Ausfallhonorar - für den Praxisalltag sehr sinnvoll, juristisch schwierig

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Dr. Thomas Ruppel erläutert die rechtlichen Hintergründe, die Vereinbarung und Durchsetzung des Ausfallhonorars und ob angestellte Therapeut:innen beim Ausfall eigentlich zu bezahlen sind.

Gemeinschaftspraxis – das spricht dafür und das dagegen

Welche:r Therapeut:in kennt dies nicht: der Praxisalltag ist eng getaktet, die einzelnen Patient:innen gut aufeinander abgestimmt, zwischendurch geht es noch zum Hausbesuch - und dann kommt ein:e Patient:in nicht. Einmal mag man das nachsehen, aber in jeder Praxis kennt man seine "Pappenheimer". Kann ein Ausfallhonorar helfen?

Eindeutig ist:  Fällt eine Therapieeinheit aus, weil der oder die Patient:in nicht erscheint, kann dies nicht den Krankenassen in Rechnung gestellt werden. Diese haften nicht für das Fehlverhalten ihrer Versicherten.  Eine ausgefallene Therapieeinheit kann daher nur dem oder der Patient:in selbst berechnet werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Kassen- oder Privatpatient:innen handelt.

Muss das Ausfallhonorar vereinbart werden?

Aus psychologischen Gründen sollte die Möglichkeit der Geltendmachung eine Ausfallhonorars schriftlich mit den Patient:innen vereinbart werden. Zwingend notwendig ist dies jedoch nicht. Es ist juristisch bislang nicht geklärt, wie das Ausfallhonorar abgeleitet wird. Vielfach wird es als sogenannter Verzugsschaden (§ 286 BGB)  gesehen, dann muss das Ausfallhonorar auch nicht gesondert vereinbart werden.  Juristische Grundlage für das Ausfallhonorar ist der zwischen der Praxis und dem oder der Patient:in geschlossene Behandlungsvertrag (§ 630a BGB). Wie in jedem Vertrag, muss man einem Vertragspartner, dem  man einem Schaden zufügt, diesen Schaden ersetzen. Dies ist im Fall von nicht erscheinenden Patient:innen der Verdienstausfall des oder der Therapeut:in.

Wichtig: Feste Terminvereinbarung

Wichtig ist, dass ein Verzugsschaden nur dann geltend gemacht werden kann, wenn mit dem oder der Patient:in ein fester Termin vereinbart wurde. Dies ist bei Heilmittelerbringer:innen anders als bei Ärzt:innen meistens der Fall. Gerade aber bei Heimpatient:innen wird häufig kein fester Termin vereinbart, sondern geschaut, wer gerade anwesend ist - hier kommt dann ein Ausfallhonorar auch nicht in Frage. Selbstverständlich kann auch bei ausgefallenen Hausbesuchen, etwa wenn der oder die Patient:in die Tür nicht öffnet, weil er die Klingel nicht hört oder nicht zu Hause ist, ein Ausfallhonorar verlangt werden.

Wie hoch darf das Ausfallhonorar sein?

Versteht man das Ausfallhonorar als Verzugsschaden, den der oder die Patient:in angerichtet hat, weil er oder sie nicht gekommen ist, muss der konkrete Schaden, der dem oder der Therapeut:in entstanden ist, geltend gemacht und notfalls - etwa im Gerichtsprozess - auch bewiesen werden. Ausgangspunkt hierfür ist sicher der Betrag, den die Krankenkassen für die Therapieeinheit gezahlt hätten.

Davon abzuziehen sind mögliche ersparte Aufwendungen, wobei es diese in der Heilmittelpraxis kaum geben wird, da die Praxiskosten weitgehend unabhängig von der konkreten Therapieeinheit sind. Aber - wie bei allen anderen Schadensersatzansprüchen auch - besteht eine sogenannte Schadensminderungsobliegenheit. D. h. der oder die Inhaber:in eines Schadensersatzanspruchs (der oder die Heilmittelerbringer:in) muss alles in seiner bzw. ihrer Macht stehende dafür tun, den Schaden so gering wie möglich zu halten, etwa andere bezahlte Tätigkeiten wahrnehmen, wie die Erstellung von Gutachten.

Wie rechtzeitig müssen Patient:innen absagen?

Versteht man das Ausfallhonorar als Schadensersatzanspruch, so ist es notwendig, dass Ihr:e Patient:in den Ausfall verschuldet hat. Dies wird vom Gesetz vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), d.h. Ihr:e Patient:in muss beweisen, dass er oder sie unverschuldet den Termin nicht wahrnehmen konnte.  Nicht verschuldet hätte Ihr:e Patient:in den Ausfall etwa dann, wenn er oder sie erst kurz vor der Behandlung ins Krankenhaus gekommen wäre und keine Zeit geblieben wäre, die Behandlung abzusagen. Andere Jurist:innen meinen, der oder die Patient:in sei im sog. "Annahmeverzug" (§ 615 BGB), so dass er oder sie das Fehlen nicht verschuldet haben müsste. Für die Praxis ist der Unterschied wenig relevant, denn die meisten Therapeut:innen werden Patient:innen, die unverschuldet nicht kommen konnten, kein Ausfallhonorar in Rechnung stellen.
Generell nimmt man an, dass den Patient:innen die Möglichkeit zur Absage innerhalb von 24 bis 72 Stunden vor der Behandlung gegeben werden sollte, damit die Praxis eine Chance hat, den Termin auch anderweitig zu vergeben oder in der Zeit andere Aufgaben zu erledigen. Gerade daher ist es sinnvoll, den Abruf der E-Mails und des Anrufbeantworters der Praxis auch am Wochenende sicherzustellen.

Warum dann das Ganze?

Wie man sieht, sind die rechtlichen Anforderungen an das Ausfallhonorar so hoch, dass es sich bei den meist sehr geringen Summen nicht lohnt, diese anzumahnen oder gar gerichtlich geltend zu machen. Die Forderung des Ausfallhonorars dient vielmehr dazu, Patient:innen zu einem termingerechten Verhalten zu motivieren - oder solche Patient:innen, deren Termintreue deutlich zu wünschen übrig lässt, gegen termintreuere Patient:innen zu ersetzen.

Muss ich meine Mitarbeiter:innen bei ausgefallenen Stunden bezahlen?

Häufig kommt beim Ausfallhonorar auch die Frage auf, ob Sie als Praxisinhaber:in angestellte Therapeut:innen bezahlen müssen, wenn deren Therapieeinheit ausfällt. Die ganz klare Antwort hierauf lautet: Ja.

Wenn nicht gerade Arbeitszeitkonten vereinbart wurden, dann sind Ausfallzeiten Problem des Arbeitgebenden - egal, ob im Arbeitsvertrag etwas anderes steht, denn derlei Klauseln sind unwirksam. Schließlich ist es Ihre Aufgabe als Arbeitgeber:in, für genug Arbeit zu sorgen. Ihr:e Arbeitnehmer:innen haben ihre Arbeit angeboten. Kann der Arbeitgebende diese nicht abrufen, weil z.B. ein:e Patient:in nicht erscheint, ist dies das alleinige Risiko des Arbeitgebenden. Sie als Arbeitgeber:in müssen Ihre Mitarbeiter:innen daher auch dann vergüten, wenn diese nichts zu tun haben. Dies gilt auch dann, wenn die ausgefallene Stunde die erste oder letzte Arbeitsstunde des Tages war und diese entweder später kommen können oder früher gehen. Sie können diese Zeit weder als Überstundenausgleich verrechnen noch von Ihren Mitarbeiter:innen verlangen, "zwangsweise" Freizeit zu machen und diese Zeit nachzuarbeiten.
 


Dr. Dr. Thomas Ruppel und sein Team beraten Heilmittelerbringer in allen rechtlichen Fragen. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Dr. rer. med. Ruppel erreichen Sie per Mail oder Telefon: 0451 29366-500.

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