Notfallkoffer – die Praktische Umsetzung von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Die eigene Praxis und die Familie auf einen plötzlichen, länger andauernden medizinischen Notfall vorzubereiten, ist eine unbeliebte, aber notwendige Aufgabe. Rechtsanwalt Dr. Dr. Thomas Ruppel erläutert, wie dies ohne großen Aufwand geht:

Als Arbeitgeber:in rechtssicher handeln: Einstellung, Arbeitsvertrag, Kündigung

Gleich vorweg: Wir reden natürlich nicht von einem echten Koffer, indem Sie ihre wichtigsten Unterlagen aufbewahren. Und wir reden auch nicht davon, die Vorratskammer aufzustocken oder die Vorräte an Toilettenpapier. Vielmehr geht es darum, Ihnen praxisnahe Tipps an die Hand zu geben, wie Sie ihr Unternehmen auf eine Krise vorbereiten. Denn oft fehlt die richtige Vorsorge, obwohl das gar nicht so schwer ist, wie es zuerst einmal klingt.

Leider können jederzeit medizinische Situation eintreten, in denen der oder die Praxisinhaber:in über lange Zeit nicht ansprechbar ist und vertreten werden muss, etwa nach einem Verkehrsunfall oder einem Schlaganfall. In dieser ohnehin emotional hoch belastenden Zeit müssen die Praxis als Lebenswerk und Einnahmequelle weitergeführt und die Familie finanziell abgesichert werden.

Mögliche erbrechtliche Regelungen (Testament, Ehevertrag) gelten noch nicht, da der oder die Praxisinhaber:in nicht verstorben ist. Die juristische Vorbereitung auf diesen Vorsorgefall erfolgt durch Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.

Zur Erinnerung: Die Patientenverfügung richtet sich an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte und legt fest, welche Behandlungen der oder die Patient:in möchte oder ablehnt.

Die Vorsorgevollmacht ist eine Generalvollmacht, in dem Praxisinhaber:innen ihren Bevollmächtigten das Recht einräumen, ihn oder sie zu Lebzeiten – wenn er oder sie keinen Willen mehr bilden öder äußern kann -  zu vertreten und wesentliche rechtliche Entscheidungen zu treffen. Dazu gehören etwa private Rechtsgeschäfte, die Aufenthaltsbestimmung oder das Umgangsrecht, aber auch praxisbezogene Fragen wie eine Postvollmacht, das Einstellen von Mitarbeiter:innen, die Verlängerung oder Kündigung des Praxismietvertrages, das Unterschreiben der Steuererklärung oder notfalls der Verkauf oder die Schließung der Praxis. Es bietet sich an, dass bei der Auswahl der Vorsorgebevollmächtigten für den privaten Bereich und für die Praxis differenziert wird.

Die besten Vollmachten – das heißt das rechtliche Dürfen – bringen nichts, wenn die Bevollmächtigten den Willen nicht umsetzen können. Denn häufig fehlt es Mitarbeiter:innen und Familienangehörigen am spezifischen „Chefwissen“.

Die praktische Umsetzung der Vorsorgevollmacht kann daher in einem Notfallkoffer erfolgen.

Der Notfallkoffer kann durchaus ein physischer Koffer sein, genau so gut aber ein Ordner, ein verschlossener Umschlag oder eine Festplatte, auf der die wesentlichen Informationen gespeichert sind.

In den Notfallkoffer gehören etwa

  • Auflistung sämtlicher vorhandener Konten und eine Zuordnung zu Praxis/Privat
  • Auflistung anderer Vermögensgegenstände wie beispielsweise Aktiendepots usw.
  • Übersicht, wo sich praxisrelevante Verträge (Mietverträge, Arbeitsverträge, KFZ-Unterlagen) befinden
  • aktuelle Übersicht über alle für den Praxisbetrieb und privat relevanten Passwörter (PC, Server, Datenbanken usw.)
  • Kontaktdaten von wichtigen Ansprechpartnern wie Praxismitarbeiter, Steuerberater, IT-Support, Praxissoftwareanbieter
  • Lagerort von Schlüsseln für Praxis, KFZ usw.

Der Notfallkoffer kann am besten so zusammengestellt werden, dass eine typischer Monat einmal simuliert und überlegt wird, welche Entscheidungen anstehen. Wie viel Informationen der Notfallkoffer enthalten muss, hängt auch davon ab was Praxismitarbeiter:innen und Angehörige schon wissen.

Enorm wichtig ist es, dass der Notfallkoffer, sei er physisch oder digital stets aktuell gehalten wird. Mehrere Jahre alte Kontoübersichten oder veraltete Passwortlisten helfen im Notfall nicht weiter. Der Notfallkoffer besteht damit aus sehr wenig veränderlichen Dokumenten und Listen, zum anderen aus quasi wöchentlich zu aktualisierenden Aspekten. Er muss daher so angelegt werden, dass er auch im Alltagsstress wirklich aktuell gehalten wird. So können etwa Passwörter durchaus auf dem Praxisrechner (natürlich mit Backups) in verschlüsselten Dateien hinterlegt werden und müssen nicht ständig ausgedruckt ins Bankschließfach gelegt werden – wenn denn im Schließfach ein Hinweis darauf ist, wo man die digitale Passwortliste findet.

Aufgrund des hohen Missbrauchsrisikos muss die Vorsorgevollmacht bei einem neutralen Dritten – etwa einem Anwalt – liegen. Denn auch wenn der oder die Praxisinhaber:in sich bester Gesundheit erfreut, kann von ihr Gebrauch gemacht werden. Dort sollten sich alle missbrauchsgefährdeten Informationen des Notfallkoffers befinden.

Handelt es sich um eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, so ist in ist im Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, wie mit dem dauerhaften Ausfall eines Gesellschafters umzugehen ist, ob etwa die Gesellschaftsanteile einzuziehen der Wert auszuzahlen ist oder nicht. Das Vorhandensein eines Mitgesellschafters, der ohnehin über alle wesentlichen betrieblichen Informationen verfügt, erleichtert das Einrichten eines Notfallkoffers ungemein.

!
Nutzen Sie schon eine Praxissoftware?