So gelingt der Praxis(ver)kauf

Wer eine Praxis kauft oder verkauft muss aus rechtlicher Warte einiges beachten. Die wichtigsten Punkte hat Dr. Dr. Thomas Ruppel für Sie zusammengestellt.

Illustration Ratgeber Recht

Der (Ver)kauf der eigenen Praxis ist eine wichtige Zäsur im Berufsleben. Damit diese auch gelingt, ist es vor allem wichtig, genügend Zeit einzuplanen: Während ein Kaufvertragsentwurf innerhalb weniger Tage erstellt werden kann, sind die Vorbereitungen und Verhandlungen langwierig. Zunächst so müssen etwa alle für die Praxis relevanten Verträge herausgesucht und überprüft werden etwa die Mietverträge, die Arbeitsverträge, Lieferverträge usw. Häufig finden diese sich nicht befinden sich diese nicht auf dem aktuellen Stand. Die Einsicht in den Praxismietvertrag ist auch deshalb notwendig, weil Banken regelmäßig nicht bereit sind, Praxisübernahmen zu finanzieren wenn die Mieträume nicht noch auf mehrere Jahre zur Verfügung stehen.

Wichtig ist auch eine Klausel, dass Dauerschuldverhältnisse - insbesondere Arbeitsverträge - zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages und dem eigentlichen Vollzug, d. h. der Übergabe der Praxis und der Kaufpreiszahlung - nicht mehr ohne Zustimmung des Erwerbers geändert werden dürfen. Denn insbesondere spontane Lohnerhöhungen durch den Verkäufer können die Gesamtkalkulation und damit die Praxisübernahme in Gefahr bringen.

Der Kaufpreis

Zentraler Aspekt ist die Verhandlung des Praxiskaufpreises. Der Kaufpreis einer Einzelpraxis setzt sich zusammen aus dem materiellen und dem immateriellen Wert der Praxis. Der materielle Wert ist der Gesamtwert aller Gegenstände, vom Computer über den Tisch bis Liegen und Kraftfahrzeugen. Je nach Restwert muss auch über Gewährleistungsansprüche nachgedacht werden.
Da der Praxisverkäufer alle Belege für Einkäufe beim Steuerberater abgegeben hat, hat dieser eine Übersicht und kann mittels der Abschreibungsfristen auch unproblematisch den Restwert – den sogenannten Buchwert - berechnen. Dieser Buchwert ist dann die Grundlage für den materiellen Teil des Praxiskaufpreises. Der Buchwert ist in vielen, aber nicht in allen Fällen eine gerechte Bewertung: So mag etwa eine mehrere Jahre alte Liege buchhalterische nur noch einen Euro Wert sein, würde aber der Verkäufer diese mitnehmen und müsste der Käufer eine neue Liege erwerben, wäre ein deutlich größerer Betrag als der Restwert aufwenden. Hier muss also im Einzelfall geschaut werden, ob der Buchwert tatsächlich dem von den Käufer und Verkäufer angedachten Wert auch entspricht.

Schwieriger zu berechnen ist der immaterielle Wert, der „Goodwill“. Dies sind die Gewinnchancen, die der Praxisbetrieb mitsichtbringen. Es gibt verschiedene Bewertungsmethoden, wobei die modifizierten Ertragswertmethode aus rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht zu bevorzugen ist. Vereinfacht dargestellt, wird der durchschnittliche Jahresumsatz der vergangenen Jahre betrachtet und hiervon Betriebsausgaben, d. h. die Kosten für Miete, Personal usw. abgezogen. Übrig bleibt der Gewinn vor Steuern. Hiervon muss ein angemessener „Unternehmerlohn“ abgezogen werden, d. h. die Summe, die der Praxisinhaber zum Leben braucht, aber auch die Beiträge für die Krankenversicherung (unabhängig davon ob gesetzlich oder privat) und natürlich die Steuerbelastung.
Der so verbleibende Betrag wird um bestimmte Aspekte erhöht oder verringert, etwa eine besonders gute Lage, eine gute Parkplatzsituation, ein überregional bekanntes Therapiekonzept, eine geringe Fluktuation der Mitarbeiter etc. 

Schließlich wird der immaterielle Werte mit einem Faktor von mehreren Jahren multipliziert - dies können zwei Jahre bei einer Einzelpraxis sein oder auch fünf Jahren bei einer Einzelpraxis mit einer Vielzahl von angestellten Therapeuten.

Ein Rechenbeispiel: Wenn einer Praxis 200.000 € Umsatz macht und eine Kostenquote von 50 % hat bleiben 100.000 € übrig. Diese Summe von 100.000 € muss versteuert werden und es müssen die Beträge abgezogen werden, die der Inhaber für sich, seine Familie und seine Versicherungen benötigt. In unserem fiktiven Fall blieben beispielsweise 25.000 € pro Jahr übrig. Dies ist letztlich die Summe, die der Käufer aufwenden kann, um den Bankkredit, den er für die Finanzierung des Praxiskaufpreises aufnehmen muss auch tatsächlich zurückzuführen. Dieser Restbetrag dieser Betrag wird dann mit 2-5 multipliziert. In unserem fiktiven Beispiel würde Wert des immateriellen Anteils zwischen 50.000 und 125.000 € liegen, hinzu addiert wird der materielle Wertanteil.

Dies zeigt, dass es keinen „wahren“ oder „richtigen“ Praxiswert gibt, sondern es sich sehr große Spannbreite handelt.
Auch mit den genauesten Berechnungsmethoden sind so viele Zu- und Abschläge und vor allem Multiplikationsfaktoren zu berücksichtigen, dass es immer nur eine Argumentationshilfe und eine Annäherung sein kann. Er Erwerber muss immer berücksichtigen, dass am Ende noch genug Geld übrig sein muss, um nicht nur das eigene Leben zu führen, sondern eben auch den Bankkredit zu bedienen.

Mit dem fertig verhandelten - aber noch nicht unterschriebenen - Entwurf des Praxiskaufvertrages wird dann die Finanzierungszusage der Bank eingeholt. Achtung: Praxiskaufverträge können auch mündlich wirksam geschlossen werden, es darf also keine verbindlichen Zusagen oder mündliche Einigungen über den Kaufpreis geben. Wird der Praxisvertrag geschlossen und findet sich dann keine finanzierungsbereite Bank, muss die Praxis gleichwohl abgenommen und der Kaufpreis bezahlt werden. Es gibt weder ein gesetzliches Rücktrittsrecht noch ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. 

Je nach Kaufpreishöhe ist das Stellen einer Bürgschaft ratsam.

Der Kaufvertrag

Sind die betriebswirtschaftlichen Kenndaten vorhanden, die Verträge gesichtet, kann ein Praxiskaufvertrag entworfen werden. Wichtig ist dabei vor allem den Kaufgegenstand, nämlich die immateriellen und materiellen Werte der Praxis gut zu beschreiben. Denn beim Kauf einer Einzelpraxis handelt es sich nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge – eine Gesamtrechtsnachfolge in eine natürliche Person findet nur im Erbfall statt – sondern um eine Einzelrechtsnachfolge. Gekauft werden also nur die Gegenstände die auch ausdrücklich im Kaufvertrag bzw. seinen Anlagen genannt werden, alles andere bleibt Eigentum des Abgebers. 

Dies heißt auch, dass eventuelle Regresse, Absetzungen, Rückforderung usw. nicht auf den Käufer übergehen und beim Verkäufer bleiben. Gleiches gilt aber auch für etwaige Forderungen, etwa gegen die Krankenkassen.

Anders ist dies beim Erwerb von Anteilen an einer Gemeinschaftspraxis oder einer Therapie-GmbH.

Umgang mit Patientendaten

Wichtig ist auch der Patientendatenschutz. Der Praxiskaufvertrag muss Klauseln zum sogenannten Zwei-Schrank-Modell beinhalten: Der Erwerber darf erst dann die Patientenkartei des jeweiligen Patienten des Abgebers schauen, wenn der konkrete Patient zugestimmt hat. Die Zustimmung sollte aus sollte schriftlich erfolgen und dokumentiert werden. Bis dahin arf der Erwerber nicht in den Aktenschrank bzw. in den entsprechenden Datenbankeintrag der Praxissoftware zu diesem Patienten hineinschauen. Verstöße führen zur Nichtigkeit des Kaufvertrages und zur Strafbarkeit gemäß § 203 StGB.

Regelungen für Krankheit, Tod etc. festhalten

Es müssen Regelungen für Krankheit, Berufsunfähigkeit oder Tod des Verkäufers und auch des Käufers aufgenommen werden. Tritt dies beim Verkäufer ein, wollen beide Seiten meist die Praxisübernahme zeitlich vorziehen. Bereits bei den Vertragsverhandlungen muss aber geprüft werden, ob der Käufer dies überhaupt realisieren könnte.

Kann der Käufer die Praxis plötzlich nicht mehr übernehmen, hängt es vom Einzelfall ab, ob es sinnvoller ist, dass der Verkäufer die Praxis noch fortführt, anderweitig verkauft oder aber, ob man den Käufer bzw. seine Erben gleichwohl am Kaufvertrag festhält. Schließlich ist es juristisch nicht Sache des Verkäufers, ob der Käufer oder seine Familie noch etwas mit der Praxis anfangen können. Der Käufer kann einige Risiken durch Abschluss einer kurzlaufenden Risikolebensversicherung reduzieren.

Wettbewerbsverbot für den Verkäufer

Wichtig ist es, ein Wettbewerbsverbot zu vereinbaren, denn der Verkäufer der Praxis bekommt für den guten Ruf der Praxis, die Umsatz- und Gewinnerwartungen den immateriellen Teil des Praxiskaufpreises. Diesen darf er nicht weiter verwerten, in dem er sich um Umkreis der Praxis selbstständig macht oder anstellen lässt. Im Praxiskaufvertrag sind die räumliche, zeitliche und inhaltliche Reichweite des Wettbewerbsverbots festzulegen; dies sollte immer mit anwaltlicher Hilfe geschehen, denn bei zu weitreichenden Wettbewerbsverboten werden diese unwirksam. Hier gilt: nach fest kommt ab.
 


Dr. Dr. Thomas Ruppel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht. Er und sein Team beraten Heilmittelerbringer:innen in allen Rechtsfragen rund um die Praxis. www.gesundheitsrecht.de

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