Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Was müssen Heilmittelpraxen und Hilfsmittelerbringende beachten?

Zunächst: Keine Sorge. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist auch ein für Juristen kaum lesbares Bürokratiemonster, für Heil- und Hilfsmittelerbringende aber längst nicht so schlimm, wie es sich anhört. Denn entgegen der Bezeichnung geht es nicht etwa um bauliche Barrierefreiheit für Praxen und Geschäfte oder besondere Anforderungen an die Dienstleistungen.
Gänzlich vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind solche Heilmittelpraxen und Hilfsmittelerbringende die weniger als zehn Mitarbeiter und - kumulativ - weniger als zwei Millionen Euro Jahresumsatz haben.
Kein Handlungsbedarf besteht für Praxen und Hilfsmittelerbringer mit weniger als zehn Mitarbeiterin und (kumulativ) weniger als zwei Millionen Euro Jahresumsatz.
Sind Unternehmen zu groß für diese generelle Ausnahme, beschränkt sich die Anwendung für Heilmittelpraxen fast ausschließlich auf die Praxiswebsite. Denn nur Telekommunikationsdienste und Dienste im elektronischen Geschäftsverkehr unterfallen für diese überhaupt dem sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes.
Aus der von der Bundesregierung erlassenen Verordnung ergeben sich viele technische Details, so müssen etwa Bilder auch mit einen alternativen Text unterlegt werden, der angezeigt wird, falls der Nutzer das Bild nicht lesen kann. Schriftart, Zeilenabstand, Schriftgröße usw. müssen auf die zu erwartenden Nutzer:innen eingestellt sein. Auch muss die Internetseite "robust" sein, damit ist zum Beispiel gemeint, dass sie mit Screenreadern lesbar ist. Eine wichtige Neuerung ist, dass die Internetseite auf mehr als einem sensorischen Kanal verfügbar sein muss, d.h. neben der üblichen Lesefunktion muss es auch eine Vorlesefunktion geben. Zudem muss auf der Internetseite, ähnlich einem Impressum, dargestellt werden, welche Maßnahmen zur Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes ergriffen wurden. In jedem Fall müssen dort auch die Dienstleistung an sich (z.B. das Betreiben einer Heilmittelpraxis) und die zuständige Überwachungsbehörde angegeben werden.
Im Wesentlichen heißt das: Sie müssen sich vergewissern, dass die Agentur, die die Internetseite betreibt, diese Anforderungen kennt und auf der Internetseite technisch umsetzt.
Hilfsmittelerbringende sind auch Händler. Sie müssen - wie bisher auch schon bei Medizinprodukten - darauf achten, dass die von ihnen verkauften Produkte verkehrsfähig sind, d.h. alle rechtlichen Anforderungen erfüllen. Hierzu gehört nunmehr auch die Barrierefreiheit des Produktes. Hilfsmittelerbringende müssen daher kontrollieren, ob das Produkt ein CE-Kennzeichen hat, ob es eine deutschsprachige Anleitung gibt, dass es Typen- bzw. Chargennummern gibt und das der Hersteller und seine Anschrift auf dem Produkt angegeben sind. Es wird deutlich, dass Hilfsmittelerbringende hier nur kontrollieren müssen, ob der Hersteller seinen Pflichten nachgekommen ist.
Soweit Hilfsmittelerbringende Produkte selbst labeln und damit - wie bisher schon auch etwa bei Medizinprodukten - damit zum Hersteller werden, müssen sie nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sicherstellen, dass das Produkt barrierefrei im Sinne der schon genannten Rechtsverordnung ist. Außerdem bedarf es einer besonderen technischen Dokumentation und, wie auch schon bisher, natürlich das CE-Kennzeichen und die Konformitätserklärung.
Hilfsmittelerbringer bekommen weitere Pflichten, die aber die bisherigen Pflichten vor Verkauf von Produkten mit CE-Kennzeichen nur wenig erweitern.
Für alle Pflichten nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gilt, dass man diesen nur nachkommen muss, wenn es nicht zu unverhältnismäßig harten Belastungen für den Anbieter kommt. Das gilt insbesondere dann, wenn der technische oder finanzielle Aufwand etwa im Vergleich zu Nutzerzahlen unverhältnismäßig groß wäre. Die Beurteilung, ob die Anpassungsmaßnahmen unverhältnismäßig wären, liegt bei dem jeweiligen Anbieter. Im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gibt es eine detaillierte Anlage, in der Kriterien für die Feststellung der Unverhältnismäßigkeit aufgeführt sind.
Bei Verstößen gegen die Regelungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes kann die zuständige Behörde Abhilfe verlangen oder auch Produkte und Dienstleistungen verbieten. Zudem drohen Ordnungswidrigkeitenverfahren. Es ist aber, zumindest bei den Praxishomepages, von einem großen Vollzugsdefizit auszugehen - keine Behörde hat genug Kapazitäten, um Internetseiten zu prüfen. Wenn aber etwa Interessenverbände oder einzelne Patienten bzw. Kunden Heil- und Hilfsmittelerbringer auf nicht barrierefreie Dienstleistungen oder Produkte ansprechen, sollte man unbedingt reagieren, ehe man sich der Gefahr von strafbewehrten Unterlassungserklärungen ausgesetzt sieht.

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