den GKV-Spitzenverband. Keiner von uns konnte auf eine Blaupause zurückgreifen, alles musste neu erarbeitet werden. Dabei mussten wir uns natürlich an den gesetzlichen Vorgaben ebenso orientieren wie an der Frage, was überhaupt in der beruflichen Praxis Sinn macht. Und letztlich muss alles auch auf gute Effekte für die Patient:innen hinauslaufen. Zwei Punkte haben uns in den Verhandlungen besonders intensiv beschäftigt. Einmal die Frage, welche Indikationen aus medizinisch-therapeutischer Sicht für die Blankoverordnung gewählt werden können – hier gingen die Meinungen zum Teil weit auseinander. Größere Diskussionen gab es auch zu dem Punkt, wie eine unverhältnismäßige Mengenausweitung der Behandlungen verhindert werden soll.

Das ist als Streitpunkt natürlich nachvollziehbar…

Ja, zumal auch hier gilt: Wir sprechen von einer neuen Form der Versorgung. Da kann man nicht ohne Weiteres festlegen, was verhältnis- oder unverhältnismäßig ist. Mit dem Ampelsystem haben wir eine gute Lösung gefunden, aber bis dahin war es ein weiter Weg, der uns am Ende in das Schiedsverfahren geführt hat. Schon zuvor konnten wir uns allerdings auf die Auswahl der Indikationen verständigen. 

Der Punkt der Zuzahlung sorgt auch weiterhin für Diskussionen.

Das hat uns natürlich in den Verhandlungen beschäftigt. Wir wollten vermeiden, dass die Patient:innen mit außerordentlichen Zusatzkosten rechnen müssen. Für den größeren Aufwand der Therapeut:innen haben wir die neue versorgungsbezogene Pauschale eingeführt, die zuzahlungsfrei ist. Mit Blick auf darüber hinausgehende Zuzahlungen für die eigentlichen Leistungen gilt, dass die Therapeut:innen hier dann ebenfalls ihrer erweiterten Versorgungsverantwortung gerecht werden müssen. Wir empfehlen, dass sie ihre Patient:innen regelmäßig im Verlauf der 16 Wochen über eventuelle Zuzahlungen aufklären. Auch wenn sich die zusätzlichen Kosten nicht immer genau abschätzen lassen, sollte man den Patient:innen im Zuge der Behandlung mitteilen, wo sie gerade stehen..

Wir sprechen also von mehr Verantwortung für Therapeut:innen und Patient:innen?

Ja, vor allem aber von größeren Gestaltungsmöglichkeiten für beide Seiten. Bei der Blankoverordnung geht es eben nicht um vorgeschriebene zehnmal motorisch-funktionelle Behandlung. Stattdessen kann nun noch patientenzentrierter gearbeitet werden. Die Selbstwirksamkeit der Patient:innen wird durch die neuen Gestaltungsmöglichkeiten angeregt, und für die Therapeut:innen bedeutet das letztlich auch ein erfüllenderes Arbeiten.

 

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