Was macht eigentlich die Blankoverordnung?

Eigentlich hätte die Blankoverordnung längst eingeführt sein müssen. Wir haben bei den darüber verhandelnden Verbänden nachgefragt, was es mit der Verzögerung auf sich hat.

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Wenn man Dr. Robert Richter, Physiotherapeut und Professor für Bewegungstherapie an der Hochschule Furtwangen, auf das Thema Blankoverordnung anspricht, steigt bei ihm der Puls. Er kann einfach nicht verstehen, dass sie immer noch nicht umgesetzt ist. Denn ursprünglich hatte der Gesetzgeber von den verhandelnden Parteien – GKV-Spitzenverband und maßgebliche Verbände der Heilmittelerbringer:innen – gefordert, diese bis März 2021 einzuführen. Wegen Corona gab es damals ein halbes Jahr Aufschub. Doch seitdem ist auch schon wieder ein Jahr vergangen. „Ich verstehe einfach nicht, warum unsere Berufsgruppe nicht vehement darauf pocht, dass dieses Gesetz umgesetzt wird“, sagt Richter. „Wenn der Gesetzgeber den Ärztinnen und Ärzten ein Gesetz geschrieben hätte, mit denen sie mehr Befugnisse bekommen würden, und das wäre dann nicht pünktlich zum Termin umgesetzt, gäbe es aber einen richtig großen Aufstand.“

Inzwischen hat der Gesetzgeber Konsequenzen gezogen – und kurzerhand alle Fristen aus dem Gesetz gestrichen. Wurde damit die Blankoverordnung endgültig auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben? Was ist eigentlich der aktuelle Stand der Verhandlungen? Nachfrage bei einigen maßgeblichen Verbänden, die die Blankoverordnung nicht gemeinsam, sondern getrennt nach Disziplinen – Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie – mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verhandeln:

Bettina Simon, Vorstandsmitglied beim Deutschen Verband Ergotherapie (DVE), widerspricht vehement der Annahme, dass die Ergotherapeut:innen nicht hinter der Verordnung stünden und betont, dass man sich auch nach allen Kräften für deren Einführung einsetze. Allerdings hätte nun einmal erst der bundeseinheitliche Rahmenvertrag ausgehandelt werden müssen, auf dem dann die Blankoverordnung aufsetzen könnte. Und das hätte nun einmal bis Ende letzten Jahres gedauert. Zudem hätte man danach erst einmal die Teletherapie neu regeln müssen, sodass die Verhandlungen nach hinten gerutscht wären, erklärt Simon. „Alles gleichzeitig zu machen hätte unsere personellen Ressourcen gesprengt.“ Jetzt aber würde das Thema endlich wirklich auf der Agenda stehen.

Frauke Kern, Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Bundesverbands für Logopädie (dbl), macht dagegen keinen Hehl daraus, dass man in ihrem Verband keinen Mehrwert in der Blankoverordnung sieht und lieber gleich den Direktzugang umgesetzt hätte. Auch gibt sie offen zu, dass sie noch nicht einmal angefangen haben, zu verhandeln. Allerdings läge das ausschließlich daran, dass ein anderer Verband – LogoDeutschland – noch gegen den Hauptvertrag klage und zur Einführung der telemedizinischen Leistungen in die Regelversorgung ein Schiedsverfahren liefe. Und bevor es da keine Einigung und damit eine gesamtvertragliche Basis gäbe, würden aus Sicht der GKV auch die Verhandlungen zur Blankoverordnung nichts bringen. „Den aktuellen Stillstand bedauern wir sehr, schließlich ist dieser erst recht keine Weiterentwicklung“, unterstreicht Kern. Selbstverständlich würde man die vom Gesetzgeber aufgetragene Pflicht, die Blankoverordnung zu verhandeln, ernstnehmen.
 

„Die Verhandlungen erweisen sich als sehr viel schwieriger als ursprünglich gedacht.“

Thorsten Vogtländer, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK)

Geschlossen positiver gegenüber der Blankverordnung eingestellt sind die Verbände der Physiotherapeut:innen. Hans Ortmann, Bundesvorsitzender des VPT betont auf Nachfrage, dass die Blankoverordnung sehr wichtig sei, da sie endlich mehr Autonomie in der Therapie ermögliche. Zudem sei er „vorsichtig optimistisch“, dass es zu einer Einigung mit den Kassen kommen könne. Notfalls müsse eben das Schiedsgericht eigeschaltet werden. Dagegen sagt Thorsten Vogtländer, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK), einer der Verhandlungsführer: „Die Verhandlungen erweisen sich als sehr viel schwieriger, als ursprünglich gedacht.“ Und das läge nicht am Unwillen der Beteiligten, sondern an der Sache selbst. Welche Qualifikationen müssen die Therapeut:innen für die Erbringungen bestimmter Leistungen nachweisen? Wie detailliert (oder doch eher unbürokratisch) soll die Verordnung ausgestaltet werden? Welche ökonomischen Konsequenzen hat die Umsetzung für die Kassen – und welche rechtlichen für die Therapeut:innen? Solche Fragen sind lange noch nicht ausdiskutiert. „Das Thema ist hochkomplex, jede Lösung eines Problems führt gleich zu einem neuen Problem“, so Vogtländer. Zudem bewege man sich auf völligem Neuland, es gäbe kleine Blaupause, die sich einfach übertragen ließe.

Und wann könnte es endlich soweit sein? Auf diese Frage kann und will Vogtländer keine Antwort geben. Theoretisch könnte es jetzt auch ganz schnell gehen, meint er, sodass Ende des Jahres die Blankoverordnung steht. Darauf wetten würde er aber sicherlich nicht.

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