Vorsorgevollmacht: Vorbereitet auf den Ernstfall

Woraus besteht eine Vorsorgevollmacht? Was ist der Unterschied zur Patientenverfügung? Und wie betrifft das den Praxisalltag? Dr. Dr. Ruppel gibt Ihnen einen Überblick.

Wenn der eigene Wille nicht mehr gebildet und geäußert werden kann, geht das Leben trotzdem weiter. Verträge müssen geschlossen oder gekündigt werden, ein Umzug – etwa in ein Heim – steht an, Post ist zu öffnen usw. Zwischen dem Eintritt dieses sog. Vorsorgefalls und dem Tod können Jahre vergehen. Anders als bei medizinischen Entscheidungen, bei denen die Patientenverfügung hilft, auf den mutmaßlichen Willen abzustellen, ist dies bei Rechtsgeschäften nicht möglich. Auch eine Vertretung durch Ehegatt:in oder die eigenen Kinder kennt das Gesetz nicht. D.h. insbesondere der oder die Ehegatt:in ist nicht berechtigt, Verträge für den anderen Ehepartner zu schließen oder zu kündigen.

Warum braucht man eine Vorsorgevollmacht?

Besteht keine Vorsorgevollmacht oder ist diese nicht ausreichend, bestellt das zuständige Amtsgericht eine:n Betreuer:in (früher: Vormund). Dies können entweder Ehrenamtliche - auch der oder die Ehegatt:in oder ein Freund bzw. eine Freundin sein - oder ein:e Berufsbetreuer:in. Die Qualität der Berufsbetreuer:innen ist sehr unterschiedlich, die Vergütung ist jedoch unterdurchschnittlich und die pro Patient:in veranschlagte Zeit kaum ausreichend. Die Vorsorgevollmacht sollte also zur Vermeidung einer Betreuung errichtet werden.

Woraus besteht eine Vorsorgevollmacht?

Die Vorsorgevollmacht wird als Generalvollmacht errichtet. Dies ist meinstens alternativlos, denn wenn eine inhaltlich begrenzte Vollmacht errichtet werden würde und sich nach Eintritt des Vorsorgefalls herausstellt, dass diese nicht ausreicht, müsste für diese Fälle doch ein:e Betreuer:in bestellt werden.

Die Vorsorgevollmacht als Generalvollmacht umfasst im sogenannten Außenverhältnis - so gegenüber Dritten - insbesondere das Recht

  • Verträge einzugehen und zu beenden
  • Vermögen anzulegen, auf Konten zuzugreifen
  • den Aufenthaltsort des Vollmachtgebers zu bestimmen
  • die Post zu öffnen
  • das Umgangsrecht auszuüben, also zu entscheiden, wer den Vollmachtgeber besuchen darf

usw.

Angesichts dieser Verantwortungs- und Machtfülle ist es auch gegenüber dem oder der wohlgesonnensten Vorsorgebevollmächtigten notwendig, Anweisungen und Hinweise auf die eigenen Wünsche zu geben. Da die Vorsorgevollmacht im sog. Außenverhältnis - gegenüber Dritten – als Generalvollmacht unbeschränkt gilt, ist es umso wichtiger, im Innenverhältnis – zwischen Vollmachtgeber:in und Bevollmächtigtem – klare Anweisungen zu geben, wie die Vollmacht zu nutzen ist.

Im Krisenfall fühlt sich diese:r sonst überfordert und alleingelassen, wenn er oder sie die Wünsche, Werte, und Ängste des Vollmachtgebers oder der Vollmachtgeberin nicht kennt. Alle Unsicherheiten und Irrtümer des oder der Vorsorgebevollmächtigten gehen zulasten des oder der Vollmachtgeber:in. Es ist daher sehr wichtig und auch unbedingt notwendig in einem sogenannten Wunsch-Werte-Angst-Profil deutlich zu machen, was  für Sie als Vollmachtgeber:in Lebensqualität ausmacht, was Sie gerne mögen – und was nicht:

  • Aufenthaltsort: Festlegungen über den Aufenhaltsort, z.B. dass man sehr gerne auch allein in seinem großen Haus leben möchte, verhindern etwaige Versuche von Schwiegerkindern, mit der Behauptung, der pflegebedürftige Schwiegervater hätte sich in dem Haus immer einsam gefühlt, einen Heimplatz zu finden und selbst in das Haus einzuziehen.
  • Umgangsrecht: Welche Personen sollen im Vorsorgefall keinen Zugang zu Vollmachtgeber oder Vollmachtgeberin haben?
  • Verbrauch von Geld: Sollen die finanziellen Mittel (vollständig) für die Versorgung des  oder der Vollmachtgeber:in eingesetzt werden oder möchte der bzw. die Vollmachtgeber:in auch für die Erben vorsorgen?
  • Freizeitaktivitäten: Es hilft Vorsorgebevollmächtigten viel besser, die Wünsche von Vollmachtgeber:innen umzusetzen, wenn diese wissen, ob der oder die Vollmachtgeber:in die Natur lieber im Wald oder vor dem Fernseher genießt
  • Essen & Trinken: Dies sind häufig die letzten verbleibenden Annehmlichkeiten und auch im hohen Alter möchte man nicht den Wein trinken, den man die Jahrzehnte zuvor abgelehnt hat
  • Musikpräferenzen, Lieblingsfernsehsendungen und Abneigungen: Es bedeutet keinen Mehraufwand, den richtigen Fernsehsender einstellen zu lassen – man muss es nur wissen.

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Wann gilt eine Vorsorgevollmacht?

Für die Vorsorgevollmacht sind weder Anwalt noch Notar notwendig. Ausnahmen gibt es nur, wenn der oder die Vollmachtgeber:in auch formbedürftige Rechtsgeschäfte, etwa den Verkauf von Eigentumswohnungen oder Häusern in der Zeit des Vorsorgefalls (zwischen beginnender Geschäftsunfähigkeit und Tod) vornehmen soll. Wenn dies erst nach dem Tod geschehen soll, benötigen Sie keinen Notar. Bei einer notariellen Vorsorgevollmacht müssen alle Änderungen wieder beim Notar beurkundet werden. Besser ist es daher, eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht zu machen und notarielle Einzelvollmachten für den etwaigen Verkauf von Eigentumswohnungen oder Häusern zu erteilen.

Größten Wert sollten Sie auf die Auswahl der richtigen Vorsorgebevollmächtigten legen. Diese sollte im Idealfall deutlich jünger als der/die Vollmachtgeber:in sein, in alltäglichen wirtschaftlichen Fragen kompetent sein und vor allem keine wirtschaftlichen Interessen an den Vermögenswerten des Vollmachtgebers haben. Er oder sie sollte auch nicht Erbe sein, damit diese:r nicht zu Lebzeiten des Vollmachtgebers auf dessen Kosten Geld spart, um selbst mehr zu erben. Diese hohen Anforderungen werden die meisten Aspiranten nicht erfüllen können – es wird in vielen Fällen schließlich auf die Ehegatten und die eigenen Kinder hinauslaufen.

Wichtig ist dabei, dass immer nur eine Person, niemals mehrere zugleich, Vorsorgebevollmächtigte:r ist. Andernfalls besteht die begründete Gefahr, dass die Vorsorgebevollmächtigten gegenläufige Entscheidungen treffen.
Beispiel: Mutter und Tochter sind zugleich Vorsorgebevollmächtigte. Sie streiten darüber, welches Krankenhaus für den Vater/Ehemann geeignet sei und kündigen und schließen jeweils eigene Behandlungsverträge. 

Es muss daher nicht nur eine Reihenfolge der Bevollmächtigten festgelegt werden, sondern auch, wann die Vollmacht entfällt (etwa bei Schwiegerkindern oder bei Scheidung vom eigenen Kind).
Beispiel: Zwei Vorsorgebevollmächtigte streiten sich über den künftigen Aufenthaltsort ihres Vollmachtgebers und „entführen“ diesen mehrfach von Nord- nach Süddeutschland, in dem sie im jeweiligen Heim vorgeben, mit diesem „spazieren gehen“ zu wollen.

Kann eine Vorsorgevollmacht missbraucht werden?

Während bei der Patientenverfügung keine Gefahr besteht, diese zu missbrauchen, ist dies bei der Vorsorgevollmacht anders. Denn die Vorsorgevollmacht als Generalvollmacht ist mit dem Aushändigen an den Vorsorgebevollmächtigten wirksam. Dieser kann davon auch noch vor Eintritt des Vorsorgefalles Gebrauch machen, z.B. auf Konten zugreifen, die Wohnung des Vollmachtgebers kündigen und andere erhebliche Schäden anrichten. Es ist daher ratsam, dass die Vorsorgevollmacht bei einem neutralen Dritten - etwa Ärzt:in, Anwält:in oder guten Freund:in - aufbewahrt wird und diese:r angewiesen wird, die Vorsorgevollmacht nur dann an den Vorsorgebevollmächtigten herauszugeben, wenn er oder sie sich vom Eintritt Vorsorgefalles wirklich überzeugt hat. So ist es etwa wenige Tage nach einer Krankenhauseinlieferung noch nicht notwendig, Verträge zu schließen oder zu kündigen oder die Wohnung aufzulösen – hier kann durchaus etwas abgewartet werden, ob der oder die Vollmachtgeber:in wieder in der Lage sein wird, selbst Entscheidungen zu treffen.

Beispiel: Wenige Tage nach Aufnahme einer Patientin mit einem Schlaganfall in ein Krankenhaus soll diese nach Hause entlassen werden – der Vorsorgebevollmächtigte hatte die Wohnung bereits gekündigt, die Patientin muss in ein Heim ziehen.

Angesichts des hohen Missbrauchspotenzials sollte immer nur ein Original der Vorsorgevollmacht existieren, welches bei einem neutralen Dritten liegt.

Vorsorgevollmachten in der Heilmittelpraxis

Gerade bei einwilligungsunfähigen Patient:innen ist es für Heilmittelerbringer:innen wichtig zu wissen, wer als Stellvertreter des oder der Patient:innen den Behandlungsvertrag schließt - oder wieder kündigt - und wer Empfänger:in etwa von Mahnungen ist. Daher sollte sich der oder die Heilmittelerbringer:in durch Blick in die Vorsorgevollmacht von der Vertretungsmacht des oder der Angehörigen überzeugen.

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