Teilzeitbeschäftigung: Vollzeit – nein, danke?

Der Trend zur Teilzeit schreitet voran, mit allen Folgen, die damit verbunden sind. Über ein Thema mit verschiedenen Facetten – von Work-Life-Balance über Fachkräftemangel bis hin zur Altersarmut.

Marie arbeitet gerne. Zu viel sollte es allerdings auch nicht sein. 20, maximal 25 Stunden möchte die Physiotherapeutin aus Frankfurt am Main in der Praxis stehen. „Ich brauche viel Zeit für meine Hobbys und meinen Sport“, erklärt sie, und auch ihre sozialen Kontakte sollten nicht unter ihrem Job leiden. Hinzu käme, dass sie gar nicht wüsste, ob sie ihr ganzes Berufsleben lang Physiotherapeutin sein wolle. „Ich überlege gerade, noch eine weitere Ausbildung zu machen“, so die 28-Jährige. Auch dafür bräuchte sie natürlich etwas Zeit.

So wie Marie denken viele Menschen in ihrem Alter. Der sogenannten Generation Z – also Personen, die ab 1995 geboren sind – fällt es schwer, sich festzulegen und eine Entscheidung fürs Leben zu treffen. Zudem ist ihnen die Vereinbarkeit von Freizeit, Familie und Beruf besonders wichtig, eine gute Work-Life-Balance erstrebenswerter als die Karriere und ein gutes Gehalt. Dem Wunsch nach weniger Arbeitszeit folgen deshalb immer mehr Menschen. Der Anteil derer, die weniger als 35 Stunden pro Woche arbeiten, erhöht sich seit Jahren kontinuierlich. So arbeiteten Mitte 2022 rund 10,2 Millionen Menschen in Teilzeit, das sind fast 30 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Bei den Frauen hat inzwischen fast jede zweite ihre Stundenzahl reduziert (vor zehn Jahren waren es noch 25 Prozent!). Und dabei beziehen sich die genannten Zahlen auf alle Berufsgruppen, eine aktuelle Teilzeitquote für Heilmittelerbringer:innen liegt zwar derzeit nicht vor, sie dürfte jedoch noch deutlich über diesen Zahlen liegen

Die Folgen, die dieser Trend für den Arbeitsmarkt und das Sozialsystem hat, werden dabei immer schärfer diskutiert. So wurde beispielweise jüngst in dem Artikel „Für Teilzeit verpulvern wir Milliarden“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung verdeutlicht, dass dem Staatshaushalt jährlich 40 Milliarden Euro entgingen, weil Teilzeitbeschäftigte weniger Einkommenssteuer sowie weniger Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung entrichteten. Und das Magazin Focus polemisierte in einem Kommentar: „Teilzeit-Fans chillen sich durchs Leben, die Zeche zahlen die Malocher.“ Kritik kommt hinter vorgehaltener Hand aber auch aus der Branche: „Wenn alle Therapeut:innen sich entscheiden würden, wieder Vollzeit zu arbeiten, hätten wir auch kein Problem mehr mit dem Fachkräftemangel“, ärgert sich eine Praxisinhaberin aus Braunschweig, die namentlich nicht genannt werden will. Andere sehen die Situation deutlich entspannter – frei nach dem Motto: Ärgere dich nicht über Dinge, die man nicht ändern kann und mache das Beste daraus. Tobias Labermeier ist so jemand. Der Physiotherapeut ist Geschäftsführer der Vitova Gruppe mit rund 120 Mitarbeiter:innen, berät daneben aber auch andere Praxisinhaber:innen. „Das Hauptunternehmensziel ist in Zeiten des Fachkräftemangels heute nicht die Patienten-, sondern die Mitarbeiterzufriedenheit“, zeigt er sich überzeugt. Man müsse sich den Wünschen und Bedürfnissen der jungen Leute anpassen und sich nach ihnen richten, wenn man als Arbeitgeber attraktiv sein wolle. Teilzeitmodelle sind für ihn daher weniger ein Problem als vielmehr eine Chance. „Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist Teilzeit kein Problem,“ sagt Labermeier. Einerseits hätte man mit mehr Mitarbeiter:innen, die Teilzeit arbeiten, natürlich etwas mehr organisatorischen Aufwand. Andererseits könnte man Teilzeitkräfte dafür flexibler in den Hauptstoßzeiten der Praxis einsetzen, also am Morgen und am Abend, und auch Krankheits- oder Urlaubsausfälle ließen sich einfacher managen. Zudem seien Arbeitnehmer:innen, die nur Teilzeit arbeiten, häufig motivierter, weniger gestresst und dadurch leistungsfähiger und seltener krank. „Bei einer Vollzeitstelle hat man jeden Tag bis zu 24 Termine, und das sind alles Menschen mit individuellen Geschichten und Anliegen. Für die Therapeut:innen ist das körperlich und psychisch extrem anstrengend“, so Labermeier. Ihn wundert es daher nicht, dass sich viele dieser Belastung nicht aussetzen wollten.

Andere, überdurchschnittlich oft Frauen, würden es vielleicht sogar wollen, können es jedoch nicht – weil zuhause beispielsweise Kinder oder pflegebedürftige Angehörige auf sie warten. Auch das ein Aspekt, der in der Diskussion häufig zu kurz kommt. Ob die Teilzeit nun freiwillig oder aus der Not geboren ist: Das böse Erwachen könnte erst kommen, wenn es um die Rente geht. Denn deren Höhe richtet sich bekanntlich nach dem, was vorher eingezahlt wurde. Und selbst wenn das Teilzeit-Gehalt für den Moment noch zum Leben reicht, erhöht sich dadurch langfristig das Risiko von Altersarmut signifikant. Eine Thematik, über die viele Angehörige der Generation Z freilich noch nicht nachdenken mögen. Oder erst dann, wenn die „Renteninformation“ der Deutschen Rentenversicherung im Briefkasten steckt – so wie bei Marie, der Physiotherapeutin aus Frankfurt. „Als ich kürzlich einen Brief bekam, in dem stand, dass ich nach jetzigem Stand später noch nicht einmal 1.000 Euro im Monat haben würde, war das schon ein kleiner Schock.“

Teilzeit — rechtliche Bedingungen

Das Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) legt fest, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Mitarbeiter:innen einen Anspruch auf eine zeitlich nicht begrenzte Reduzierung der Arbeitszeit haben. Demnach müssen sie seit mehr als sechs Monaten im Unternehmen arbeiten, und es müssen mehr als 15 Mitarbeiter:innen im Unternehmen beschäftigt sein.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, müssen Praxisinhaber:innen dem Teilzeitwunsch entsprechen, es sei denn, sie können betriebsbedingte Gründe anführen, die eine Ablehnung rechtfertigen. Diese bestehen laut § 8, Abs. 4, „wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.“ Falls Mitarbeiter:innen gegen die Ablehnung vor dem Arbeitsgericht klagen, müssen diese Gründe konkret belegt werden können.

Egal, ob Teil- oder Vollzeit: bei ansonsten gleicher Qualifikation steht allen Arbeitnehmer:innen nach einem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts für identische Tätigkeiten auch die gleiche Stundenvergütung zu.


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