Als Arbeitgeber:in rechtssicher handeln: Einstellung, Arbeitsvertrag, Kündigung

Welche Fragen darf ich im Vorstellungsgespräch (nicht) stellen? Was muss ich bei Arbeitsverträgen beachten? Rechtsanwalt Dr. Dr. Ruppel gibt Antworten.

Dr. Dr. Thomas Ruppel erklärt

Als Praxisinhaber:in und Arbeitgeber:in sollten Sie arbeitsrechtliche Kenntnisse haben – als Basis für erfolgreiche Mitarbeiter:innen und zur Mitarbeiterbindung, aber auch als Schutz vor arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Arbeitsrechtliche Vorgaben sind in den verschiedensten Bereichen zu beachten, von der Formulierung der Stellenausschreibung, über das Vorstellungsgespräch und den Arbeitsvertrag bis hin zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.

Wie gestalte ich eine diskriminierungsfreie Stellenanzeige?

Eine Stellenausschreibung muss geschlechtsneutral formuliert werden (z.B. Physiotherapeut (m/w/d)) und auch in anderen Punkten wie Alter, Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, sexuelle Identität diskriminierungsfrei sein. Verstöße gegen diese Punkte lassen Benachteiligung vermuten und abgelehnte Bewerber:innen können bei einem Verstoß gegen die Gleichbehandlung Schadensersatz (i.d.R. 3 Monatsgehälter) fordern. 

Tipp: Formulieren Sie Stellenanzeigen besonders sorgfältig und lassen Sie diese vor der Veröffentlichung gegenlesen.

Welche Fragen darf ich im Vorstellungsgespräch (nicht) stellen?

Haben Sie passende Kandidat:innen zum Vorstellungsgespräch geladen, möchten Sie diese bestmöglich kennenlernen. Dabei dürfen Sie jedoch nur Fragen stellen, die den Arbeitsplatz und die konkrete Tätigkeit betreffen: Fragen, an denen Arbeitgeber bzgl. der Durchführung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes, billigenswertes, schutzwürdiges Interesse haben sind erlaubt. Das betrifft z.B. Ausbildung, Qualifikation und beruflichen Werdegang sowie Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten oder Sprachkenntnisse, sofern diese für die Tätigkeit von Bedeutung sind.

Nicht erlaubt sind jedoch Fragen nach dem Privatleben der Bewerber:innen. Hier dürfen diese sogar lügen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Erlaubte Fragen müssen Bewerber:innen ehrlich beantworten, anderenfalls droht ihnen später eine Kündigung.

Weitere kritische Fragen sind solche zu den Themen Vorstrafen, Krankheiten, Schwerbehinderung und Schwangerschaften. Die Frage nach einer Schwangerschaft ist grundsätzlich unzulässig. Nach Vorstrafen und Krankheiten dürfen Sie nur dann fragen, wenn ein Bezug zur konkreten Tätigkeit besteht bzw. die Antwort die Einsatzfähigkeit der Arbeitnehmer:in beeinträchtigt. Hierzu zählen im therapeutischen Bereich unter anderem Vorstrafen im Bereich der Körperverletzung/Tötung gegenüber Patient:innen sowie die Frage nach chronische Krankheiten, bei denen für Sie eine Schutzpflicht besteht. Die Frage nach einer bestehenden Schwerbehinderung ist unzulässig. Allerdings dürfen die Bewerber:innen gefragt werden, ob diese:r an gesundheitlichen, seelischen oder ähnlichen Beeinträchtigungen leidet, durch die die Verrichtung der beabsichtigten vertraglichen Tätigkeit nicht möglich ist. Wird diese Frage verneint, ist die Frage nach einer Schwerbehinderung unzulässig, wird die Frage hingegen mit ja beantwortet, ist eine daran anknüpfende Frage nach einer Schwerbehinderung ausnahmsweise zulässig. In diesem Fall muss der oder die Bewerber:in dies offenbaren. Die Frage nach dem Grad der Behinderung ist zulässig, da hier in Bezug auf Urlaubstagen oder Pausen eine besondere Rücksichtnahme notwendig ist.

Tipp: Bereiten Sie Fragen für Vorstellungsgespräche gut vor, um Fehler zu vermeiden

Was muss ich bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen beachten?

Arbeitsverträge können grundsätzlich formfrei, also auch mündlich geschlossen werden. Es gibt keine festgelegte Schriftform. Ihre Arbeitnehmer:innen haben aber nach § 2 NachwG einen Anspruch auf eine schriftliche Vertragsurkunde. Für die Befristung von Arbeitsverträgen ist die Schriftform jedoch notwendig. Wird die Schriftform hier nicht eingehalten, läuft das Arbeitsverhältnis unbefristet. 

Es ist sinnvoll, Mitarbeiter:innen fest als Arbeitnehmer:innen anzustellen, auch wenn freie Mitarbeiter:innen in therapeutischen Berufen häufig auftreten. Oft stellt sich jedoch im Nachhinein heraus, dass die „freien Mitarbeiter:innen“, tatsächlich Arbeitnehmer/innen waren, sodass es sich um sogenannte Scheinselbstständige handelte. Dies birgt viele Risiken. So kann es zu Nachforderungen kommen, beispielsweise im Rahmen der Sozialversicherungsprüfung. Auch Versicherungen können Behandlungskosten infolge von Unfällen „freier Mitarbeiter:innen“ fordern. Auch drohen strafrechtliche Konsequenzen wegen der Vorenthaltung von Sozialversicherungsabgaben.

Inhaltlich sind für einen Arbeitsvertrag verschiedene gesetzliche Mindestvorgaben zu beachten. Diese finden sich beispielsweise im Mindestlohngesetz (der Mindestlohn beträgt seit dem 01.07.2021 9,60 € pro Stunde), im Arbeitszeitgesetz oder im Bundesurlaubsgesetz. Bei befristeten Arbeitsverträgen und Teilzeitregelungen ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz zu berücksichtigen. 

Arbeitnehmer:innen haben außerdem einen Anspruch auf reduzierte Arbeitszeit. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Aufstockung, ein solcher kann jedoch einvernehmlich vereinbart werden. Ein Anspruch auf Rückkehr in Vollzeitarbeit nach Reduzierung ist seit dem 1. Januar 2019 unter bestimmten Voraussetzungen möglich (sog. Brückenteilzeit).

Wie beende ich ein Arbeitsverhältnis rechtssicher?

Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wird zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Kündigung unterschieden. Bei einer ordentlichen Kündigung dürfen vertraglich, tariflich oder gesetzlich festgelegte Kündigungsfristen nicht unterschritten werden. Eine außerordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung.

Besonderen Kündigungsschutz genießen z.B. Schwangere und Arbeitnehmer:innen in Elternzeit (Kündigung nicht möglich) oder Schwerbehinderte (vorherige Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich). Eine Erkrankung verhindert eine Kündigung hingegen nicht. 

Als Kleinunternehmen fallen die meisten Praxen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), da dieses erst bei mehr als 10 Arbeitnehmern zur Anwendung gelangt, wobei Teilzeitkräfte nach den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes anteilig berücksichtigt werden. Kann das KSchG angewendet werden, muss die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie aus verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Gründen erfolgt.

Personenbedingte Gründe für eine Kündigung liegen vor, wenn der/die Arbeitnehmer:in die Arbeit aufgrund von fachlichen, persönlichen oder gesundheitlichen Defiziten nicht mehr ausführen kann. Voraussetzung ist hier eine negative Zukunftsprognose: der oder die Arbeitnehmer:in ist in Zukunft nicht mehr in der Lage, den arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, wodurch wesentliche Ihrer Interessen beeinträchtigt sind. Eine negative Zukunftsprognose besteht beispielsweise dann, wenn häufige Kurzzeiterkrankungen auf dauerhafte Fehlzeiten schließen lassen (insb. bei chronischen Erkrankungen).

Betriebliche Gründe resultieren aus einem Wegfall des Arbeitsplatzes aufgrund einer Betriebsstilllegung oder Umorganisation des Unternehmens. Eine betrieblich bedingte Kündigung erfordert eine sogenannte Sozialauswahl. Lassen Sie sich hierbei unbedingt von einem Fachanwalt beraten. 

Verhaltensbedingte Gründe liegen vor, wenn der oder die Arbeitnehmer:in gegen seine oder ihre Pflichten verstoßen hat und Ihnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses daher nicht mehr zumutbar ist. Als Beispiele sind hier zu nennen die Verletzung von Vertragspflichten (z.B. Verschwiegenheitspflicht), eine nicht mitgeteilte Arbeitsunfähigkeit oder ein eigenmächtiger Urlaubsantritt. Der Ausspruch der Kündigung muss verhältnismäßig sein, das heißt, es darf kein milderes Mittel als die Kündigung geben. Ein milderes Mittel stellt häufig die Abmahnung dar, sodass eine verhaltensbedingte Kündigung erst dann verhältnismäßig ist, wenn der/die Arbeitnehmer:in ein bereits abgemahntes Fehlverhalten wiederholt. 

Eine außerordentliche, also fristlose Kündigung, kann ausgesprochen werden, wenn Tatsachen vorliegen, durch die Ihnen nach Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Abwägung der Interessen beider Seiten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Voraussetzung ist, dass ein erheblicher Pflichtverstoß wie beispielsweise beharrliche Arbeitsverweigerung, Arbeitszeitbetrug, aber auch Straftaten wie Diebstahl, Betrug, Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung, vorliegt. Ein solcher Verstoß alleine reicht jedoch nicht aus. Es darf kein milderes Mittel (z.B. Abmahnung, ordentliche Kündigung) geben und im Rahmen einer Interessenabwägung muss Ihr Interesse an der sofortigen Beendigung das Interesse des/der Mitarbeiters/in an der Einhaltung der Kündigungsfrist überwiegen. 

Darüber hinaus gibt es noch weitere Möglichkeiten ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Bei einer Änderungskündigung wird die Kündigung mit einem Angebot verbunden, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Lehnt der oder die Arbeitnehmer:in ab, ist das Arbeitsverhältnis gekündigt. Nimmt der oder die Arbeitnehmer:in an, wird das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Konditionen fortgeführt.

Eine weitere Möglichkeit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses stellt der Aufhebungsvertrag dar. Der Aufhebungsvertrag ist die einvernehmliche Verständigung zwischen Ihnen und ihrem Arbeitnehmer bzw. ihrer Arbeitnehmerin über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Beendigungszeitpunkt ist frei verhandelbar. Im Aufhebungsvertrag können zusätzlich weitere Aspekte wie offene Forderungen, Urlaubsabgeltung, Abfindung oder Zeugnis geregelt werden. Das Gesetz schreibt für den Aufhebungsvertrag die Schriftform ausdrücklich vor.

Achtung: durch einen Aufhebungsvertrag droht Arbeitnehmer:innen eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.

Was muss ich bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses außerdem beachten?

Im Kündigungsschreiben sind Sie als Arbeitgeber:in verpflichtet, den oder die Arbeitnehmer:in auf die Meldepflicht bei der Agentur für Arbeit hinzuweisen. Sollten Sie dies nicht tun, sind Sie jedoch zivilrechtlich nicht zum Schadensersatz verpflichtet.

Arbeitgeber:innen sind verpflichtet, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht/nicht vollständig genommenen Urlaub finanziell auszugleichen. Ein finanzieller Ausgleich im laufenden Arbeitsverhältnis ist nicht erlaubt („Abkaufen“ von Urlaub). Zudem müssen Sie die entsprechenden Arbeitspapiere erstellen und aushändigen. Dazu gehören z.B. Zeugnis, Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III, Entgeltbescheinigungen und Unterlagen über die betriebliche Altersvorsorge. Arbeitnehmer:innen können die Erstellung und/oder Aushändigung vor dem Arbeitsgericht einklagen. 

Wird ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangt, muss dieses wohlwollend, klar und verständlich formuliert werden. Versteckte Klauseln wie z.B. „war sehr gesellig“ sind unzulässig. Das Zeugnis ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erteilen und muss auf den letzten Arbeitstag datiert sein. Wesentliche Bestandteile sind eine Einleitung, die Beschreibung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin, Beschreibung der Tätigkeiten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, Bewertung der Leistung sowie des Verhaltens und eine Schlussformel.

!
Nutzen Sie schon eine Praxissoftware?