Fortbildungen: hohe Fachlichkeit und normativer Dschungel – Ein Überblick über rechtliche Vorgaben

Fortbildungen sind ein gute Möglichkeit, sich fachlich weiterzuentwickeln und Mitarbeiter zu fördern und zu halten. Zugleich sind sie jedoch auch immer wieder Ausgangspunkt von Diskussionen und Unstimmigkeiten, gerade hinsichtlich der Themenwahl und der zu übernehmenden Kosten.

Gruppe von Physiotherapie Azubis mit Skelett

 

Fortbildung? Weiterbildung? Das ist der Unterschied

Die in diesem Beitrag vor allem besprochenen Fortbildungen meinen die Tätigkeiten, die nach den Rahmenverträgen notwendig sind, damit der Zulassungsstatus erhalten bleibt. Darüber hinaus gibt Weiterbildungen, die nicht nur das eigene Fachwissen erweitern, sondern auch neue Abrechnungsmöglichkeiten schaffen (wie etwa in der Physiotherapie KG-ZNS nach Bobath oder Vojta). Abseits dessen werden beide Begriffe durcheinander und ohne inhaltliche Abgrenzung verwendet.

Pflichtfortbildungen nach den Rahmenverträgen

Anders als bei vielen anderen Berufsgruppen besteht im Heilmittelbereich eine Fortbildungspflicht. Diese ergibt sich jeweils aus der Anlage 4 zum Rahmenvertrag nach § 125 Abs. 1 SGB V.

Für den Bereich der Logopädie sind die Zulasssungsinhabenden und die fachliche Leitung zum Erreichen von 60 Fortbildungspunkten im Vierjahreszeitraum verpflichtet. Angestellte Logopäd:innen, die nicht fachliche Leitung sind, benötigen nur 20 Fortbildungspunkte im Vierjahreszeitraum (2.1./2.2. Anlage 4 für Logopäden).

Für die Bereiche Physiotherapie (Nr. 2 der Anlage 4 für Physiotherapie) und Ergotherapie (Nr. 2 der Anlage 4 für Ergotherapie) sind gleichfalls 60 Fortbildungspunkte im Vierjahreszeitraum zu erreichen. Hier sind, wie aus dem Begriff des „zugelassenen“ Leistungserbringenden und dem jeweiligen Rahmenvertrag deutlich wird, wirklich nur die fachlichen Leitungen und Zulassungsinhabende, nicht jedoch die weiteren angestellten Therapeut:innen zur Fortbildung nach den Regeln der Anlage 4 verpflichtet. Für alle bei ihnen angestellten Therapeut:innen sollen sie nur auf die Absolvierung der „notwendigen“ Fortbildungen achten, ohne, dass deren Umfang vorgegeben wäre. Gem. § 14 Abs. 9 des Rahmenvertrages Physiotherapie (nicht der Anlage 4), müssen sich die sonstigen angestellten Physiotherapeut:innen alle zwei Jahre extern fortbilden. Für Ergotherapeut:innen besteht diese Verpflichtung gem. § 14 Abs. 9 des für sie geltenden Rahmenvertrages nicht.

Was passiert, wenn ein:e Therapeut:in länger ausfällt?

Höchst unterschiedlich sind auch die Regelungen bei längerem Ausfall des oder der Therapeut:in:

Sind Physiotherapeut:innen länger als drei Monate erkrankt oder in Mutterschutz, Elternzeit, oder pflegen sie Angehörige, wird der Vierjahreszeitraum „unterbrochen“ – gemeint ist, gehemmt, d.h. er läuft in dieser Zeit nicht, beginnt aber auch nicht von vorne. In der Physiotherapie ist auch ein längerer Urlaub ein Grund für die Verlängerung.

Bei Logopäd:innen werden Pflegezeiten und Urlaube nicht anerkannt, dafür Beschäftigungsverbote während der Schwangerschaft. Bei ihnen wird der Vierjahreszeitraum nicht gehemmt, sondern die Fortbildungsverpflichtung reduziert sich anteilig um die Zeit des begründeten Ausfalls.

In der Ergotherapie wird – wie in der Logopädie auch – die zu erreichende Fortbildungspunktzahl reduziert, allerdings werden auch hier Urlaube und Beschäftigungsverbote während der Schwangerschaft nicht anerkannt. Zudem wird nicht die Pflege von „irgendwelchen“ Angehörigen als Hinderungsgrund anerkannt, sondern wegen des Verweises auf die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz (§ 3 Abs. 1 Pflegezeitgesetz) nur die zugunsten „naher“ Angehöriger gem. § 7 Abs. 3 Pflegezeitgesetz.

Gibt es inhaltliche Vorgaben an die Pflichtfortbildungen?

Die jeweilige Anlage 4 zum Rahmenvertrag stellt auch inhaltliche Anforderungen, insbesondere zur Fachnähe. Eine Fortbildung ist anerkennungsfähig, wenn es um aktuelle Erkenntnisse der Disziplin oder der angrenzenden Fachgebiete geht. Auch rechtliche Fortbildung zu Inhalten der Heilmittelrichtlinien und Rahmenverträgen sind erlaubt.

Ergotherapeut:innen können maximal 1/3 der Fortbildungspunkte auf Kongressen erreichen, wobei es für diese keine Einschränkungen über die maximale je Kongresstag erreichbaren Punkte gibt. Fachkongresse werden bei Physiotherapeuten mit je sechs Fortbildungspunkten je Kongresstag anerkannt, es ist jedoch nicht möglich, die gesamte Fortbildungsverpflichtung auf Kongressen „abzusitzen“, vielmehr sind maximal 24 Fortbildungspunkte möglich. Für Logopäd:innen werden Kongresse grundsätzlich mit sechs Fortbildungspunkten je vollem Kongresstag anerkannt, im Einzelfall sind aber auch höhere Anerkennungen möglich. Logopäd:innen können alle Fortbildungspunkte auf Kongressen erreichen.

Fortbildungsbeiträge in Printmedien oder in elektronischen Medien sind in der Physiotherapie bis maximal zwölf Fortbildungspunkte je Vierjahreszeitraum anrechenbar, wenn einer Lernerfolgskontrolle auf Grundlage verbindlicher Qualitätskriterien erfolgt. D. h. insbesondere ein reines Selbststudium ohne Interaktionsmöglichkeit oder Teilnahmenachweis werden nicht anerkannt.

Im Bereich der Logopädie – und kurioserweise nur dort – gibt es Einschränkungen für Onlinefortbildungen. Dort gilt, dass bei Onlinefortbildungen eine Unterrichtseinheit statt 45 Minuten eineinhalb Stunden dauern muss. Zudem dürfen Logopäd:innen maximal die Hälfte ihrer Fortbildungspunkte online erwerben.

Nicht anerkennungsfähig sind auch alle Fortbildung zur Verbesserung der Praxisabläufe, Praxisgründungsseminare, Fortbildung zur Persönlichkeitsentwicklung oder zu allgemeinen juristischen Themen (die sich nicht mit der Heilmittelrichtlinie oder dem Rahmenvertrag beschäftigen). Je nach Rahmenvertrag sind auch bestimmte inhaltliche Aspekte ausgeschlossen, in der Physiotherapie etwa TCM, Hypnose oder Wellnessangebote.

Berufsbezogene Studiengänge werden auf die Fortbildungsverpflichtung vollständig angerechnet, während der Zeit eines solchen Studiums kann also auf die Fortbildung verzichtet werden.

Was passiert bei einem Verstoß gegen die Fortbildungspflicht?

Sollte einmal die Fortbildungspflicht im Vier-Jahres-Zeitraum unterschritten worden sein, können Physiotherapeut:innen die Fortbildungen nach Fristsetzung durch die Krankenkassen binnen eines Jahres nachholen (Nr. 10 Anlage 4 Physiotherapie). Für den Bereich der Logopädie und der Ergotherapie besteht diese Möglichkeit nicht. Der Verstoß gegen die Fortbildungspflichten stellt einen Verstoß gegen die Rahmenverträge dar und kann nach diesen durch Verwarnung, Abmahnung oder – höchst unwahrscheinlich – mit einer Strafzahlung geahndet werden.

Fortbildungskosten bei angeordneten Fortbildungen und Pflichtfortbildungen

Hinsichtlich der gemäß der Rahmenverträge verpflichtenden Fortbildungen, aber auch aller anderen Fortbildungen, die der Arbeitgeber anordnet, gilt, dass der Arbeitgebende die Kosten hierfür vollständig zu übernehmen hat. Hierzu gehören Reisekosten, Übernachtungskosten und auch die Seminarkosten selbst. Die Reise- und Fortbildungszeit zählt als Arbeitszeit im Rahmen einer Dienstreise. Der Arbeitnehmer muss die Fortbildungszeiten also auch nicht nacharbeiten.

Kann ich Inhalt und Lage der Fortbildungen als Arbeitgeber:in vorgeben?

Bei den Fortbildungen, die der Arbeitgebende bezahlt, d.h. gerade bei den Pflichtfortbildungen nach den Rahmenverträgen, kann der Arbeitgebende den Inhalt und die Lage der Fortbildung bestimmen. Der Arbeitgebende muss aber natürlich auf die Interessen des Arbeitnehmenden Rücksicht nehmen. Er darf keine Fortbildungen anordnen, die nicht im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit liegen.

Kann/muss ich Fortbildungen anordnen?

Die meisten Mitarbeitenden freuen sich über Fortbildungen. Fortbildungen sind aber, auch abseits der Fortbildungspflicht nach den Rahmenverträgen, nicht freiwillig. Der Arbeitgebende darf im Rahmen seines aus § 106 Gewerbeordnung stammenden Direktionsrechts Arbeitnehmer:innen auch anweisen, an Fortbildungen teilzunehmen, sofern diese hinsichtlich der Tätigkeit des Arbeitnehmenden in der Praxis einigermaßen sinnvoll erscheinen. Weigert sich der Arbeitnehmende, kann er oder sie hierfür auch abgemahnt werden.

Kann ich Bildungsurlaub nehmen?

Gerade wenn die Fortbildung über die Pflichtfortbildung nach den Rahmenverträgen hinausgehen, kann Bildungsurlaub sinnvoll sein. Hier gelten je nach Bundesland eigene, teilweise voneinander abweichende, Regelungen. Grundsätzlich gilt, dass Vollzeitkräfte einen Anspruch darauf haben, an fünf Tagen im Jahr bzw. zehn Tage in zwei Jahren bezahlt vom Arbeitgebenden freigestellt zu werden für Fortbildungen zum Zweck der beruflichen, aber auch der politischen Weiterbildung. Teilzeitkräfte haben einen anteiligen Anspruch. Die im Bildungsurlaub entstehenden Fortbildungskosten trägt der Arbeitnehmende. Für Arbeitnehmende in Bayern und Sachsen gibt es keinen Anspruch auf Bildungsurlaub.

Was regelt eine Fortbildungsvereinbarung/Weiterbildungsvereinbarung?

Gewährt der Arbeitgebende über die Pflichtfortbildungen hinaus Schulungen, besteht die Möglichkeit, eine Fortbildungsvereinbarung zu schließen. In dieser wird geregelt, welche Kosten der Arbeitgebende (Fortbildungskosten, Lohnfortzahlung, Reise- und Übernachtungskosten usw.) trägt und unter welchen Umständen der Arbeitnehmende diese zurückzuzahlen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmende die Praxis verlassen will. 

Dabei gilt natürlich, dass der Arbeitnehmende selbst bei Unterschreitung der vereinbarten Bindungsdauer die Fortbildungskosten auch (anteilig) nicht zurückzahlen muss, wenn der Arbeitgebende die Kündigung zu vertreten hat, etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung oder wenn der Arbeitnehmende nichts für die Kündigung kann, etwa wenn er oder sie dauerhaft erkrankt.

Länge der MaßnahmeBindungsdauer des Arbeitnehmenden an die Praxis
bis zu einem Monatsechs Monate
bis zu zwei Monateein Jahr
bis zu vier Monatezwei Jahre
sechs Monate bis ein Jahrdrei Jahre
über zwei Jahrefünf Jahre

 


Rechtsanwalt Dr. Dr. Thomas Ruppel und sein Team beraten bundesweit Heilmittelerbringer in allen rechtlichen Fragen.

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