Recruiting: Worauf es bei der Suche nach neuen Mitarbeiter:innen ankommt
Fachkräftemangel ist das Thema der Stunde. Schließlich gelten die Berufe der Physio-, Ergo- und Sprachtherapie auch nach den aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ganz offiziell als sogenannte Engpassberufe. Und die Situation spitzt sich immer weiter zu. „Noch vor gut 15 Jahren konnten Physiotherapiepraxen, die eine Stelle zu besetzen hatten, rein rechnerisch zwischen fünf arbeitslosen Physiotherapeut:innen aussuchen,“ rechnet Ute Repschläger, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK), vor. Doch inzwischen habe sich das Verhältnis umgekehrt: „Arbeitssuchende Physiotherapeuten wählen nun aus knapp vier freien Stellen das attraktivste Jobangebot (für sie) aus.“
Für Praxisinhaber:innen heißt das, alles dafür tun zu müssen, zu diesen Auserwählten zu gehören. Denn das hat nichts mit Glück oder Zufall zu tun, wie das Beispiel von Elisa und Kristian Kroth von der Physio Family aus Koblenz zeigt. Binnen anderthalb Jahre schafften sie es, ein Team von zehn Therapeut:innen aufzubauen. Und der Höhenflug geht weiter. „Wir bekommen fast wöchentlich Initiativbewerbungen“, berichtet Kristian Kroth stolz. Um so weit zu kommen, schießen die beiden in Sachen Employer Marketing – also dem strategischen Aufbau einer Arbeitgebermarke – aus allen Rohren. Vor allem im digitalen Bereich ist die Physio Family sehr präsent. So werden regelmäßig Insta-Reels oder TikTok-Clips veröffentlicht, mit „Praxisgeflüster“ gibt es sogar einen eigenen Podcast, der auf Spotify und Co. zu hören ist, und mit dem „Ersten Deutschen Physio TV“ ging auf YouTube eine Art Nachrichten-Persiflage mit News aus der Praxis auf Sendung.
In den meisten Marketingmaßnahmen der Koblenzer spielen die Patient:innen nicht die Hauptrolle, von ihnen gibt es sozusagen mehr als genug. Knapp ist aktuell vor allem die Ressource Fachkraft. Von daher stellt sich für die Kroths auch nicht die Frage, ob sich all der Aufwand für ein paar neue Mitarbeiter:innen tatsächlich lohnt. Denn diese sind genau das, was die Physio Family von der Konkurrenz in der Umgebung unterscheidet.
Manche Praxisinhaber:innen hoffen noch, es würde reichen, eine Anzeige in der Zeitung zu schalten, wenn eine Stelle neu zu besetzen ist. Doch zum einen ist dies dann meist viel zu spät (siehe auch Interview auf Seite 11), und zum anderen sollte man Recruiting immer dort betreiben, wo sich die Zielgruppe aufhält. Und das ist – zumindest wenn man jüngere Therapeut:innen adressieren möchte – nun einmal nicht mehr die örtliche Tageszeitung, sondern vielmehr das Netz. Nach einer aktuellen Studie des Personalvermittlers Randstad ist Google mit 27 Prozent inzwischen der wichtigste Kanal für die Stellensuche geworden, wichtiger auch als Jobbörsen, Jobvermittlungen und Jobmessen. Und wichtiger als das Arbeitsamt sowieso.
Doch ein anderer Weg könnte Google bereits in diesem Jahr den Rang ablaufen. Denn während 2021 erst 10 Prozent aller Stellensuchenden für ihre Suche Social Media nutzten, waren es 2022 bereits 21 Prozent. Gerade wer junge Therapeut:innen ansprechen will, kommt nicht umhin, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Und nicht nur, indem man sich halbherzig mit seiner Praxis bei Facebook anmeldet, sondern sich auch mit bei den Jüngeren deutlich angesagteren Plattformen wie Instagram, TikTok und Snapchat auseinandersetzt. Dies macht man natürlich am besten, indem man selbst auf der Social-Media Klaviatur spielt und entsprechende Beiträge postet, zumindest jedoch, indem man dort Stellenanzeigen schaltet. Diese können dann zielgruppenspezifisch ausgespielt werden und erreichen auch unabhängig von der Reichweite des eigenen Accounts den gewünschten Empfängerkreis.
Wer es als Praxisinhaber:in geschafft hat, das Interesse von arbeitssuchenden oder wechselwilligen Therapeut:innen zu wecken, sollte zudem nicht den Fehler machen, erst einmal die sprichwörtlichen aussagefähigen Bewerbungsunterlagen einzufordern. Stattdessen empfehlen Recruiting-Experten, den Aufwand für potenzielle Bewerber:innen so gering wie möglich zu halten und sie möglichst nicht vom Haken zu lassen. Die junge Zielgruppe ist es gewohnt, Dinge mit einem Klick – also schnell und digital – zu bekommen. Der langwierige Prozess von schriftlicher Bewerbung, Vorstellungsgespräch etc. wird deshalb oft als unnötig angesehen. Die Zeiten haben sich geändert: Nicht die Therapeut:innen müssen sich bei der Praxis bewerben, vielmehr ist die Praxis die Werbende, die attraktiv sein und sich entsprechend präsentieren muss. Fachleute sprechen hier von einem Paradigmenwechsel.
Das alles kann auf Seiten der Arbeitgeber:innen als lästig empfunden werden, irgendwie auch als „falsch“. Oder man kann es annehmen und das Beste daraus machen. So wie Elisa und Kristian Kroth aus Koblenz. Nachdem sie letztes Jahr einen Physio-Family-Rap aufgenommen haben, soll jetzt noch ein weiterer Song in moselfränkischer Mundart folgen. Nicht nur, weil sie dann wieder etwas zu posten haben, auf das Bewerber:innen aufmerksam werden könnten, sondern auch, weil es für sie selbst und das ganze Team ein „großer Spaß“ ist.
TOP 7 für eine erfolgreiche Mitarbeitergewinnung
- Recruiting in langfristige Praxis-Strategie einbinden
- Positionierung als attraktiver Arbeitgeber
- Aktive Suche nach Mitarbeiter:innen über persönliche Netzwerke
- Nutzen digitaler Kanälen für die Platzierung von Stellenangeboten
- Wertschätzende Behandlung der Bewerber:innen und schnelle Abläufe
- Langfristige Beziehungspflege zu interessanten Kandidat:innen
- Wahrnehmung der Recruiting-Kosten als Investition