Schaufenster gematik: „Die TI soll lebendig sein und sich weiterentwickeln“

Lars Gottwald, Leiter Business Teams der gematik, der Betreiberin der TI, über Herausforderungen und Zukunftspläne des digitalen Gesundheitswesens.

Lars Gottwald, gematik

Herr Gottwald, Telematikinfrastruktur ist ein sperriges Wort. Was verbirgt sich dahinter – einfach erklärt?

Die TI ist die Basis für sichere und vernetzte Gesundheit. Sie ist ein digitales Ökosystem für das deutsche Gesundheitswesen und dient der sicheren Kommunikation zwischen allen Nutzerinnen und Nutzern, allen Diensten und allen Sektoren wie Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern und Heilmittelerbringern im Gesundheitswesen.

Warum brauchen wir die TI?

Wir stehen vor einigen Herausforderungen: eine alternde Gesellschaft mit einer steigenden Anzahl chronischer Kranker, kostenintensive technische Innovationen im Gesundheitswesen und dem Anspruch einer ausbalancierten medizinischen Versorgung in der Stadt und auf dem Land. Wir müssen auch die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen verbessern, die sehr belastend sein können, wie wir insbesondere in der Pandemie sehen. Die TI bietet Lösungsansätze für diese Herausforderungen. Sie vernetzt sektorenübergreifend Akteure im Gesundheitswesen und erlaubt durchgehende digitale Prozesse. Wir wollen nicht nur eine Digitalisierung von bisher analogen Prozessen, wir wollen vielmehr neue Prozesse etablieren und die Arbeit mit Gesundheitsdaten für die Forschung ermöglichen. Zudem kann die TI einen wesentlichen Beitrag für die Transformation des Gesundheitswesens leisten – von einem reaktiven System hin zu einem präventiven Gesundheitssystem. Die TI stärkt auch die Rolle der Patienten, beispielsweise durch die elektronische Patientenakte.

Welches sind die größten Herausforderungen bei der TI bisher?

Die größte Herausforderung ist die Komplexität des deutschen Gesundheitswesens mit seinen vielen Akteuren und Organisationen, die beispielsweise meist eigene Software-Lösungen haben. Hier fehlt es an der durchgehenden Nutzung internationaler Standards als Basis für Interoperabilität. Es gibt Praxisverwaltungssysteme, die digitale Prozesse bereits perfekt umsetzen, und andere mit erheblichem Aufholbedarf. Auch treffen wir auf Heilberufler und Patienten, die sich für die Digitalisierung begeistern können, und andere, die große Vorbehalte haben. Mit allen, den Softwareherstellern und den Anwendern, müssen wir kontinuierlich in den Dialog treten, um Bedarfe zu erheben und auf dieser Basis praxistaugliche Lösungen entwickeln. Nutzerzentrierte Produktentwicklung ist uns wichtig.

Im TI-Atlas, dem Jahresbericht zur TI, sind die Arztpraxen mit 31 Prozent Spitzenreiter bei der TI-Readiness. Wie ist das zu bewerten?

TI-Readiness bedeutet, dass hier alle notwendigen technischen Komponenten vorhanden sind und mindestens eine Fachanwendung der TI im Einsatz ist. Das heißt, dass 31 Prozent einsatzfähig sind und sich weitere zwei Drittel auf dem Weg dorthin befinden. Keine Frage, das ist ein Wert, den es auszubauen gilt. Deshalb haben wir auch den TI-Atlas ins Leben gerufen, um den Fortschritt öffentlich zu machen und uns selbst den Spiegel vorzuhalten. Wir stellen darin fest, wo wir stehen, wie es um Akzeptanz und Praxistauglichkeit bestellt ist und wo es noch Handlungsfelder gibt, die wir gemeinsam mit den Beteiligten im Gesundheitswesen vorantreiben müssen.
 

„Die größte Herausforderung ist die Komplexität des deutschen Gesundheitswesens mit seinen vielen Akteuren und Organisationen, die meist eigene Software-Lösungen haben.“

Lars Gottwald, gematik

Warum werden die Heilmittelerbringer:innen zuletzt an die TI angeschlossen?

Der Gesetzgeber hat für die Heilmittelerbringer keinen festen Termin vorgesehen. Sie können sich freiwillig anschließen, wenn die Voraussetzungen geschaffen sind. Dazu gehören zwei Dinge: der Identitätsnachweis der Institution, die SMC-B-Karte und der elektronische Heilberufsausweis, HBA. Diese Identitäten werden für die nicht verkammerten Heilberufe – wozu auch die Heilmittelerbringer gehören – ausgegeben durch das elektronische Gesundheitsberuferegister, das derzeit aufgebaut wird. Durch dieses Nadelöhr müssen wir und gehen davon aus, dass noch in diesem Jahr der Startschuss für die Ausgabe von SMC-B-Karten und eHBA fällt. Im Fokus stehen zunächst Pflege, Hebammen und Physiotherapeuten, weitere Nutzergruppen wie die Heilmittelerbringer folgen im Anschluss.

Die aktuelle TI hat sich noch nicht durchgesetzt, schon ist die TI 2.0 in Vorbereitung. Warum?

Die aktuelle TI wurde vor etwa 10 bis 15 Jahren geplant. Seitdem hat sich die Technik rasant weiterentwickelt. Hebammen zum Beispiel sind sehr mobil unterwegs. Die praxistaugliche Unterstützung dieser mobilen Einsatzszenarien ist mit der TI 1.0 nicht möglich. Wir brauchen also technische Lösungen, die Dienste und Anwendungen universell erreichbar machen. Die TI 2.0 soll weniger komplex werden. Wir wollen weg von der Hardware – der Konnektor soll durch eine Softwarelösung ersetzt werden. Und wir wollen digitale Identitäten schaffen, wie die Nutzer das heute von Apple, Google und Diensten wie PayPal kennen. Insgesamt soll die TI 2.0 ein System sein, das lebendig ist und sich weiterentwickelt – auch in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren des Gesundheitswesens. Dies wird mit der TI 2.0 besser möglich sein als mit der ersten Version. 


Über die gematik

Seit 2005 arbeitet die gematik GmbH an der digitalen Zukunft des Gesundheitswesens. Gegründet wurde das Unternehmen, um die elektronische Gesundheitskarte einzuführen, sie weiterzuentwickeln und auch die nötige technische Infrastruktur aufzubauen. Den Auftrag dazu erhielt sie von ihren Gesellschaftern, den Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens. 2019 hat sich das Bundesministerium für Gesundheit mehrheitlich an der gematik beteiligt. Heute entwickeln und betreuen rund 360 Mitarbeiter:innen der gematik die Telematikinfrastruktur und jene digitalen Anwendungen, die von den Akteuren im Gesundheitswesen bereits jetzt oder in naher Zukunft genutzt werden können.
www.gematik.de


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