Jahresrückblick mit Dr. Minettchen Herchenröder (ZVK): „Wir werden nicht locker lassen“

Dr. Minettchen Herchenröder ist seit Anfang des Jahres neue Generalsekretärin des Deutschen Verbands für Physiotherapie (ZVK). Zeit für eine erste Bilanz – und einen Blick auf den 5. TherapieGipfel, der letztlich in einer Absage an die Vollakademisierung für die Physiotherapie gipfelte.

Dr. Minettchen Herchenröder

Frau Dr. Herchenröder, was macht eigentlich eine Generalsekretärin?

Als Generalsekretärin bin ich das fachliche Bindeglied zwischen Vorstand, Geschäftsführung und den Landesverbänden. Ich bin dafür zuständig, den Verband weiterzuentwickeln, neue Ideen hineinzubringen und ihn auch international weiter zu vernetzen. Und daneben muss ich natürlich auch berufspolitisch aktiv sein – da ist ja momentan sehr viel in Bewegung.

Sie haben in Praxen und Kliniken gearbeitet, nach Ihrer Promotion auch wissenschaftlich. Was hat Sie denn gereizt, vor einem Jahr in die Berufspolitik zu gehen?

Die Berufspolitik hat mich schon immer interessiert. Bereits in meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Lübeck habe ich mich da engagiert. Allerdings musste ich dann feststellen, dass die Möglichkeiten, aus dieser Position Einfluss auszuüben, doch sehr begrenzt sind. Von daher war es nur konsequent, mich auf diese Stelle zu bewerben, weil ich wirklich etwas verändern und bewegen möchte. Und gerade das Thema Vollakademisierung ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich finde es regelrecht peinlich, dass ausgerechnet Deutschland hier so hinterherhinkt; in allen anderen Ländern ist die Physiotherapie ein Studium und kein Ausbildungsberuf!

Und dabei wird es wohl auch bleiben. Auf dem TherapieGipfel Mitte November erklärte Markus Algermissen vom Bundesgesundheitsministerium, dass weiterhin auch der schulische Ausbildungsweg möglich sein soll.

Ja, die Logopädie wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vollakademisiert, bei der Ergotherapie wird eine Teilakademisierung noch geprüft und bei der Physiotherapie wird es vorerst bei einem Nebeneinander von schulischer und hochschulischer Ausbildung bleiben. Das ist natürlich eine herbe Enttäuschung, ein Schlag vor den Bug der ganzen Physiowelt in Deutschland. Aber klar ist auch, dass wir den Kampf für die Vollakademisierung nicht aufgeben werden. Das kann nicht das Ende gewesen sein!

Jetzt soll aber die Teilakademisierung erst einmal in der Novelle des Berufsgesetz festgeschrieben werden. Und ein Berufsgesetz ändert sich nicht alle paar Jahre. Ist der Zug damit nicht abgefahren?

Nein, wir werden uns damit nicht abfinden und den Kopf nicht in den Sand stecken! Jetzt müssen wir ohnehin erst einmal den Referentenentwurf des Gesetzes abwarten und dann werden wir sehen, wie die konkrete Regelung aussehen soll. Erst dann beginnt der Gesetzgebungsprozess richtig und wir werden nicht lockerlassen, das bestmögliche für die Physiotherapie zu erwirken. Denn: Vieles scheint auch noch nicht konkret durchdacht zu sein. So soll die Diagnostik von hochschulischen Therapeut:innen erbracht werden. Aber eine Therapie ohne vorherige Befundung ist gar nicht möglich.

Sie befürworten aber prinzipiell auch, dass der Direktzugang – der laut Versorgungsgesetz 2 ja kommen soll – nur bei Therapeut:innen mit Masterabschluss oder entsprechender Zusatzqualifikation möglich ist?

Ja, das ist richtig. Aber deshalb ist es aus unserer Sicht auch so wichtig, dass wir langfristig – natürlich ist das ein Prozess – nur noch Therapeut:innen haben, die eine hochschulische Qualifikation mitbringen. Andernfalls haben wir Therapeut:innen mit völlig unterschiedlicher Qualifikation, was nicht zuletzt auch für die Patient:innen sehr verwirrend sein wird.

Kann es nicht aber auch dazu führen, dass sich künftig mehr junge Leute für ein Studium und gegen eine Ausbildung entscheiden – einfach weil die Berufsaussichten damit besser sind?

Ich vermute mal, dass sich in der Tat der Trend nicht aufhalten lässt und es weiter in Richtung Akademisierung gehen wird. Auf der anderen Seite hängt auch viel davon ab, welchen Stellenwert die einzelnen Bundesländer dem Studium geben und ob sie an ihren Universitäten entsprechende Studiengänge weiter aufbauen. Nach dem Wegfall der Modellklausel in diesem Jahr ist hier alles offen, der Ball liegt bei den Ländern. Leider! Denn in Zeiten knapper Kassen kann man nicht einfach davon ausgehen, dass sie alle die Notwendigkeit erkennen und hier Geld in die Hand nehmen. Dass derzeit die Privatschulen wie Pilze aus dem Boden schießen, seit dem bekannt ist, dass es bei der Teilakademisierung bleiben wird, werte ich zumindest als kein gutes Zeichen.

Hier ist offenbar viel Lobbyarbeit vonnöten – die allerdings schon auf Bundesebene nicht zum Ziel geführt. Warum eigentlich? Karl Lauterbach hatte sich noch auf dem TherapieGipfel vor einem Jahr offen gegenüber einer Vollakademisierung gezeigt.

Es ist zugegebenermaßen frustrierend, dass wir im letzten Jahr hier kein Gehör fanden und der Bundesgesundheitsminister – aus welchen Gründen auch immer – scheinbar dem Drängen der CDU/CSU und dem Druck des Verbands der Privatschulen nachgab.

Welche Rolle spielte, dass die Verbände der Physiotherapie nicht mit einer Stimme sprachen?

Das gemeinsame Ziel wurde nie aus den Augen verloren. Der Weg dorthin wurde unterschiedlich gesehen, das war nicht hilfreich! Es wäre sicherlich besser gewesen, wenn wir hier alle an einem Strang gezogen hätten. Das ist bei mehreren Verbänden nicht immer einfach. Aber so ist es auch bei den unterschiedlichen Parteien der Fall.

Kommen wir zum Schluss noch einmal zu Ihrer persönlichen Bilanz. Wie zufrieden sind Sie nach einem Jahr?

Politik im Allgemeinen und Verbandarbeit im Besonderen erfordert Geduld und sehr viel Detailarbeit. Das ist mir auf jeden Fall klar geworden. Aber wie damals bei den Vergütungsverhandlungen, die wir letztendlich zu einem guten Ergebnis geführt haben, muss man eben dranbleiben und nicht aufgeben. Steter Tropfen höhlt den Stein!


Keine Vollakademisierung

Auf dem 5. TherapieGipfel des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) sprach sich Markus Algermissen, Unterabteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, gegen eine Vollakademisierung der Physiotherapie aus. Algermissen wörtlich: „Stand heute wird es eine Teilakademisierung geben.“ Und da er es auch ist, der gerade das neue Berufsgesetz für die Physiotherapie schreibt, wird es wohl genau so kommen. Denn dieses soll als Referentenentwurf – so sagte es zumindest Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zuvor in einer Videobotschaft – noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. Ob dies allerdings tatsächlich der Fall sein wird, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Zweifel sind berechtigt. Denn Lauterbach hatte schon einmal einen Entwurf angekündigt („keine Frage von Monaten, eher eine Frage von Wochen“) – das war auf dem letzten TherapieGipfel vor einem Jahr.
 

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