Studie bestätigt: Keine Verbesserungen durch MDR

Die Europäische Verordnung über Medizinprodukte (MDR) ist seit etwas mehr als zwei Jahren in Kraft. Eine Umfrage der FH Münster, an der auch Optica mitwirkte, zeichnet nun ein kritisches Stimmungsbild.

Illustration: MDR

Die Implementierung der MDR stellt Hilfsmittelbetriebe vor Herausforderungen

Die MDR sah wesentliche Neuerungen bei der Regulierung von Medizinprodukten im Sinne der Patientensicherheit vor. Grundlage der Studie des Fachbereichs Physikingenieurwesen der FH Münster war die Frage, wie gerade kleine und mittelständische Unternehmen im Hilfsmittelbereich die Implementierung fast zwei Jahre nach dem Geltungsbeginn bewältigt haben. Dazu wurden vom 1. Februar bis zum 15. März 2023 233 Personen befragt. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Implementierung für alle Betriebe der Hilfsmittelbranche unabhängig von der Größe eine Herausforderung darstellt. Besonders treten dabei die Anforderungen an die technische Dokumentation, ein höherer Ressourcenaufwand und Kostenanstieg sowie die erhöhten Anforderungen an die klinische Überwachung nach dem Inverkehrbringen hervor. Verbesserungen durch die MDR sieht die überwiegende Mehrheit der Befragten, nämlich 70 %, nicht. Stattdessen sehen sie vor allem Mehrkosten (87 %), Mehraufwände in der technischen Dokumentation (81 %), ein verkleinertes Produktportfolio (ein Drittes der Befragten) und Schwierigkeiten, innovative Produkte auf den Markt zu bringen, als direkte Folgen der MDR. Es fehlen finanzielle, aber auch personelle Ressourcen, um den gestiegenen Anforderungen an Sonderanfertigungen, die klinische Bewertung sowie Nachbeobachtung gerecht zu werden. 

Betriebe sehen sich durch MDR teilweise in Existenz bedroht

Die Umfrage zeigt, dass 45 % der Befragten ihre Kenntnis zu den Neuerungen als gut bis sehr gut beschreiben. Dabei nehmen 44 % die Implementierung jedoch als sehr oder gar extrem herausfordernd wahr. 25 % der Studienteilnehmenden sehen sich aufgrund der MDR zumindest teilweise in ihrer Existenz bedroht. Ein MDR-konformes Qualitätsmanagement (QM) haben erst 46 % der Befragten etabliert. Über ein zertifiziertes QM verfügen allerdings bereits 86 %. 76 % der Befragten sind gemäß Art. 2 MDR Hersteller von Sonderanfertigungen. Dabei meinen aber nur 37 %, die erhöhten Anforderungen erfüllen zu können. Ihnen fehlen vor allem die personellen Ressourcen. Nur 26 % haben die finanziellen Mittel, diese umzusetzen. 21 % fühlen sich dem Mehraufwand der Dokumentation gewachsen und nur 8 % der Befragten verfügen über ausreichend Ressourcen, um eine klinische Bewertung für ihre Produkte durchführen zu können. 

Verbände sehen Belange der Branche in MDR nicht berücksichtigt

Branchenvertreter:innen überraschen die Ergebnisse wenig. „Was die eigentliche Zielsetzung der MDR anbelangt sehen wir im Ergebnis bestätigt, dass hier die Befragten nur einen geringen Nutzen erkennen. Das wundert nicht, handelt es sich doch bei den betreffenden Versorgungsbereichen überwiegend um Produkte der Risikoklasse 1 und damit grundsätzlich sehr risikoarme Medizinprodukte und Hilfsmittel“, so Lars Jäger, Mitglied des Vorstands im Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT). Insofern untermauere das Ergebnis die Beurteilung des Verbands: Die MDR berücksichtigt nicht in angemessener Weise die Belange der Branche und definiert überzogene Verpflichtungen ohne entsprechende Nutzenvorteile für die Versorgungsqualität und die Patientensicherheit. 

Delta zwischen Nutzen und Aufwand für risikoarme Hilfsmittel verringern

Auch für Bettina Hertkorn-Ketterer, Rechtsanwältin im Gesundheitswesen, passen die Regelungen der MDR oft nicht zum Lebensalltag der Hilfsmittelerbringer:innen: „Es bleibt ein Rätsel, warum die Politik in Zeiten akuter Personalnot glaubt, durch mehr Bürokratie Probleme lösen zu können.“  Es bedürfe dringend realitätsnaher Anpassungen an Marktgegebenheiten, insbesondere in Versorgungsbereichen mit niedrigem Risiko. Lars Jäger ergänzt: „Perspektivisch wäre es wünschenswert, wenn spezielle Auslegungsbestimmungen für Sonderanfertiger eingeführt werden, um das Delta zwischen Nutzen und Aufwand für unsere Betriebe deutlich zu verringern und damit mehr Handhabbarkeit im betrieblichen Alltag zu erzielen.“
 

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