PRAXISnah: „Meine Vision ist es, dass wir irgendwann gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit den Ärzt:innen sind.“
Frau Weskamp-Nimmergut, die Zahl Ihrer Praxen steigt immer weiter, inzwischen sind es neun. Was treibt Sie an?
Mein Ziel ist eine andere Art der Logopädie, und das funktioniert meiner Ansicht nach nicht in einer normalen Praxis, die im Schnitt aus 1,2 bis 1,3 Leuten besteht – inklusive Inhaber:in. Bei uns arbeiten insgesamt 40 Mitarbeiter:innen. Wir tauschen uns ständig aus, bilden uns permanent fort und haben uns inzwischen einen riesigen Wissens- und Erfahrungsschatz angeeignet. Und davon profitieren am Ende dann auch unsere Patient:innen.
Inwiefern?
Weil wir immer besser werden! Wir wollen aus diesem Semiprofessionellen rauskommen und uns richtig professionell aufstellen. Dafür arbeiten wir auch zunehmend wissenschaftlich. Zum Beispiel evaluieren wir unsere Behandlungen, um unsere Erfolge auch nachweisen zu können. Meine Vision ist es, dass wir irgendwann gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit den Ärzt:innen sind.
Sie selbst arbeiten überhaupt nicht mehr mit Patient:innen. Wollten Sie immer Unternehmerin werden?
Nein, ich wollte eigentlich immer nur therapieren. Eine ganze Weile habe ich das auch noch nebenher gemacht, aber irgendwann musste ich mich einfach entscheiden. Heute arbeite ich tatsächlich nicht mehr im Unternehmen sondern ausschließlich am Unternehmen. Und ich muss wirklich sagen: Das bringt richtig viel Spaß!
Gelernt haben Sie aber Logopädie und nicht Unternehmensführung. Wie ist es Ihnen gelungen, sich all das dafür nötige Wissen anzueignen?
Am Anfang war das tatsächlich „learning by doing“. Aber das funktioniert irgendwann nicht mehr. Deshalb habe ich mir dann Unterstützung geholt und mich auch selbst fortgebildet. Denn es gehören ja eine Menge Dinge dazu, um eine erfolgreiche Unternehmerin zu sein. Es geht nicht nur darum, die Zahlen im Griff zu haben und die Mitarbeiter:innen führen zu können. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist: Kann ich mich selbst führen und habe ich mich selbst im Griff?
Wie wichtig ist für den Erfolg einer Praxis, dass sie modern und digital aufgestellt ist?
Das ist sehr wichtig! Die gesamte Dokumentation, das Schreiben der Rechnungen und unsere komplette Terminplanung laufen bei uns zum Beispiel über Optica Viva. Zusätzlich haben wir noch das Tool MeisterTask eingeführt, worüber wir dann auch mit den Mitarbeiter:innen kommunizieren. Alle unsere Prozesse, selbst unser Anrufbeantworter, laufen darüber, sodass wir den gesamten Patientenservice auch aus dem Homeoffice heraus machen können. Eigentlich brauchen wir die physischen Akten fast nur noch für die Verordnungen.
Wie sehr ersehnen Sie sich, dass auch das bald der Vergangenheit angehört?
Das wäre schon echt gut! Leider wird es mit der elektronischen Verordnung noch etwas dauern, weil ja erst die Physiotherapeut:innen an die Telematikinfrastruktur angebunden werden. Aber wir bereiten uns schon jetzt darauf vor, da es schließlich nur eine Frage der Zeit ist, bis wir auch dran sind.
Auf Ihrer Website steht, dass Ihre Praxen klimaneutral sind. Wie hat man sich das vorzustellen?
Zum einen versuchen wir, sehr ressourcenschonend zu arbeiten, also zum Beispiel möglichst wenig Papier zu verbrauchen und möglichst häufig wiederverwertbare Materialien zu benutzen. Da das aber nicht ausreicht, arbeiten wir mit ClimatePartner zusammen. Das ist eine Organisation, bei der man durch einen gewissen finanziellen Beitrag einen CO2-Ausgleich machen kann. Für uns ist das einfach wichtig, damit unser Planet auch für die nachfolgenden Generationen als schöner Ort zum Leben erhalten bleibt.
Von Umweltfragen zur Berufspolitik: Was würden Sie machen, wenn Sie Gesundheitsministerin für einen Tag wären?
Ich würde sofort die Videotherapie wieder einführen, die ja im Frühling auf Eis gelegt worden ist. Das ist wirklich sehr dramatisch, weil wir viele Hochrisikopatient:innen von heute auf morgen nicht mehr versorgen konnten. Und auch positiv getestete Mitarbeiter:innen, die sich aber gesund fühlen, können dadurch nicht mehr arbeiten. Auch das ist eine ziemliche Katastrophe, weil wir im Moment einen sehr hohen Krankenstand haben.