Teams mit vielen Disziplinen: Über die Vorteile interprofessioneller Zusammenarbeit

Praxisinhaber:innen und Therapeut:innen suchen verstärkt den Austausch über fachliche Grenzen hinweg. Davon profitieren Praxen und Patient:innen gleichermaßen.

Gruppe von jungen Kollegen arbeitet zusammen

Therapie im Team“ – der Name spricht für sich: In der Praxis von Logopädin Sandra Ridders-Wolf und Ergotherapeut Tobias Prinz in Moers wird kollegialer Austausch gepflegt. Die beiden geschäftsführenden Therapeut:innen leiten ein interdisziplinäres Team von Logopäd:innen und Ergotherapeut:innen, das auf vielfältige Weise voneinander profitiert. „Wir können uns untereinander absprechen und voneinander lernen“, erzählt Tobias Prinz. „Oft bekommen unsere Patient:innen sowohl Logo- als auch Ergotherapie verschrieben. Das ist für uns praktisch, weil wir einen umfassenderen Blick auf sie bekommen. Aber für die Patient:innen ist das natürlich auch gut, weil man zum Beispiel die Termine zusammenlegen kann.“

„Wir können uns untereinander absprechen und voneinander lernen. Oft bekommen unsere Patient:innen sowohl Logo- als auch Ergotherapie verschrieben.“

Tobias Prinz, Geschäftsführer von „Therapie im Team“

Interprofessionalität, wie sie von „Therapie im Team“ gepflegt wird, liegt im Trend. Auch in der Physiotherapie, wo sich zum Beispiel der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten IFK eindeutig für sie positioniert. Für den IFK steht fest: Wenn alle Akteur:innen „im Gesundheitssystem eng miteinander kooperieren und so ihre jeweiligen Kompetenzen einbringen, sorgt das für eine effektive und effiziente Versorgung“. Das vermindere Fehler und erhöhe die Zufriedenheit der Patient:innen sowie der Leistungserbringer:innen. Der Verband macht aber auch deutlich: „Aktuell ist diese Zusammenarbeit jedoch von der Eigeninitiative der beteiligten Personen abhängig. Dadurch bleiben Synergien ungenutzt, die Behandlungsdauer verlängert sich und es entstehen unnötige Kosten. Das Zusammenspiel aller Professionen im medizinischen Bereich muss daher dringend gestärkt werden – hin zu einer Kultur, in der interprofessionelle Zusammenarbeit ganz selbstverständlich an der Tagesordnung steht.“

Bereits heute kooperieren beispielsweise Physio- und Ergotherapie nach einem Schlagfall: Setzt schon die Physiotherapie bei der Steigerung von Bewegungskontrolle und Kraft an, kann dies durch die Ergotherapie effizient verstärkt werden, etwa durch das Erhöhen der Konzentration der Patient:innen auf eine vernachlässigte Körperseite. Bei Kindern mit kognitiven Einschränkungen können wiederum Ergotherapie und Logopädie zusammenwirken, wenn Handlungsschritte nicht nur versprachlicht, sondern auch mit einer ergotherapeutisch fundierten Handlungsplanung strukturiert werden. In Ausbildung und Wissenschaft wird zunehmend daran gearbeitet, weitere interprofessionelle Zusammenarbeit zu stärken. So vernetzt der Bildungscampus Koblenz die Schulen für Physiotherapie und Logopädie und bringt sie auch mit seinen Schulen für Pflegeberufe und Anästhesietechnische Assistenz zusammen. Im Fokus steht eine parallel laufende Fort- und Weiterbildungsstrategie, bei der die einzelnen Fachgruppen voneinander lernen. An der Fachhochschule Münster eröffnet im März 2024 das Zentrum für interprofessionelle Therapie und Prävention (ZiTP) mit den vier Säulen Therapie, Lehre, Prävention und Forschung. Die Verantwortlichen heben zum Start hervor: „Im ZiTP führen wir interprofessionelle Versorgung und interprofessionelle Ausbildung in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie an unserer Hochschule zusammen und stärken dadurch den Praxisbezug in unseren Studiengängen.“ Darüber hinaus ergänzt das ZiTP bestehende Versorgungsangebote in der Region und richtet sich insbesondere an Patient:innen die von einer therapeutischen Versorgung durch eine oder mehrere der verschiedenen Berufsgruppen profitieren. Der Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe hat eigens eine Fachkommission Interprofessionalität eingerichtet. In deren aktuellem Positionspapier heißt es: „Die interprofessionelle Ausbildung von Gesundheitsberufen – im Sinne des von-, mit- und übereinander Lernens – sowie die Förderung entsprechender Kompetenzen sind Voraussetzungen für die erfolgreiche interprofessionelle Zusammenarbeit in der Versorgungspraxis.“ Zugleich gebe es Nachholbedarf: „Interprofessionelle Ausbildung wird trotz zahlreicher Initiativen und Angebote bislang nicht flächendeckend umgesetzt und ist selten systematisch in die jeweiligen Strukturen eingebettet.“

Interprofessionelle Ausbildung wird trotz zahlreicher Initiativen und Angebote bislang nicht flächendeckend umgesetzt.

Allerdings zeigen nicht zuletzt die Gespräche für das Format PRAXISnah der Zukunft Praxis, dass schon vielfach konkrete Lösungen für den interdisziplinären Austausch gefunden werden. Etwa im Therapiezentrum von Dr. Erich Blöchinger im niederbayerischen Vilsbiburg, das unter einem Dach Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie anbietet. Wiebke Schandelle vom Gesundheits- und Athletikzentrum GETiCS in Düsseldorf berichtet wiederum von ihrem besonders vielfältigen Angebot an die Patient:innen: „Sie kommen einmal und erzählen ihre Geschichte und können dann auf unsere Physiotherapeut:innen, Sportwissenschaftler:innen, Ärzt:innen, Psycholog:innen und Ökotropholog:innen zugreifen, so wie sie es gerade brauchen beziehungsweise wie der Bedarf von uns festgestellt wird.“ Auch im aktuellen PRAXISnah-Interview zeigt sich, wie weit interprofessioneller Austausch gehen kann, diesmal zwischen den Bereichen Osteopathie und Physiotherapie. Und für Praxisinhaber Tobias Prinz von „Therapie im Team“ in Moers ist die von ihm und anderen praktizierte interprofessionelle Zusammenarbeit „wahrscheinlich gar nicht so besonders, weil der Trend wohl ohnehin in die Richtung geht“. Prinz blickt zudem schon in die Zukunft, die womöglich noch weiter reichenden Austausch bringt: „Am liebsten hätten wir auch noch die Physiotherapie mit an Bord.“

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