Praxisnachfolge: Rechtliche Risiken beim Praxisverkauf vermeiden

Sie haben eine:n Nachfolger:in für Ihre Praxis gefunden? Was bei Übergabe und Verkauf wichtig ist fasst Rechtsanwalt & Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Dr. Thomas Ruppel zusammen.

Ratgeber Recht Illustration

Stehen Sie als Inhaber vor der Entscheidung, Ihre Praxis zu verkaufen ist dies ein wirtschaftlich, aber auch ein emotional weitreichender Schritt. Für Praxisinhaber ist es oft schwierig, die komplexen juristischen Sachverhalte zu durchblicken. Unkenntnis über juristische Sachverhalte aber auch schon kleine Unachtsamkeiten bei der Ausgestaltung des Kaufvertrags können schnell zu einem großen wirtschaftlichen Schaden führen.

Lesen Sie in diesem Beitrag sieben Tipps, worauf Sie als Verkäufer achten müssen und welche Klauseln Ihnen helfen, den Verkauf und die Übergabe Ihrer Praxis für beide Seiten zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Tipp 1: Ausreichend Zeit für den Praxisverkauf einplanen

Wenn Sie Ihre Praxis verkaufen und an eine:n Nachfolger:in übergeben, treffen Sie eine wichtige wirtschaftliche Entscheidung. Eventuell ist der Erlös aus dem Verkauf ein wichtiger Baustein Ihrer Altersversorgung oder Sie wollen das Kapital für Ihre berufliche Weiterentwicklung einsetzen. Der Wertermittlung und der vertraglichen Gestaltung der Übergabe kommt daher eine entscheidende Rolle zu. Zum anderen ist der Verkauf der eigenen Praxis immer auch eine sehr emotionale Angelegenheit – gibt man doch sein Lebenswerk ab und nimmt vielleicht auch Abschied vom aktiven Berufsleben. Erste Maxime bei der Planung eines Praxisverkaufs ist daher: Kalkulieren Sie ausreichend Zeit ein! Die Faustregel lautet: drei bis sechs Monate bis zur Praxisübergabe.

Tipp 2: Professionelle rechtliche Beratung nutzen

Ein Praxisverkauf beinhaltet zahlreiche juristische Fragestellungen. Neben vertragsrechtlichen Aspekten werden auch miet-, arbeits-, steuer- und eventuell auch strafrechtliche Aspekte berührt. Eine Verhandlung über den Verkauf ist somit eine komplexe Angelegenheit. Selbstverständlich besteht kein Anwaltszwang und wer sich zutraut, die unterschiedlichen Rechtsgebiete zu beherrschen, kann den Praxisverkauf auch in Eigenregie abwickeln.

Im Allgemeinen empfiehlt es sich allerdings, einen Rechtsanwalt und einen Steuerberater in den Übergabeprozess einzubinden – und das von Anfang an. So können Sie Risiken von vorherein zu minimieren und unangenehme, meist kostspielige Überraschungen zu vermeiden. Der wirtschaftliche Schaden durch Fehler im Vertrag ist schnell um ein Vielfaches höher als die Kosten für eine professionelle Beratung.

Tipp 3: Unterlagen und laufenden Verträge vorbereiten

In jedem Fall muss die Abgabe Ihrer Praxis durch Sie als Verkaufenden sorgfältig vorbereitet werden. Weil der Kaufende Gesamtrechtsnachfolger:in für alle laufenden Verträge wird, sollten Sie als Verkaufender sämtliche Verträge und Dauerschuldverhältnisse der Praxis frühzeitig sichten und gegenüber dem Kaufenden offenlegen: vom Mietvertrag über Verträge mit Telekommunikationsunternehmen bis hin zu Leasingverträgen für Geräte. Haben Verträge – insbesondere der Mietvertrag – eine sehr lange oder sehr kurze Laufzeit, kann das zur Minderung des Kaufpreises beitragen. 

Gehen Sie bei der Zusammenstellung aller Verträge sorgfältig vor – auch wenn es einfach klingt, schnell wird etwas vergessen, wie ein Vertrag mit der Putzfrau oder dem Getränkelieferanten. Wir hatten sogar schon den Fall, dass der Vertrag einer Mitarbeiterin, die in Elternzeit war, vergessen wurde. Diese Mitarbeiterin stand dann mehrere Monate nach der Praxisübergabe – für den neuen Inhaber völlig überraschend – vor der Tür.

Tipp 4: Den Wirtschaftlichen Wert der Praxis ermitteln

Eine zentrale Frage beim Praxisverkauf ist: Was ist meine Praxis wert? Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie in zwei Richtungen denken, da der wirtschaftliche Wert Ihrer Praxis sich aus zwei Komponenten ermittelt: dem materiellen und dem immateriellen Wert.

Der materielle Wert ergibt sich u.a. aus dem Inventar, der Software, eventuell dem Auto. Der Steuerberater kann den materiellen Wert einer Praxis meist problemlos berechnen.

Viel schwerer, weil teurer, wiegt dagegen der immaterielle Wert. Dieser Teil des Verkaufspreises ergibt sich aus unterschiedlichen Faktoren. Dazu zählen beispielsweise: Wer sind die Zuweiser Ihrer Praxis und wie sind die Beziehungen zu diesen gestaltet? Wie gut ist die Verkehrsanbindung? Besteht Investitionsbedarf? Arbeiten Sie mit Fachschulen zusammen? Wie ist Ruf der Praxis bei Kolleg:innen und Patient:innen? Positiv auf den Verkaufswert wirkt sich beispielsweise ein ungenutztes Umsatzpotenzial aus. Das kann eine geringe Anzahl von Selbstzahlern in einer guten Lage sein.

Die Patientenstruktur ist ein wichtiger Faktor für die Bewertung der Praxis. Jedoch darf die Patientenkartei nicht ohne besondere datenschutzrechtliche Regelungen (Zwei-Schrank-Modell) Bestandsteil des Kaufvetrages sein. Der Verkauf der Patientendaten ohne Einhaltung der Datenschutzbestimmungen ist strafbar und der komplette Praxisverkauf müsste rückabgewickelt werden.

Da der immaterielle Wert ungleich schwieriger zu definieren ist als der materielle Wert, können Sie dazu auch einen Gutachter hinzuziehen. Allerdings kommen verschiedene Gutachter durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen. Letztendlich spielt auch der Kapitalbedarf für Ihre Rente oder Ihre Anschlussinvestitionen eine wichtige Rolle bei der Festlegung des Verkaufspreises.

Tipp 5: Den Übergang der Praxis mit dem Kaufenden abstimmen

Ein Rechtsanwalt kann bei den Fallstricken des Kaufvertrags beraten, aber es gibt auch Grundsätzliches zu regeln, bei dem es nicht um rechtliche Details geht. Inhaber:innen, denen ihre Praxis und ihre Patienten am Herzen liegen, wollen meist nicht nur die Tür hinter sich abschließen und den Schlüssel übergeben. In diesem Fall sollten Sie sich frühzeitig mit dem Kaufenden darüber einigen, wie die Praxis inhaltlich weitergeführt wird. Als Übergangslösung bietet sich dann zum Beispiel an, dass Sie Ihre Einzelpraxis für eine begrenzte Zeit zusammen mit dem Kaufenden als Gemeinschaftspraxis weiterführen.

Dadurch haben Sie die Chance, die Übergabe zu begleiten, Ihre:n Nachfolger:in in die Abläufe einzuarbeiten und sich dennoch schrittweise aus der Praxis zurückzuziehen. Ihren Patient:innen können Sie den Nachfolger so auch persönlich vorstellen – und damit das Vertrauen zwischen Ihren Patient:innen und dem neuen Praxisinhabenden stärken.

Tipp 6: Arbeitsrechtliche Vorgaben erfüllen

Bei einer Praxisübergabe ist beim Thema Team Fingerspitzengefühl und Kommunikation gefragt. Einerseits müssen Sie Unsicherheiten unter den Mitarbeiter:innen begegnen und möglichen Gerüchten entgegenwirken. Andererseits gibt es rechtliche Vorgaben zu beachten. 

Wichtigster Punkt: Informieren Sie Ihre Mitarbeiter:innen nach den gesetzlichen Vorgaben über den Verkauf. Geschieht dies nicht, können die Arbeitnehmer:innen dem Übergang der Arbeitsverträge auf den Kaufenden widersprechen und Sie als Verkaufende:r müssen die Löhne weiterzahlen auch wenn Sie die Praxis längst verkauft haben.

Zudem sollten Sie alle Arbeitsverträge offenlegen und bis zum Praxisübergang keine Veränderungen mehr vornehmen. Auch wenn es verlockend erscheint, kurz vor dem Abschied nochmal eine Gehaltserhöhung zu spendieren: Ein solcher Schritt kann den Verkauf der Praxis ernsthaft gefährden. Es empfiehlt sich daher, eine Klausel in den Kaufvertrag aufzunehmen, die Neueinstellungen, Entlassungen und Änderungen der Arbeitsverträge in der Zeit zwischen Vertragsunterzeichnung und der eigentlichen Praxisübergabe nur mit Zustimmung beider Parteien erlaubt.

Tipp 7: Wichtige Klauseln in den Kaufvertrag aufnehmen

Wenn Sie privat ein Auto verkaufen oder eine Wohnung vermieten, sind Musterverträge meist ausreichend. Für einen so komplexen und wirtschaftlich bedeutenden Vorgang wie die Veräußerung Ihrer Praxis ist keine der Mustervorlagen, die Sie im Internet finden, geeignet. Die vielen individuellen Bedingungen eines Praxisverkaufs können in einem Mustervertrag nicht abgebildet werden. Eine wichtige Klausel betrifft den Ausfall von Käufer oder Verkäufer. Musterverträge beinhalten meistens nur Formulierungen zum Ausfall des Verkaufenden. Sie sollten sich aber auf jeden Fall auch für den Ausfall des Kaufendendurch Tod, Berufsunfähigkeit oder Krankheit absichern.

Zwischen Vertragsschluss und Übergang der Praxis können mitunter mehrere Wochen oder gar Monate liegen. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich für beide Vertragsparteien, diese Übergangsphase durch entsprechende Vereinbarungen zu regeln. Das betrifft insbesondere Veränderungen, die den Kaufpreis beeinflussen. Deshalb sollte der Kaufvertrag eine Klausel enthalten, dass beide Parteien Neuanschaffungen oder Veränderungen zustimmen müssen. Als Verkaufender sollten Sie sich zudem die Zahlung des Kaufpreises durch eine Bankbürgschaft absichern lassen. Sollten Regresse offen sein, sollten diese nicht auf den Kaufenden übergehen, sondern vom Verkaufenden getragen und geregelt werden. Ansonsten würde der Kaufende ein höheres Insolvenzrisiko tragen müssen – was am Ende den Verkauf gefährden kann. Es empfiehlt sich daher, eine entsprechende Regelung für offene Regresse oder Haftungsforderungen in den Vertrag aufzunehmen.

Auch wenn die Vertragsverhandlungen reibungslos laufen: Menschliche Enttäuschungen und Konflikte sind nie ausgeschlossen. Um nicht sofort in einen Rechtsstreit zu geraten, können Sie eine Mediationsklausel vereinbaren. Das bedeutet, dass Sie im Falle eines Konfliktes eine:n erfahrene:n Kolleg:in als Mediator zu Rate ziehen und versuchen, das Problem auf diesem Wege zu lösen.

Fazit

Mit dem Verkauf Ihrer Praxis treffen Sie nicht nur eine wirtschaftlich wichtige Entscheidung, die Ihren Ruhestand oder Ihre weitere berufliche Zukunft finanzieren muss. Bei diesem Schritt spielen auch Emotionen sehr oft eine wichtige Rolle – geben Sie doch Ihr Lebenswerk, jahrelange Aufbauarbeit von Mitarbeiter:innen und Patient:innen in neue Hände. Doch mit ausreichend Zeit, sorgfältiger Vorbereitung und professioneller Beratung können Sie die Übergabe Ihrer Praxis zu einem erfolgreichen Projekt machen. 


Dr. Dr. Thomas Ruppel und sein Team beraten Heilmittelerbringer in allen rechtlichen Fragen. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Dr. rer. med. Ruppel erreichen Sie per Mail oder Telefon: 0451 29366-500.

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