Schaufenster gematik: Weg mit den kleinen Zetteln

Seit Jahren wird hierzulande am E-Rezept gearbeitet, in einigen europäischen Ländern gehört es bereits zum Alltag von Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken und Patient:innen. Auch in Deutschland soll es nun verpflichtend eingeführt werden.

Telematikinfrastruktur und E-Rezept

500 Millionen kleine Zettel wandern jährlich in Deutschland mithilfe von Patientinnen und Patienten von der Arztpraxis zur Apotheke, werden dort gegen ein Arzneimittel eingetauscht – und dann weggeworfen. Es ist ein Ablauf, der von Millionen Menschen – von Akteuren des Gesundheitswesens wie von Patient:innen – seit Jahrzehnten eingeübt wurde und nun geändert werden soll. Aus dem papiernen Rezept soll bald das E-Rezept werden und somit nicht nur die Umweltsünde beheben, sondern eine ganze Reihe weiterer Vorteile bringen.

Schnelle Lösung mit dem Smartphone

Das Rezept ist digital gespeichert, und so können Patient:innen per Smartphone schon vorab bei der Apotheke ihrer Wahl anfragen, ob das gewünschte Medikament dort vorrätig ist. Auch online ist das E-Rezept einzulösen, ein Lieferdienst kann die Arznei nach Hause bringen. In der Apotheke selbst wird auf dem Smartphone ein QR-Code vorgezeigt, der alle nötigen Informationen enthält – nicht nur, welches Medikament ausgehändigt werden soll, sondern auch, welche Dosierung dafür nötig ist. Für alle, die kein Smartphone besitzen, lässt sich dieser Code auf einem Zettel ausdrucken und vorzeigen, dem Papier wird also eine kleine Hintertür offengehalten. Entwickelt hat das E-Rezept neben vielen anderen Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) die gematik in Berlin, die seit einigen Jahren mehrheitlich dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gehört. Hier wird die digitale Zukunft des Gesundheitswesens in Deutschland maßgeblich vorangetrieben. Und Deutschland ist bei dieser Entwicklung im europäischen Vergleich nicht allein, eher ein bisschen hintendran. Denn einige andere Länder sind beim papierlosen Rezept weiter: In Skandinavien und in Teilen Südeuropas ist man in Sachen Gesundheit insgesamt digitaler aufgestellt.

In Estland, Dänemark und Schweden, in Belgien und Portugal gibt es das E-Rezept bereits, verbunden mit der elektronischen Patientenakte (ePA), die in Deutschland ebenfalls von der gematik entwickelt wurde und die seit Anfang 2021 für alle gesetzlich Versicherten angeboten wird. In anderen europäischen Ländern wie Italien, England, Spanien, Frankreich oder den Niederlanden ist das E-Rezept begrenzt und noch nicht flächendeckend verfügbar, es fehlt eine national einheitliche technische Infrastruktur wie in Deutschland die TI.

In Österreich wurden nach Angaben der Österreichischen Sozialversicherung im ersten Halbjahr 2022 bereits 7,7 Millionen E-Rezepte ausgestellt, 82 Prozent der Arztpraxen und 93 Prozent der Apotheken nutzen es bereits. Dagegen nehmen sich die Zahlen in Deutschland kleiner aus: In einer Pressemeldung zeigte die gematik Ende Juli an, dass in Deutschland inzwischen 100.000 E-Rezepte eingelöst werden. Doch auch wenn der Start nicht eben raketengleich verläuft, die Weichen sind gestellt. Ab 1. September 2022 müssen die deutschen Apotheken E-Rezept-fähig sein und sind es nach Angaben des Deutschen Apothekerverbands längst.

Überfällige Revolution des Gesundheitswesens

Die Arztpraxen werden nun nachgezogen. Ursprünglich war eine E-Rezept-Pflicht dort bereits zum 1. Januar 2022 vorgesehen. Nun soll es – nach erfolgreichem Ablauf einiger regional begrenzter Pilotprojekte – im Frühjahr 2023 so weit sein. Das hat die Gesellschafterversammlung der gematik jüngst beschlossen, zu der neben dem BMG unter anderen als nächstgrößter Anteilseigner auch der GKV-Spitzenverband gehört. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist optimistisch: „Das E-Rezept wird sich in der Praxis bewähren und dann schnell bundesweit Anwendung finden. Es ist der Beginn der überfälligen digitalen Revolution in unserem Gesundheitssystem.“

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