Die Formfehler-Falle: Ärger um Retaxierungen

Immer wieder kommt es zu Absetzungen aufgrund von Formfehlern auf Verordnungen. Verbände und Aktionen, wie #druckaufGKV, weisen regelmäßig auf den damit verbundenen bürokratischen Aufwand für Therapeut:innen hin.

Junge Frau macht sich Notizen am Laptop

Pünktlich zur Weihnachtszeit war es wieder einmal soweit: Eine Welle von Absetzungen rollte Ende letzten Jahres auf viele Heilmittelpraxen zu. Der Grund: Einige Kostenträger widmeten sich offenbar kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist massenhaft der rückwirkenden Prüfung von fehlerhaften Verordnungen. Sie bescherten damit zahlreichen Therapeut:innen ein Mahnverfahren auf dem Gabentisch. „Fatal ist dabei vor allem die Menge an Absetzungen, bei denen es sich lediglich um kleine Beträge, wie eine fehlerhafte Hausbesuchspauschale, handelt“, so Bettina Simon, Vorstandsmitglied im Deutschen Verband Ergotherapie e.V. (DVE). Dabei sei nur ein Teil berechtigt gewesen. Dennoch müsse jeder einzelne Fall von den Therapeut:innen geprüft werden: Es müssten etwa Patientenakten aus dem Archiv geholt oder Mitarbeitende befragt werden, die teilweise gar nicht mehr in der Praxis beschäftigt seien. „Der zeitliche Aufwand beim Heilen der Absetzungen rechtfertigt oft nicht die Höhe der Beträge, um die es da geht“, schildert Bettina Simon.

Prüfpflicht auf dem Prüfstand

Sie sind ein Ärgernis für alle, die mit der Abrechnung von Heilmittelverordnungen zu tun haben: Formfehler, welche die Therapeut:innen zwar nicht verursacht, bei der Prüfung der Rezepte aber übersehen haben. Heilmittelerbringer:innen sind laut Rechtsprechung verpflichtet, Verordnungen auf korrekte Ausstellung zu prüfen. Fehlerhafte Verordnungen werden von den Krankenkassen nicht vergütet. „Diese Absetzungen sind im besten Fall nur ärgerlich, weil sie mit mal mehr, mal weniger Aufwand geheilt werden können und damit schließlich doch von den Kostenträgern übernommen werden. Im schlechtesten Fall allerdings übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Behandlungen nicht“, so Thorsten Vogtländer, Geschäftsführer im Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK) e. V. Die verordneten Leistungen haben die Patient:innen dabei längst von den Therapeut:innen erhalten.

#druckaufGKV prangert Misstände im Gesundheitswesen an

Im Herbst letzten Jahres erregte die Aktion #druckaufGKV mediale Aufmerksamkeit. Sie prangerte die Missstände im Gesundheitssystem an und rief Therapeut:innen auf, diese in Video-Botschaften an den GKV-Spitzenverband zu benennen. Die Resonanz war beachtlich und auch wenn es inzwischen still geworden ist um dem Hashtag #druckaufGKV, zeigt ein Blick in die Praxen, dass Vergütung, Retaxierung, Leistungsbeschreibung oder Bürokratieabbau die Branche angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels nicht weniger umtreiben. 

Offizielle Zahlen über die Höhe von Retaxierungen durch die gesetzlichen Krankenkassen gibt es nicht. Die Initiatoren der Aktion gehen aber aufgrund von Zuschriften davon aus, dass Praxen im Heilmittelbereich monatlich allein aufgrund von Formfehlern durchschnittlich 300 € vorenthalten würden. Für alle Heilmittelbereiche zusammen und ergänzt um die Apotheken kommt #druckaufGKV auf eine Retaxierungs-Summe von insgesamt 362,5 Millionen € aufgrund von Formfehlern pro Jahr. „Grundsätzlich hängt die Zahl der fehlerhaften Verordnungen in den Praxen stark von den verordnenden Ärzten ab“, so Thorsten Vogtländer. So seien Praxen je nach Einzugsgebiet mehr oder weniger von Absetzungen aufgrund von Formfehlern betroffen. 

Zu den häufigsten Absetzungsgründen gehören nach einer anonymisierten Auswertung der Abrechnungen bei Optica:

  • Die gesetzliche Zuzahlung wurde nicht berücksichtigt.
  • Die Fristen zum Beginn und zur Unterbrechung von Behandlungen wurden nicht eingehalten.
  • Hausbesuche wurden falsch abgerechnet.
  • Stationäre Behandlungen wurden nicht berücksichtigt.
  • Die Verordnungsmenge wurde überschritten.

Steter Tropfen höhlt den Stein

Die vermehrten Absetzungen Ende 2022 betrafen neben einer falschen Hausbesuchspauschale vor allem die Frage, ob es bei der Änderung des Ausstellungsdatums neben der Unterschrift noch einmal des Datums über den Tag der Änderung bedarf. „Solche Absetzungswellen machen viele Therapeut:innen ratlos mit Blick auf die Zukunft, wo sich womöglich schon der nächste Sturm anbahnt“, so Bettina Simon. Dabei begegnen die Verbände dem gestiegenen Beratungsbedarf etwa mit praktischen Hilfen, indem alte Preislisten aus der Zeit vor dem gemeinsamen Bundesrahmenvertrag herausgesucht werden. Außerdem bleibe man mit den Krankenkassen und gesundheitspolitischen Akteuren im Gespräch. „Das ist ein Prozess, an dem wir kontinuierlich weiterarbeiten“, so Thorsten Vogtländer. So stehe fortwährend die Frage auf der Agenda der Verbände, wo es Punkte im Rahmenvertrag oder in der Heilmittelrichtlinie gibt, die sich fehlentwickeln. 

„Mit Blick auf die aktuellen Fälle ist es eines unserer Anliegen, dass zukünftig bei der Änderung des Ausstellungsdatums das geänderte Ausstellungsdatum als Datumsangabe genügt. Das steht aber aktuell der Heilmittelrichtlinie entgegen, die regelt, dass Änderungen im Stammdatenfeld nur durch Unterschrift und Datum Gültigkeit erlangen“, beschreibt Thorsten Vogtländer die unterschiedlichen Fronten, an denen der Bürokratieabbau im Heilmittelbereich ausgetragen wird. Die Heilmittelrichtlinie stehe in der Normenhierarchie über dem Bundesrahmenvertrag. Und sie kann nur vom Gemeinsamen Bundesausschuss geändert werden, in dem Heilmittelerbringer:innen nicht vertreten sind. Ein anderes Beispiel sei der Einzug der Zuzahlung, der nach dem Wunsch der Verbände zukünftig über die Krankenkassen erfolgen soll. Das sei jedoch gesetzlich so geregelt und bedarf deswegen vorab einer Gesetzesänderung. „Dazu sind wir in stetem Austausch mit unseren Kontakten im Bundesgesundheitsministerium, in den Fraktionen und im Gesundheitsausschuss: Steter Tropfen höhlt den Stein“, so Bettina Simon. 


Mit Optica Absetzungen vermeiden

Was also können Leistungserbringer:innen tun, wenn Absetzungen sich in der Praxis häufen? Zehn Tipps, mit denen Sie Absetzungen vermeiden können, haben wir für Sie in unserem Wissenswert-Beitrag „Wie kann ich selbst Absetzungen vermeiden?“ zusammengetragen. Wie Sie mit unseren Lösungen Absetzungen reduzieren erfahren Sie hier. Darüber hinaus stehen Ihnen unsere Kundenberater:innen gerne zur Verfügung.   

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