Anspruchsvolle Ausbildung

Was spricht für die Akademisierung von Therapieberufen – und was dagegen? Ein unlängst vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichter Bericht befeuert die Diskussionen.

Gruppe von Physiotherapie Azubis mit Skelett

Die Akademisierung von Therapieberufen ist ein Dauerthema der Branche, mit vielen Diskussionen zwischen Politik und Verbänden, die zum Ende des Jahres 2021 noch einmal Fahrt aufgenommen haben. „Warum tun wir uns so schwer mit der Modernisierung der Ausbildungen?“, fragte Andrea Rädlein, Vorsitzende des Deutschen Verbands für Physiotherapie beim 3. TherapieGipfel des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV) im November. Rädlein betonte: „Die Akademisierung funktioniert, das zeigen die Modellstudiengänge seit Jahren“. Ähnlich argumentierte Prof. Dr. Annette Irene Probst, Sprecherin des Fachbereichstags Therapiewissenschaften: „Wir haben lange genug diskutiert. Der Ball liegt im Feld der Politik“. Die neue Bundesregierung müsse hier ein Zeichen setzen und die Machtspiele zwischen den Bundesländern und dem Bund im Hinblick auf die Finanzierung einer modernen und zukunftsweisenden Ausbildung in den Therapieberufen beenden.

Sorgen vor Ausbildungshürden und einem erheblichen Fachkräftemangel Ganz so einhellig, wie es die Wortmeldungen auf dem TherapieGipfel nahelegen, ist das Stimmungsbild allerdings nicht. So warnen nicht zuletzt selbstständige Therapeut:innen vor einem Fachkräftemangel. Arbeitgeber:innen führen die Akademisierung als Hürde an, die viele potenzielle Nachwuchskräfte abschrecke. Schließlich leisten Therapeut:innen schlichtweg auch ohne akademische Ausbildung längst kompetente, wertvolle Arbeit. Der Unternehmer Hubert Döpfer, Mitinitiator der „Allianz der Gesundheitsschulen“, verweist auf die schulische Bildung der an seinen Döpfer Schulen ausgebildeten Physiotherapeut:innen. „Mit der Vollakademisierung würde zwei Drittel der Schüler der Zugang zum Therapieberuf künftig verwehrt, zumindest stark erschwert. Wenn das kommt, wäre es eine Katastrophe. Sowohl für die Schulen wie auch für den Arbeitsmarkt.“

Andererseits: Warum sollten Hochschulen nicht dazu beitragen, Therapeut:innen auf die Komplexität ihres Berufs vorzubereiten und etwa den medizinischen Fortschritt in den Lehrplänen spiegeln? Der vom Bundesgesundheitsministerium im Oktober vorgelegte „Zweite Bericht über die Ergebnisse der Modellvorhaben zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie“ hebt hervor: „Die hochschulische Ausbildung hat sich bewährt. Sie weist durch die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten, der interdisziplinären Zusammenarbeit, der Fallsteuerung und der Weiterentwicklung der Profession Vorteile gegenüber der bisherigen Ausbildungsstruktur auf.“
 

„Mit der Vollakademisierung würde zwei Drittel der Schüler:innen der Zugang zum Therapieberuf zukünftig verwehrt, zumindest stark erschwert.“

Hubert Döpfer, Mitinitiator der „Allianz der Gesundheitsschulen“

Aber auch hier lohnt der differenzierende Blick: Die für den Bericht des Gesundheitsministeriums grundlegenden Evaluierungen durch die Bundesländer sehen für die Ergotherapie und die Logopäde die Vollakademisierung als machbar und notwendig an. Bei der Physiotherapie ist das Bild nicht so eindeutig: Mal wird die Vollakademisierung empfohlen, mal lediglich die Teilakademisierung. Gerade in der Physiotherapie müssten die Kapazitäten der Hochschulen für eine Vollakademisierung noch erheblich erweitert werden.

Hochschulzugangsberechtigung nicht zwingend als „Königsweg“ Der Bericht des Gesundheitsministeriums macht zugleich deutlich, dass in der Aus- und Weiterbildung der bloße Blick auf die Hochschulzugangsberechtigung in die Irre führt. Vielmehr wird „Durchlässigkeit“ gefordert, „indem für qualifizierte fachschulisch ausgebildete Absolventinnen und Absolventen bzw. etablierte Praktikerinnen und Praktiker unabhängig von einer Hochschulzugangsberechtigung in Form des Abiturs / Fachabiturs oder sonstigen zusätzlichen Prüfungen ein weiterführendes Studium ermöglicht würde“. Fest steht so oder so: Die Diskussion über die Akademisierung ist noch lange nicht abgeschlossen.

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