Unternehmertum in der Physiotherapie: Weg von der Einzelpraxis hin zu Filialen?
Herr Norys, der Gesetzgeber regelt, dass die Patientenversorgung oberste Priorität in der Physiotherapie hat. Dabei sieht die Branche einen Trend hin zur Kettenbildung. Wie passt das zusammen?
Praxen mit mehreren Filialen gab es in der Physiotherapie schon immer. Die Mehrheit sind Einzelpraxen und das entspricht auch unserem berufspolitischen Verständnis. Als Eigentümer bin ich für Praxis und Patienten persönlich verantwortlich. Belastbare Zahlen, die einen Trend hin zu größeren Ketten belegen, gibt es nicht. Dabei halte ich es für möglich, dass der Fachkräftemangel einen solchen Trend begünstigt. Man muss aber unterscheiden zwischen Inhabern, die ein gutes inhaltliches/fachliches Konzept haben und sich deswegen vergrößern und Finanzinvestoren, welche die Kettenbildung aus überwiegend wirtschaftlichen Interessen vorantreiben. Hier geht es um Rendite. Das entspricht nicht unserem Selbstverständnis, bei dem ganz klar die indikationsgerechte Patientenversorgung im Vordergrund steht.
Welche Auswirkungen hat die Kettenbildung auf die Patientenversorgung?
Wenn wir ein Flächenland wie Bayern in den Blick nehmen wird deutlich, dass gerade die Versorgung im ländlichen Raum von zentraler Bedeutung in Deutschland ist. Ketten und interdisziplinäre medizinische Versorgungszentren sind hingegen vor allem in großen Städten zu finden. Die Versorgung in der Fläche ist mit Ketten nicht gegeben: Sie rentiert sich da nicht. Hinzu kommt, dass dieser Trend den Fachkräftemangel in unserer Brache gerade für die kleinere Praxen weiter verschärft. Wir haben zwar in den Verhandlungen zum Bundesrahmenvertrag deutliche, längst überfällige Preissteigerungen erzielen können. Betrachtet man aber eine Praxis mit weniger Therapeuten als der von der Schiedsstelle angenommen 2,9 Vollzeit-Physiotherapeuten-Praxis bzw. Praxen, die z.B. bei der Position KG nach wie vor im 30-Minuten-Takt, dann reichen die Vergütungen, die die gesetzlichen Krankenversicherungen zahlen weiterhin nicht aus, um Gehälter in Anlehnung an den TVöD zahlen zu können. Größere Praxen und Ketten in Großstädten haben da andere Möglichkeiten.
Wie kann die Branche dem Trend der Kettenbildung begegnen?
Wir sind der Ansicht, dass der Beruf deutlich attraktiver werden muss. Insbesondere in kleineren Praxen, die häufig die Versorgung in Fläche sicherstellen. In unserem Berufsfeld sind ca. 70 % - 80 % Frauen tätig. Sie arbeiten oft in Teilzeit und stehen in der Elternzeit der Praxis nicht zur Verfügung. Wenn wir eine bessere Kinderbetreuung in Deutschland schaffen, könnten mehr Physiotherapeutinnen in Vollzeit oder mit mehr Std. pro Woche arbeiten. Hinzu kommt, dass wir mit unserem Berufsgesetz im internationalen Vergleich den Anschluss verlieren: In allen anderen Ländern ist unser Beruf akademisiert. Deswegen freuen wir uns, dass wir mit Blick auf die geplante Novellierung des Berufsgesetzes zumindest einer Teilakademisierung mit einer Quote von 10 – 20 % entgegenblicken. Darin liegt ein großes Potenzial, denn wir verzeichnen in Deutschland regelmäßig mehr Bewerber auf einen Studien- als auf einen Ausbildungsplatz. Hilfreich wäre es in diesem Zusammenhang auch, wenn mehr Hochschulen neben dem Bachelorstudiengang auch einen Masterstudiengang in der Spezialisierung in der Physiotherapie anbieten würden und wir bundesweit einen schulgeldfreien Zugang zum Beruf gewährleisten können.
Für viele Physiotherapeuten stellt sich früher oder später die Frage, ob sie den Schritt in die Selbstständigkeit gehen. Warum haben Gründungen in der Physiotherapie einen besonderen Stellenwert?
Unser Beruf macht viel Spaß, vor allem dann, wenn ich selber entscheiden kann, in welche Richtung ich mich spezialisiere und welche Angebote ich meinen Patienten mache. Da steht der Gedanke des freien Berufes klar im Vordergrund: Wenn ich selber verantwortlich bin für die fachliche Umsetzung der Therapie, dann merken das auch die Patienten. Dass man persönlich Verantwortung für das übernimmt, was man tut, ist in unserem Gesundheitswesen ein hohes Gut. Das gilt für angestellte Therapeuten, aber in besonderem Maße für selbstständige Therapeuten. Diese besondere Verantwortung ist beispielsweise bei den Apothekern über ein Fremdbesitzverbot geregelt: Keiner darf eine Apotheke besitzen, der selber nicht Apotheker ist. Dies ist bei uns noch nicht der Fall, aber das entspricht auch unserem Selbstverständnis, denn die Selbstständigkeit ist für uns Physiotherapeuten eine Option der beruflichen Weiterentwicklung.
Werden Physiotherapeuten in der Ausbildung, ob schulisch oder akademisiert, auf die unternehmerische Tätigkeit vorbereitet?
Jeder Selbstständige muss unternehmerisch denken können. In der physiotherapeutischen Ausbildung steht hingegen die fachliche Qualifikation für eine gute Patientenversorgung im Vordergrund. Unternehmerische Aspekte finden in der Ausbildung kaum Berücksichtigung. Wer eine Praxis gründen will, kann sich von den Berufsverbänden beraten lassen. Bei PHYSIO-DEUTSCHLAND beispielsweise begleiten wir mit unserem Programm PhysioGO Gründer individuell bei jedem einzelnen Schritt: von der Entscheidungsfindung über betriebswirtschaftliche Überlegungen bis hin zur Auswahl geeigneter Räumlichkeiten. Dabei ist auch der Umgang mit Praxissoftware zentral: Wir weisen darauf hin, dass uns die Digitalisierung nicht nur im Organisatorischen, sondern auch in der Therapie unterstützt. Ein digitaler Terminplaner ist organisatorisch von Vorteil. Auch die Dokumentation und Befundung ist digital einfacher und grafisch besser darstellbar. Vor allem unterstützt die Digitalisierung dabei, die betriebswirtschaftlichen Zahlen im Blick zu behalten und damit langfristig erfolgreich und frei zu bleiben. Davon profitieren dann vor allem Patienten und Therapeuten in allen Betrieben, auch in kleinen und mittleren, wie sie in unserer Branche die Regel sind.
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