Optica im Gespräch zur MDR: Das müssen Hilfsmittelerbringer:innen jetzt tun

Im Gespräch mit Stephan Jehring, Präsident des ZVOS, und Ulf Doster, Mitglied des Vorstands von Sanitätshaus Aktuell.

Optica im Gespräch zur MDR

Wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen der MDR im Arbeitsalltag von Hilfsmittelerbringer:innen?
Ulf Doster: Hilfsmittelerbringer/innen müssen ihre Dokumentation und Prozesse neu justieren. So soll der Fluss von Medizinprodukten am Markt nachvollziehbar werden. In der Warenwirtschaft im Sanitätsfachhandel werden beispielsweise verstärkte Kontrollen im Wareneingang nötig.  
Stephan Jehring: Die große Herausforderung ist, dass das Produkt jetzt von der Auftragsannahme bis zur Entsorgung betrachtet werden muss. So ist es im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung beispielsweise erforderlich, einen Nachkontrolltermin zu vereinbaren, der sicherstellen soll, dass das Produkt weiterhin mängelfrei einsatzfähig ist. 

Welche Dokumentationspflichten kommen auf Hilfsmittelerbringer:innen zu?
Ulf Doster: Im Grunde müssen Hilfsmittelerbringer:innen aktiv alle Daten im gesamtem Lebenszyklus von Medizinprodukten dokumentieren: Wie lauten die Stammdaten zum Produkt? Gibt es Gefahren in der Anwendung und Vorsichtsmaßnahmen? Wie lässt sich die Lieferkette nachvollziehen? Wurden Veränderungen am Produkt vorgenommen? Gibt es Vorkommnisse in der Anwendung?
Stephan Jehring: In der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e.V., kurz DGIHV, haben sich Hilfsmittelverbände, Unternehmen und Experten zusammengeschlossen und neben Leitfäden zur MDR beispielsweise auch Erhebungsbögen erstellt. Darin werden alle Dokumentationspflichten abgefragt und die Bögen stehen unseren Mitgliedern kostenfrei zu Verfügung. Das haben die Verbände umfassend vorbereitet, so dass sich keiner mehr selber Gedanken machen muss. 

„Die große Herausforderung ist, dass das Produkt jetzt von der Auftragsannahme bis zur Entsorgung betrachtet werden muss. So ist es im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung beispielsweise erforderlich, einen Nachkontrolltermin zu vereinbaren, der sicherstellen soll, dass das Produkt weiterhin mängelfrei einsatzfähig ist.“

Stephan Jehring, Präsident des Zentralverband Gesundheitshandwerk Orthopädieschuhtechnik

Wie können Hilfsmittelerbringer:innen die MDR sinnvoll in ihren Arbeitsalltag integrieren?
Ulf Doster: Das gelingt über ein Qualitätsmanagement, das jetzt an die Vorgaben der MDR angepasst werden muss. Schließlich müssen die neuen oftmals digitalen Prozesse, wie zum Beispiel die Dokumentationspflichten, praktisch ins Unternehmen integriert, regelmäßig geprüft und neu bewertet werden. Wir haben unseren Mitgliedern viele Informationen dazu zusammengestellt.
Stephan Jehring: Wer seine Dokumentationen fortlaufend in Ordnung hält, wird im Jahr nicht mehr als einen Tag brauchen für Audits, Prüfungen und Anpassungen. In den meisten Betrieben ist das schon heute Standard. Grundsätzlich sind die MDR-Anforderungen an ein Qualitätsmanagement zu begrüßen. Das trägt zu einer höheren Güte in der gesamten Branche bei. 

Welche Fragen sollten sich Hilfsmittelerbringer:innen jetzt stellen?
Stephan Jehring: Ist mein Qualitätsmanagement in Ordnung? Habe ich die Erhebungsbögen gesichtet und an mein Unternehmen angepasst? Halte ich die geforderten klinischen Bewertungen und ein Risikomanagement vor? Sind Anpassungen der Gebrauchsanweisungen nötig? Hierfür haben wir Mustertexte als praktische Hilfestellung erstellt.  
Ulf Doster: Weitere Fragen könnten zum Beispiel sein: Sind die zentralen Anforderungen bekannt und umgesetzt? Hält meine Software ein MDR-konformes Update bereit? Oder: Bin ich noch Händler:in oder schon Hersteller:in? Das kann manchmal fließend sein. Als Händler:in bezeichnet die MDR Personen oder Betriebe, die ein Produkt am Markt bereitstellen. Hersteller:in ist hingegen, wer ein Produkt mit dem Ziel der Vermarktung unter eigenem Namen herstellt, aufbereitet, als neu entwickelt oder als neu aufbereitet.

Weitere Hinweise zur Umsetzung der MDR erhalten Hilfsmittelerbringer:innen hier:

 ZVOS    DGIHV    Sanitätshaus Aktuell

 

Was müssen die Betriebe jetzt konkret tun?
Ulf Doster: Sie müssen für den eigenen Betrieb sehr individuell prüfen, welche Maßnahmen noch zu ergreifen sind. Das geht gut durch eine Maßnahmenliste, die sie strukturiert abarbeiten. So lässt sich nachweisen, dass die Anforderungen an die MDR erfüllt sind. Das ist im Rahmen des Qualitätsmanagements gleichzeitig ein fortwährender Prozess. 
Stephan Jehring: Die Betriebe sollten sich die Vorlagen des DGIHV besorgen. Die eigenständige Umsetzung der Vorgaben ist sehr komplex. Wir haben dafür mit externen Beratungsfirmen gearbeitet, so dass alles standardisiert vorliegt.

Sehen Sie die Betriebe gut vorbereitet?
Stephan Jehring:
In den Dokumenten des DGIHV ist alles gut vorbereitet und erklärt. Unser Ziel war es, die Umstellung für die Kolleg:innen so einfach wie möglich zu machen. 
Ulf Doster: Die Herausforderung wird sein, dass man die MDR leben lernt und komplett in die eigenen Prozesse integriert. Wir sehen unsere Händler:innen gut gerüstet, aber es wird auch Justierungen geben. Die Betriebe werden in einen stetigen Verbesserungsprozess kommen müssen und das werden wir als Gruppe unterstützen.  

Kommen Kostensteigerungen auf die Betriebe zu?
Ulf Doster: Wir rechnen mit Kostensteigerungen von etwa zehn Prozent aufgrund komplexerer Prozesse und gestiegener Dokumentationsanforderungen. Diese werden aktuell nicht durch die Krankenkassen abgedeckt. Die Verbände sind dazu mit den Krankenkassen im Gespräch.

Herzlichen Dank für das Gespräch!
 

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