Umsatzsteuer in der Heilmittelpraxis

Behandlungsleistungen sind grundsätzlich nicht umsatzsteuerpflichtig. Wo die Umsatzsteuer trotzdem mitgedacht werden muss und wo Fallstricke lauern.

Wenn in einer Heilmittelpraxis plötzlich Umsatzsteuer anfällt, sind die Überraschung und die dadurch entstehenden Schäden oft groß. Wie diese Schäden vermieden werden können und wo Fallstricke lauern, erläutert Rechtsanwalt Jan-Henri Haschke (Rechtsanwälte – Fachanwälte Dr. Dr. Ruppel).

Der Grundsatz: Umsatzsteuerfreiheit

Heilmittelerbringer:innen erbringen ihre Leistungen an sich umsatzsteuerfrei. Das heißt, auf die Abrechnung – sei es an die Krankenkassen oder an Selbstzahler – wird keine Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) aufgeschlagen. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass Heilmittelerbringer:innen bezahlte Umsatzsteuer – etwa beim Kauf eines Laptops, einer Liege oder bei der Rechnung des Steuerberaters – nicht vom Finanzamt erstattet bekommen.

Wichtig ist daher, dass Sie als Heilmittelerbringer:innen rechtzeitig darauf achten, obIihre eigenen Leistungen ausnahmsweise nicht von der Umsatzsteuer befreit sind und dass Sie selbst vor allem umsatzsteuerfreie Leistungen beziehen:

Grundsätzlich sind Behandlungsleistungen in Heilmittelpraxen gemäß § 4 Nr. 14 lit. a) Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit. Damit die Leistung auch umsatzsteuerfrei bleibt, den Patient:innen also nicht eine Rechnung zuzüglich Umsatzsteuer ausgestellt werden muss, kommt es darauf an, ob diese Leistung als Heilbehandlung angesehen wird. Heilbehandlungen sind nach der einschlägigen Rechtsprechung solche, die ein therapeutisches Ziel verfolgen, die Leistung also der Diagnose, Behandlung und Heilung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung dient.

Wenn eine Leistung nach ärztlicher Verordnung mittels Kassen- oder Privatrezept durch eine:n (Zahn-)Ärzt:in oder Heilpraktiker:in ausgelöst wird, ist diese umsatzsteuerfrei. Aber auch Leistungen, die nicht von einer Verordnung umfasst sind – z.B weil die Verordnung nur eine bestimmte Anzahl Leistungen vorgesehen hatte, die Leistung generell eine Selbstzahlerleistung ist, etc. – können umsatzsteuerfrei sein. Wichtig hierfür ist, dass ein:e Ärzt:in oder Heilpraktiker:in im Vorfeld festgestellt hat, dass durch die Leistung des oder der Heilmittelerbringer:in eine Krankheit behandelt werden soll. Da der oder die Heilmittelerbringer:in dies im Zweifel gegenüber dem Finanzamt beweisen muss, muss die entsprechende medizinische Feststellung dokumentiert werden, etwa durch Arztbriefe, Atteste, Erklärungen der Patient:innen über Fortbestehen der festgestellten Krankheiten etc..

Die (gefährlichen) Ausnahmen

Wenn kein therapeutisches Ziel erfüllt wird, ist die jeweilige Leistung der Praxis umsatzsteuerpflichtig. Auch der Verkauf von Waren in der Praxis unterliegt der Umsatzsteuer.

Diese Umsatzsteuerpflicht ist aber solange unschädlich, wie die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen (inkl. Warenverkäufe) der Praxis die Kleinunternehmergrenze nach § 19 UStG von (derzeit) jährlich 22.000 Euro umsatzsteuerpflichtigen Umsatzes nicht übersteigen, da in diesem Fall trotz grundsätzlicher Umsatzsteuerpflicht keine Umsatzsteuer zu zahlen ist.

Folgen bei Umsatzsteuerpflicht

Greift die Kleinunternehmerregelung nicht mehr, hat dies gravierende Auswirkungen für Heilmittelerbringer:innen, denn in den meisten Fällen wird eine Umsatzsteuerpflicht erst zu spät bemerkt. Die Folge ist eine Nachzahlung von Umsatzsteuer in teils empfindlicher Höhe. Dies bringt zwei Probleme mit sich:

Zum einen wurden vermutlich – wenn die Umsatzsteuerpflichtigkeit der erbrachten Leistungen unbekannt war – keine entsprechenden Rücklagen gebildet. Je nach Höhe des steuerpflichtigen Umsatzes können hier ernsthafte Liquiditätsengpässe entstehen.

Zum anderen wird es nahezu unmöglich sein, die Umsatzsteuer nachträglich von den Patient:innen zu erlangen. Neben den organisatorischen Problemen, die das Nachfordern von Umsatzsteuer bei einer Vielzahl von Patient:innen mit sich bringen würde, werden die wenigsten Praxisinhaber:inn ihren Patientenstamm damit abschrecken wollen, dass dieser – Monate oder sogar Jahre später – unerwartet die (auf den Einzelnen bezogen natürlich verhältnismäßig) geringen Umsatzsteuersummen nachzahlen soll. Hier droht zudem ein hoher Organisations- und Kommunikationsaufwand, der natürlich nicht vergütet wird.

Es ist also dringend zu empfehlen, das Thema der etwaiger Umsatzsteuerpflicht der angebotenen Leistungen und Waren in der Praxis nicht zu ignorieren, sondern mit dem Rechts- oder Steuerberater aktiv anzugehen.

Umsatzsteuer in Praxismietverträgen

Erhebliche Mehrkosten drohen in Praxismietverträgen. Wie eingangs beschrieben, stellen Heilmittelebringer:innen grundsätzlich keine Rechnungen mit Umsatzsteuer aus – erhalten aber auch gezahlte Umsatzsteuer (etwa bei zu bezahlenden Rechnungen) nicht erstattet.

Dies kann in Praxismietverträgen zum Problem werden. Denn anders als bei der Wohnungsmiete sind Praxisvermietungen häufig nicht umsatzsteuerfrei. Dies ist immer dann möglich, wenn der oder die Vermieter:in sich für eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung entscheidet und es sich um einen „Altbau“ handelt – das sind solche Gebäude, deren Bau vor dem 11.11.1993 begonnen und die vor dem 01.01.1998 fertiggestellt wurden (siehe § 27 Abs. 2 lit. c) UStG). Wenn es sich um jüngere Gebäude handelt, darf der oder die Vermieter:in immer noch dann zur Umsatzsteuer optieren, wenn der bzw. die Heilmittelerbringer:in umsatzsteuerpflichtige Leistungen über der oben schon genannten Kleinunternehmergrenze erbringt.  

Wichtig ist es daher, dass im Mietvertrag vereinbart wird, dass Ihr:e Vermieter:in nicht zur Umsatzsteuer optieren darf; auch Klauseln, wonach die Vermietung „zuzüglich Umsatzsteuer“ erfolgt, sind für Sie als Heilmittelerbringer:in schädlich. Denn ist die umsatzsteuerfreie Vermietung nicht extra vereinbart, haben Sie kein Mitspracherecht, ob Ihr:e Vermieter:in zur Umsatzsteuer optiert oder nicht. D.h. wenn Ihr:e Vermieter:in die Umsatzsteueroption anwendet, erhöht sich die monatliche Miete sofort um die jeweilige Umsatzsteuer, derzeit also um 19 Prozent.

Rechenbeispiel: Therapeut T mietet für 2.000 € pro Monat Praxisräume. Er hat einen 10-Jahres-Vertrag geschlossen. Optiert seine Vermieterin plötzlich zur Umsatzsteuer, muss T über 45.000 € mehr Miete bezahlen.

Bei Praxen, die auch umsatzsteuerpflichtige Leistungen über der Kleinunternehmergrenze erbringen, wird der Schaden etwas geringer, weil diese die an den oder die Vermieter:in gezahlte Umsatzsteuer zumindest anteilig vom Finanzamt erstattet bekommen. Dies ist jedoch nur in Höhe des Anteils der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Praxis an den Gesamtleistungen der Praxis möglich ( § 15 Abs. 4 UStG). Alle anderen Praxen erhalten diese Beträge gar nicht zurück.

 


Rechtsanwalt Jan-Henri Haschke und die Kanzlei Rechtsanwälte – Fachanwälte Dr. Dr. Ruppel beraten Heilmittelerbringer:innen in allen Rechtsfragen rund um die Praxis.
 www.gesundheitsrecht.de, kanzlei@gesundheitsrecht.de

!
Nutzen Sie schon eine Praxissoftware?