Präqualifizierungspflicht für Apotheken entfällt für 17 Produktgruppen
Die Präqualifizierung ist am Hilfsmittelmarkt ein hohes Gut: §126, Absatz 3 SGB V regelt, dass Hilfsmittel nur von Vertragspartner:innen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erbracht werden dürfen, wenn unabhängige Prüfstellen ihnen die Einhaltung der in der Hilfsmittelrichtlinie festgelegten Kriterien bescheinigen. Mit dem im Juli 2023 beschlossenen Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wird das hohe Gut jetzt beschnitten: Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband haben sich auf den Wegfall der Präqualifizierung für insgesamt 17 Produktgruppen zum 1. April 2024 geeinigt. Dazu gehören:
- PG 01 Milchpumpen
- PG 02 Anziehhilfen, Ess- und Trinkhilfen u. a,
- PG 03 Spritzen, Pens, Zubehör, Spülsysteme, Transnasale Ernährungssonden, Überleitsysteme, Nasensonden, Filter
- u.a., Trink- und Sondennahrung
- PG 05 Bandagen (Fertigprodukte bis Knie und obere Extremitäten einschl. Schultergelenk), Rippenbruchbandagen,
- Schwangerschaftsleibbinden
- PG 08 Stoßabsorber, Verkürzungsausgleiche
- PG 10 Hand-/Gehstöcke, Unterarmgeh- und Achselstützen
- PG 14 Inhalationstherapiegeräte (PEP-Mund- und Maskensysteme)
- PG 15 Produkte und Zubehör für aufsaugende und ableitende Inkontinenz
- PG 17 medizinische Kompressionsware (rund- und Flachstrick, für Bein und Arm, Thorax, Kopf) sowie Zubehör
- PG 51 Pflegehilfsmittel
- PG 54 Pflegehilfsmittel
- PG 20 Sitzringe
- PG 21 Messgeräte (Lungenfunktion, Blutdruck, Blutgerinnung, Gewicht)
- PG 23 ausgewählte, konfektionierte Orthesen
- PG.25 Hilfsmittel bei Augenerkrankungen, u. a, Okklusionspflaster
- PG 30 Hilfsmittel für Insulintherapie (u.a. Spritzen, Pens, Messgeräte, CGM-Systeme und Zubehör)
- PG 99 sonstige Produkte (u.a. Läuse- und Nissenkämme)
Qualitätsstandards und Vertrauen in Hilfsmittel auf dem Prüfstand
Die Präqualifizierung sichert Qualitätsstandards der Hilfsmittel entsprechend der Bedürfnisse der Patient:innen. Das stärkt das Vertrauen, auch auf der Seite von Vertriebspartner:innen. So können präqualifizierte Produkte offiziell in den Markt eingeführt werden und sich als geprüft von Wettbewerber:innen abheben. Der Wegfall führt nun zu einer breiteren Verfügbarkeit bestimmter Produkte. Das erleichtert Patient:innen zwar den Zugang und erweitert den Markt, insbesondere für kleinere Anbieter:innen. Zudem reduziert der Beschluss den Verwaltungsaufwand in Apotheken. Allerdings befürchten viele Hilfsmittelerbringer:innen auch Wettbewerbsverzerrungen und einen Vertrauensverlust. Besondere Bedeutung kommt da einer umfassenden Beratung zu. Hier muss sich zeigen, inwieweit Apotheken diese zu leisten vermögen und eine optimale Patientenversorgung weiterhin sichergestellt ist.
Verbände für fairen Wettbewerb und einheitliche Qualitätsstandards
Die Hilfsmittelverbände bewerten den Wegfall der Präqualifizierungspflicht kritisch: „Die gesetzgeberisch sinnvollen Ziele der Präqualifizierung werden konterkariert, wenn für Apotheken und Nichtapotheken sowohl in Bezug auf die Präqualifizierungskriterien, als auch in Bezug auf das Präqualifizierungsverfahren völlig unterschiedliche Anforderungen für ein und denselben Versorgungsbereich gestellt werden“, so Anja Faber-Drygalla von Sani-Aktuell. Dabei erwartet sie auch Wettbewerbsverzerrungen, wenn die Anforderungen für völlig gleiche Versorgungen ohne sachlichen Grund unterschiedlich geregelt sind. Die Verbände unterstützen die angekündigte Verfassungsbeschwerde der STOLLE Sanitätshaus GmbH & Co. KG gegen die einseitige Befreiung der Apotheken von der Präqualifizierungspflicht. „Im Vordergrund muss die qualitätsgesicherte Versorgung der Patientinnen und Patienten stehen. Hierfür sind von allen Hilfsmittelerbringern, egal, ob Apotheke oder Nicht-Apotheke bestimmte, sinnvolle Voraussetzungen zu erfüllen“, so Anja Faber-Drygalla. „Wir versorgen Deutschland weiterhin und werden politisch für die vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels dringend erforderlichen Maßnahmen zur Entbürokratisierung kämpfen, die sich an den Prinzipien des fairen Wettbewerbs und einheitlicher Qualitätsstandards für alle Hilfsmittelleistungserbringer orientieren.“