Kann ich mit einer Praxissoftware rechtssicher dokumentieren?

Rechtsanwalt & Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Dr. Thomas Ruppel gibt Einblicke in rechtliche Aspekte der Dokumentation für Heilmittelerbringer:innen

Patientin im Gespräch mit einem Therapeuten mit Tablet

Um die Antwort gleich einmal vorweg zu nehmen: die rechtssichere Dokumentation mit einer Praxisverwaltungssoftware ist grundsätzlich möglich, sowohl die Abrechnungsbestimmungen als auch das Patientenrechtegesetz erlauben eine digitale Dokumentation. Diese ist mit einer Praxissoftware unter Umständen sogar von Vorteil, da man sich weniger Manipulationsvorwürfen ausgesetzt sieht. So können beispielsweise Änderungen oder Ergänzungen in einer Software transparent gemacht werden. 

Bei der Nutzung einer cloudbasierten Software ist Ihre Dokumentation außerhalb Ihrer Praxisräumlichkeiten gespeichert und damit im Vergleich zu Papierakten besser gegen Schäden oder Verluste durch Brände, Wasserschäden oder Diebstahl gesichert. 

Ihre Dokumentation ist in digitaler Form ggf. sogar umfangreicher und vollständiger als eine Papierakte, da Sie beispielweise auch unterwegs direkt dokumentieren und bei Bedarf auch von zu Hause aus Daten ergänzen können. Hat die Praxissoftware Ihrer Wahl eine Diktierfunktion oder Textbausteine, so ist eine vollständige Dokumentation auch kein Zeitfaktor mehr. 

Darüber hinaus ist durch eine digitale Dokumentation die Lesbarkeit der Inhalte jederzeit sichergestellt. Damit bleibt die Akte immer nachvollziehbar, was nicht nur im Arbeitsalltag, sondern auch im Haftungsfall vorteilhaft ist: auch für ausgeschiedene Mitarbeitende, die nicht mehr zum Sachverhalt befragt werden können, ist so jederzeit nachvollziehbar, was dokumentiert wurde.

Die grundlegenden Anforderungen an eine rechtssichere Dokumentation

Unabhängig von der Form muss eine rechtssichere Dokumentation jedoch einigen Anforderungen gerecht werden. Eine Behandlungsdokumentation dient zunächst therapeutischen, nicht juristischen Zwecken.  Sie muss daher sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse enthalten, also insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Auch Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen (§ 630f Abs. 2 BGB). Die Dokumentation kann natürlich auch immer noch in Papierform oder elektronisch geführt werden.

Da die Dokumentation vor allem erst einmal praxisinternen Abläufen dient, sind natürlich Abkürzungen und Kurzschreibweisen erlaubt – so lange im Nachhinein nachvollziehbar ist, was damit gemeint ist. Idealerweise sollten daher alle Mitarbeitenden die gleichen Abkürzungen verwenden.

Die Dokumentation muss nach den gesetzlichen Vorgaben in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zur Behandlung erfolgen. Sie sollte daher idealerweise während der Behandlung, zumindest aber im Anschluss erfolgen, auch bei Hausbesuchen. Es sollten nicht mehrere Tage zwischen Behandlungstermin und Dokumentation liegen. Eine digitale Lösung ermöglicht Ihnen die Dokumentation direkt vor Ort.

Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflichten ist als solche noch nicht schlimm und stellt auch keinen Behandlungsfehler dar. Allerdings wird sowohl bei Behandlungsfehlern als auch bei Abrechnungsprüfungen/Absetzungen vermutet, dass das nicht Dokumentierte nicht durchgeführt wurde. In manchen Fällen ist es möglich, diese Vermutung mittels anderer Beweise, z.B. einer Zeugenvernehmung von Therapeuten, zu widerlegen, dies ist jedoch eine mühsame und schwierige Angelegenheit, gerade wenn mehrere Jahre vergangen sind.  

Die Behandlungsdokumentation ist für eine Dauer von zehn Jahren aufzubewahren (§ 630f Abs. 3 BGB).

Patient:innen haben stets das Recht, in ihre Akte in der Praxis Einsicht zu nehmen oder Kopien zu erhalten. Die Akteneinsicht ist vollständig zu gewähren. Auch persönlichen Anmerkungen der  Therapeut:innen dürfen weder gelöscht noch abgedeckt werden, wenn Patient:innen Akteneinsicht fordern. Die Einsichtnahme kann nur verweigert werden, wenn erhebliche therapeutische Gründe (Gefahr der Selbstschädigung/Suizidgefahr) oder wichtige Rechte Dritter (zum Beispiel sensible Informationen über die Persönlichkeit getrenntlebender Eltern in der Behandlungsakte ihres minderjährigen Kindes) entgegenstehen. Dann ist die Einsicht in die Patientenakte teilweise zu gewähren.

Ob die Anfertigung von Kopien von der Übernahme der Kopierkosten abhängig gemacht werden kann, ist in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und dem deutschen BGB unterschiedlich geregelt. Diese Frage beschäftigt daher gerade den Europäischen Gerichtshof.

Auf keinem Fall dürfen Patient:innen die Originalunterlagen mitgegeben werden. Hierauf haben Patienten auch keinen Anspruch. Das gilt übrigens selbst im Fall der Praxisaufgabe/Praxisschließung, denn der frühere Inhaber oder gar dessen Erben können sich noch jahrelangen Ansprüchen ausgesetzt sehen – und sind ohne Patientenakte verloren. Auch hier bietet die digitale Dokumentation Vorteile: Sie werden schließlich kaum Ihren Praxis-Laptop an Ihre Patient:innen herausgeben wollen. 

Verstirbt ein:e Patient:in, können dessen Erben zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen (etwa um zu klären, ob der verstorbene Patient noch ein Testament verfassen konnte) in die Patientenakte einsehen. Die Erbenstellung müssen sich Therapeut:innen immer nachweisen lassen, am besten durch den Erbschein. Denn das Gesetz differenziert beim Einsichtsrecht in die Patientenakte von Verstorbenen zwischen „Erben“ und „nächsten Angehörigen“ – letztere haben kein Einsichtsrecht, wenn sie materielle Interessen geltend machen wollen, sondern nur für immaterielle Interessen (etwa um familiäre Vorbelastungen zu erfahren). Sowohl für Erben als auch für nächste Angehörige gilt: Das Akteneinsichtsrecht besteht nur, wenn nicht der mutmaßliche oder ausdrückliche Wille des oder der verstorbenen Patient:in entgegensteht. Sollte der oder die Patient:in also vorher deutlich gemacht haben, dass er oder sie seine Erben nicht in die Akte sehen lassen will, darf keine Einsicht gewährt werden.


Dr. Dr. Thomas Ruppel und sein Team beraten Heilmittelerbringer in allen rechtlichen Fragen. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Dr. rer. med. Ruppel erreichen Sie per Mail oder Telefon: 0451 29366-500.

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