„Eine wirklich gute Entscheidung“

Katrin Schubert, Vorsitzende des Deutschen Bundesverbandes für akademische Sprachtherapie und Logopädie (dbs), über den Beitritt zum Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV), Erwartungen an die Politik und Diskussionsthemen wie Akademisierung, Videotherapie und Direktzugang.

Frau Schubert, Sie sind nicht nur Vorsitzende des Deutschen Bundesverbandes für akademische Sprachtherapie und Logopädie (dbs), sondern auch selbst Praxisinhaberin. Wie ist denn ihre persönliche Jahresbilanz für 2022?

Die ist eigentlich sehr gut. So langsam macht sich die Vergütungssteigerung bemerkbar, die wir in den Vorjahren verhandelt haben, sodass mittlerweile Gehälter gezahlt werden können, die zumindest ein halbwegs vernünftiges Auskommen sichern. Das führt übrigens auch dazu, dass man einfach etwas entspannter arbeiten kann, mit einer intensiveren Vorbereitung und einem gemeinsamen Austausch im Team. Solche Dinge sind wichtig für eine qualitätsvolle Arbeit.

Spielte Corona 2022 für Sie noch eine Rolle?

Ja, aber nicht wegen einer zu geringen Auslastung der Praxis, sondern aufgrund der hohen Krankenstände bei Mitarbeiter:innen und Patient:innen.

Was ist für Sie als Verbandsfunktionärin 2022 gut gelaufen?

Ich freue mich, dass wir den Schritt gewagt haben und zum 1. Juli dem Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) beigetreten sind. Das war eine wirklich gute Entscheidung, weil wir jetzt merken, dass wir in dieser Zusammenarbeit mit den anderen Verbänden von außen anders wahrgenommen werden und ganz andere Möglichkeiten haben, die Dinge vorzubringen, die uns wichtig sind.

Andere Logopädie-Verbände, wie der dbl, denken darüber ebenfalls schon seit Jahren nach, haben sich aber bislang immer gegen einen Beitritt im SHV entschieden.

Über dieses Thema haben wir uns mit dem dbl intensiv ausgetauscht. Uns eint natürlich die Frage, wie es uns am besten gelingt, die Interessen unsere Mitglieder durchzusetzen. Dass auch wir solange gezögert haben, hatte schließlich einen Grund: So haben wir zwar viele Gemeinsamkeiten mit den anderen Heilmittelbereichen, aber eben in der Sprachtherapie auch unsere Besonderheiten. Spätestens mit dem klaren Bekenntnis aller SHV-Verbände zur Vollakademisierung und den Zielen aus dem neuen Koalitionsvertrag – wie die Modellprojekte zum Direktzugang und mehr Mitspracherechte im G-BA – sind wir aber dann zu der Einsicht gelangt, dass wir gemeinsam mehr erreichen können.

Dann kommen wir jetzt dazu, was 2022 nicht gut gelaufen ist. Was steht da für Sie an erster Stelle?

Die Verhandlungen mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über die Videotherapie! Das Ergebnis ist zwar jetzt gut – seit September ist die Videotherapie wieder als Übergangslösung und seit November ganz regulär möglich – aber der Weg dorthin war langwierig und mühselig. Eigentlich hätten wir das schon zum 1. April umsetzen können, weil wir uns bei den Verhandlungen untereinander und mit den Kassen geeinigt hatten. Dann legte jedoch ein kleiner Verband den Vertrag noch einmal seinen Mitgliedern zur Abstimmung vor und bekam dafür von ihnen keine Mehrheit. Damit war der ganze Vertrag geplatzt und musste vom Schiedsgericht geklärt werden.

Sie meinen LOGO Deutschland. Und etwas Ähnliches passierte schon 2021 bei den Verhandlungen zum bundesweit gültigen Rahmenvertrag. Ist das ein großes Ärgernis für alle anderen Verbände?

Es war zumindest sehr enttäuschend, zumal damit wie beim Rahmenvertrag Vergütungserhöhungen für unsere Mitglieder verbunden waren, die dadurch verzögert wurden.

Und man kann das noch nicht einmal auf den Verhandlungspartner schieben, weil es eben ein hausgemachtes Problem ist. Letztlich fällt das dann doch auf alle Verbände zurück, oder?

Da kann ich leider nicht widersprechen. Aber es ist nun einmal im Gesetz verankert, dass die maßgeblichen Verbände gemeinsam mit der GKV verhandeln sollen und es liegt in der Natur der Sache, dass unterschiedliche Verbände auch unterschiedliche Ansichten haben. Von daher obliegt es dem Gesetzgeber, für Strukturen zu sorgen, die es verhindern, dass sich ein einzelner kleiner Verband gegen die anderen positioniert und dann alles aufhalten kann.

Bleiben wir bei der Politik: Vor einem Jahr sagten Sie gegenüber ZUKUNFT PRAXIS, Sie würden sich vom neuen Gesundheitsminister erhoffen, dass er sich schnellstmöglich für die dringend notwendige Weiterentwicklung des Heilmittelbereichs stark machen würde. Wurde diese Hoffnung erfüllt?

Nein, das muss man so deutlich sagen, und das war für uns ärgerlich. Bei allem Verständnis, dass die Corona-Pandemie viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, war es doch wirklich enttäuschend, dass auf diesem Gebiet zunächst einmal so gar nichts passierte.

Zunächst einmal?

In seiner Rede auf dem Therapiegipfel Ende November machte Herr Lauterbach deutlich, dass er die Heilmittelerbringer:innen doch auf dem Schirm hat. Er sagte, dass die Änderung der Berufsgesetze auf dem Weg sei und dass es zeitnah Modellprojekte zum Direktzugang geben würde. Das sind genau unsere Forderungen und seine Rede hat neue Hoffnung gegeben, dass diese Themen nun endlich zügig angepackt werden. Inzwischen hat sein Ministerium das noch einmal konkretisiert und angekündigt, dass im ersten Halbjahr 2023 Entwürfe der neuen Berufsgesetze für die Physiotherapie vorgelegt werden und dass die für die Ergotherapie und die Logopädie zeitnah folgen sollen.

Was erhoffen Sie sich von den neuen Berufsgesetzen?

Unsere Berufsgesetze sind inzwischen über 40 Jahre alt und völlig überholt. Die Ausbildung muss dringend reformiert werden und da kommt für uns, als Verband für akademisch ausgebildete Sprachtherapeut:innen und Logopäd:innen, aber auch für alle anderen Verbände der Logopädie und Sprachtherapie natürlich nur die grundständige akademische Primärqualifizierung in Frage. Hier hoffen wir endlich auf einen Durchbruch.

Aber auch mit der GKV stehen 2023 weitere Verhandlungen an – nämlich die über die Blankoverordnung, die bereits 2022 hätte beschlossen werden sollen.

Diese Verhandlungen sind aufgrund des erst jetzt abgeschlossenen Schiedsverfahrens in der Tat liegengeblieben. Sie stehen derzeit auf der Tagesordnung. Nicht, weil wir uns so viel von der Blankoverordnung versprechen, sondern weil wir durch den Gesetzgeber dazu verpflichtet sind.

Warum sind Sie sie da so zurückhaltend?

Für die Sprachtherapie ist die Blankoverordnung nicht so sehr gewinnbringend, weil wir ohnehin relativ viele Freiheiten in der Gestaltung unserer Therapie haben. Einen großen Schub für ein selbstständigeres und freieres Arbeiten bekämen wir nur durch einen Direktzugang. Für den setzen wir uns mit aller Kraft ein – übrigens auch, weil dies nach unserer Überzeugung dazu führen würde, dass dadurch der Beruf viel attraktiver werden würde und man so auch etwas gegen den Fachkräftemangel tun könnte.

Zur Person:

Katrin Schubert, diplomierte Sprach- und Stimmheilehrerin, hat eine logopädische Praxis in Pirna. Seit 2013 ist sie Bundesvorsitzende des Deutschen Bundesverbandes für akademische Sprachtherapie und Logopädie (dbs).

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