Der Abrechnungsprozess für Hilfsmittel: Typische Absetzungsgründe kennen und vermeiden

Teil 3 unserer 11-teiligen Serie für die Bundesfachschule für Orthopädietechnik: Die korrekte Abrechnung von Kassenrezepten gemäß § 302 SGB V stellt im Sanitätsfachhandel eine wesentliche Herausforderung dar. Typische Absetzungsgründe gilt es dabei zu kennen, um unnötige Kürzungen und somit Umsatzeinbußen zu vermeiden.

Kundin überreicht Rezept im Sanitätshaus

Die korrekte Abrechnung von Kassenrezepten stellt für Leistungserbringer:innen eine wesentliche Herausforderung dar. Gemäß § 302 SGB V sind spezifische Vorgaben und elektronische Übermittlungsstandards einzuhalten, um eine reibungslose Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährleisten. Dabei müssen Hilfsmittelerbringer:innen die Vielzahl von kassenspezifischen Verträgen im Blick behalten, die jeweils mit unterschiedliche Anlagevorgaben und Anforderungen versehen sind. Mögliche Absetzungen stellen für die betroffenen Leistungserbringer:innen nicht nur Umsatzeinbußen dar, sondern verursachen einen erhöhten administrativen Aufwand und binden wertvolle Ressourcen. Dabei können die Kürzungen der abgerechneten Beträge oft vermieden werden, da es sich bei den Fehlerquellen häufig um Kleinigkeiten handelt. Für Hilfsmittelerbringer:innen ist es daher von Bedeutung, sich mit der sachgerechten Abrechnung vertraut zu machen, typische Absetzungsgründe zu kennen und Tipps zur Vermeidung von Kürzungen zu berücksichtigen – es lohnt sich! 

Zunahme von Absetzungen

Hilfsmittelerbringer:innen sind gemäß § 302 SGB V dazu verpflichtet, den Kostenträgern die Abrechnung mittels elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln. Das Abrechnungsverfahren haben die gesetzlichen Krankenkassen einheitlich in den Richtlinien beschrieben. 

In den letzten Jahren spüren die Leistungserbringer:innen immer mehr den erhöhten Qualitätsanspruch, die wachsende Nachweispflicht durch die Kostenträger sowie den zunehmenden Kostendruck im Gesundheitssystem. Eingereichte Abrechnungen werden durch die Kostenträger strenger auf formelle Fehler, Vollständigkeit der Unterlagen und Angaben sowie Vertragskonformitäten geprüft und die Häufigkeit von Absetzungen nimmt zu. Die sorgfältige Abrechnungsvorbereitung ist aus diesem Grund für Leistungserbringer:innen besonders relevant. 

Vermeidung von Absetzungen

Die beste Maßnahme zur Handhabung von Absetzung ist die Vermeidung von Kürzungen durch eine sorgfältige Vorab-Prüfung aller etwaigen Kürzungsgründe. Dies beginnt bereits bei der Entscheidung, ob ich einem Versorgungsvertrag beitrete. Wenn z. B. ein Kostenträger einen Vertrag mit niedrigen Preisen und parallel hohen administrativen Hürden zum Beitritt offenlegt, ist sorgfältig zu prüfen, ob diesem Vertrag bedenkenlos beigetreten werden kann.

Ebenfalls entscheidend ist auf Vorgangsebene bereits eine korrekt ausgefüllte Verordnung. Sobald Patient:innen eine ärztliche Verordnung vorlegen, sollte das Dokument direkt auf Vollständigkeit kontrolliert werden: Weist es eine Unterschrift der verordneten Ärzt:innen auf? Ist das Rezept noch gültig (28-Tage-Frist nach Ausstellungsdatum)? Ist der Arztstempel inklusive Kontaktdaten der Praxis vorhanden? Ist das korrekte Hilfsmittel verordnet? Und besonders wichtig bei der Verordnung von Hilfsmitteln: Ärzt:innen müssen zwingend die Diagnose auf dem Rezept vermerken, sowie Dauerverordnungen und Versorgungszeiträume angeben. Ist eine Änderung des Rezeptes notwendig, muss diese vom Arzt durchgeführt und erneut mit Stempel, Unterschrift und Änderungsdatum dokumentiert werden. 

Um Absetzungen zu vermeiden, müssen Hilfsmittelerbinger:innen bei der Eintragung der Angaben auf der Verordnung besonders achtsam sein. Häufiger Grund für unnötige Kürzungen ist hier die Hilfsmittel-Positionsnummer: Während oftmals nur die 7‑stellige Hilfsmittel-Positionsnummer notiert wird, ist tatsächlich die Angabe der vollständigen 10-stellige Nummer erforderlich. Ebenso wird im hektischen Tagesgeschäft auch schnell mal versäumt, den Empfang der Hilfsmittel durch die Unterschrift der Kund:innen auf der Rückseite bestätigen zu lassen oder einen entsprechenden Lieferschein beizufügen. 

Generell gilt, dass eine Versorgung bzw. die Abgabe von Hilfsmitteln erst dann erfolgen sollte, wenn eine vollständig und korrekt ausgefüllte Verordnung vorliegt. Eine rückwirkende Ausstellung kann von den Ärzt:innen verweigert werden, womit die Abrechnung der Verordnung nicht möglich ist. 

Die penible Prüfung der Verordnungen kostet zwar Arbeitszeit, erspart am Ende jedoch zusätzlichen Aufwand und unnötige Absetzungen. 

Vertragsverwaltung – der kleine aber feine Unterschied

Ein besonderer Blick sollte beim Abrechnungsprozess auf den Verträgen mit den Kostenträgern liegen, denn hier lohnt es sich, die Einzelheiten zu kennen und zu berücksichtigen. Bereits vor dem Abschluss eines Vertrages bzw. dem Beitreten in einen Rahmenvertrage sollten sich Heilmittelerbringer:innen die Details, die dort festgehalten sind, anschauen. Die Rahmenbedingungen variierten von Kostenträger zu Kostenträger, spielen aber eine entscheidende Rolle bei der korrekten Abrechnung und Vermeidung von Absetzungen. So finden sich dort beispielsweise Regelungen, ob Dauerverordnungen/-genehmigungen möglich sind, es Genehmigungsfreigrenzen gibt oder welche Versorgungen per elektronischer Kostenvoranschlag (eKV) beantragt werden müssen. Aus den Verträgen geht zudem hervor, welche ergänzenden Unterlagen der Abrechnung beigelegt werden müssen. Durch die Berücksichtigung der jeweiligen Vertragsdetails lassen sich nicht nur unnötige Absetzungen vermeiden, sondern auch wertvolle Arbeitszeit einsparen. So kann direkt bei der vertragsgemäßen Einreichung der Abrechnung darauf geachtet werden, welche Unterlagen wirklich benötigt werden bzw. welche nicht erforderlich sind. Beispielsweise entfällt bei vielen Kostenträgern der zeitintensive Genehmigungsprozess und eKV für Hilfsmittel, die innerhalb der Genehmigungsfreigrenze liegen. Sofern nicht alle geforderten Unterlagen mit der Abrechnung übermittelt wurden, müssen diese aufwendig nachgereicht werden oder Absetzungen drohen. Werden Hilfsmittel z.B. über einen externen Dienstleister ausgeliefert und ist auf der Verordnung noch keine Unterschrift der Patient:innen vorhanden, muss je nach Krankenkasse eine unterschriebene Empfangsbestätigung eingereicht werden. Andere Krankenkassen wiederum benötigen eine unterschriebene Einverständniserklärung zur Datenspeicherung/-übermittlung der Patiet:innen.

Eine weitere Rolle bei der reibungslosen Abrechnung spielen die Preisanpassungen. Es ist ratsam, die Termine für Preiserhöhungen bzw. -senkungen zu kennen und somit die aktuellen Vertragspreise korrekt im System zu hinterlegen. Vertraglich vereinbarte Preissenkungen führen häufig zu Absetzungen und damit zu unnötigem Arbeitsaufwand, denn diese müssen dann von den Hilfsmittelerbringer:innen geprüft, erfasst und ausgebucht werden. Preiserhöhungen dagegen werden von den Kostenträgern in der Regel nicht kommentiert, selbst wenn Leistungserbringer:innen einen geringeren Preis abrechnen, als ihnen nach der Preiserhöhung zusteht. Zu niedrig abgerechnete Beträge führen somit unbemerkt zu Umsatzeinbußen. Bei Abrechnungszentren erfolgt automatisch eine Prüfung der hinterlegten Vertragspreise und es greift dadurch ein Sicherheitsmechanismus, der Absetzungen verhindert.

Tipps und Tricks, um Absetzungen zu vermeiden

Absetzungen sind ärgerlich, häufig unnötig und verursachen neben Umsatzeinbußen auch einen deutlich höheren Arbeitsaufwand im Vergleich zu einer reibungslosen Abrechnung. Aus diesem Grund gilt es, bereits präventiv Absetzungen zu vermeiden. 

Um den Abrechnungsprozess effizienter zu gestalten und potenzielle Fehlerquellen zu minimieren, ist es für Hilfsmittelerbringer:innen ratsam, mit allen Beteiligten in Kontakt zu treten. Dies gilt sowohl für die Ärzt:innen, welche auf vollständig ausgefüllten Verordnungen achten sollen, als auch für Kostenträger, um Unklarheiten schnell zu klären. Durch freundliche Kommunikation und Erfahrungswerte mit den Krankenkassen ist es teilweise möglich, nach Absprache mit dem jeweiligen Kostenträger, auf die Übersendung von zusätzlichen Unterlagen zu verzichten und so den administrativen Aufwand zu reduzieren. 

Unvollständige Verordnungen machen einen Großteil der Absetzungsgründe aus. Durch die direkte Rezeptprüfung auf Vollständigkeit (u. a. Arztunterschrift, Praxisstempel, Zuzahlungspflicht, Mengenangabe und Diagnose) lassen sich viele Formfehler verhindern. Dies erspart im Nachgang deutlich mehr Arbeit, Zeit und finanzielle Einbußen. Auch die Verträge sollten vor Abschluss auf Preise, Versorgungskonditionen, Abrechnungs- und Beanstandungsfristen geprüft werden. Leistungserbringer:innen sollten zudem darauf achten, dass keine Warenausgabe oder Lieferung ohne gültige Verordnung stattfindet. 

Ist es zu Absetzungen gekommen, sollten diese sofort gesichtet und vorsortiert werden. Im Hinblick auf das „Pareto-Prinzip“, auch 80-zu-20-Regel genannt, ist es ratsam, die Absetzungen entsprechend zu bearbeiten und genau abzuwägen, bei welchen sich der Arbeitsaufwand wirklich lohnt. Das Prinzip besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit nur 20 % der Gesamtaufwandes erreicht werden kann. Es ist für Leistungserbringer:innen somit effizienter, zunächst den hochpreisigen Absetzungen nachzugehen, denn bereits mit 20 % der eingesetzten Arbeitszeit können 80 % der Absetzungen verarbeitet werden. „Unrentable“ Absetzungen, die unterhalb einer selbstdefinierten Preisgrenze liegen, werden dann ausgebucht und der zusätzliche Zeitaufwand minimiert. 

Beim Abrechnungsprozess ist sorgfältiges Arbeiten der entscheidende Faktor, denn selbst kleinste Fehler verursachen schnell hohe Absetzungen und Einnahmeverluste. Die richtige Branchensoftware kann hier für erhebliche Entlastung sorgen und die Absetzungsquote deutlich reduzieren. Clevere Softwarelösungen wie z. B. Optica Omnia verfügen über eine Vertragsdatenbank, in der die tagesaktuellen Preise aus mehr als 5.500 Hilfsmittelverträgen hinterlegt sind. Dies stellt sicher, dass die richtigen Preise taxiert werden. Auch elektronische Kostenvoranschläge können darüber ganz einfach erstellt, eingereicht und verwaltet werden. So haben Leistungserbringer:innen für die Abrechnung alle Unterlagen griffbereit und können bei den Kostenträgern eingereicht werden.

Zusammenfassung:

Die korrekte Abrechnung von Kassenrezepten nach § 302 SGB V ist für Leistungserbringer:innen komplex, da spezifische Vorgaben und Vertragsdetails der unterschiedlichen Kostenträger beachtet werden müssen. Kleinste Formfehler führen immer häufiger zu Absetzungen, die mit Umsatzeinbußen und zusätzlichem Verwaltungsaufwand verbunden sind. Eine genaue Prüfung der Verordnungen auf Vollständigkeit und Korrektheit, insbesondere bezüglich Diagnose, Arztunterschrift und 10-stelliger Hilfsmittel-Positionsnummer, ist ein entscheidender Faktor für die reibungslose Abrechnung ohne unnötige Absetzungen. Ebenso wichtig ist die sorgfältige Vertragsverwaltung mit den Kostenträgern: Vor Vertragsabschluss oder Beitritt zu einem Rahmenvertrag sollten die Vertragsdetails, die von Kostenträger zu Kostenträger variieren, genau geprüft und bei der späteren Abrechnung von Verordnungen berücksichtigt werden. Dies betrifft Regelungen zu Dauerverordnungen, Genehmigungsfreigrenzen, Beantragungsverfahren von Versorgungen durch elektronischen Kostenvoranschlägen (eKV) und ergänzende Unterlagen für die Abrechnung. Auch Preise und Konditionen sind wichtige Vertragsdetails, die stets im Blick behalten werden sollten, da Preisanpassungen einen direkten Einfluss auf die Abrechnung haben. Die korrekte Erfassung der aktuellen Vertragspreise im System ist daher essentiell, um Absetzungen zu vermeiden und Umsatzeinbußen zu verhindern. Auch durch die präzise Kommunikation mit allen Beteiligten und den Einsatz einer cleveren Softwarelösung können Leistungserbringer:innen Absetzungen minimieren und den Abrechnungsprozess optimieren.

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