Grüner Wandel als Chance

Alle Branchen müssen nachhaltiger werden, auch das Gesundheitswesen. Engagierte Akteure wie das mit dem Leonardo Award ausgezeichnete Sanitätshaus Gäher im Münsterland zeigen, wie man mit E-Bikes, Solaranlagen und ressourcenschonender Produktion Umwelt und Budget schont. Ein Beispiel mit Vorbildcharakter.

Nachhaltigkeit ist längst mehr als ein Trend, sie ist eine Notwendigkeit – im Gesundheitswesen und damit auch für Sanitätshäuser. Hinter dem etwas sperrigen Begriff, der so vieles bedeuten kann, verbirgt sich in der Praxis immer ein Bündel von Einzelmaßnahmen. Jedes Unternehmen kann einen kleinen oder großen Beitrag leisten. Doch wie nachhaltig ist das deutsche Gesundheitswesen? Die Bundesregierung wollte es genauer wissen und gab 2022 bei der Stiftung viamedica das Gutachten „ReKlimaMed“ in Auftrag. Die Bestandsaufnahme fällt ernüchternd aus: „Das Thema Nachhaltigkeit spielt im deutschen Gesundheitswesen bisher keine oder nur eine geringe Rolle, insgesamt wird der ökologischen Nachhaltigkeit noch zu wenig Bedeutung beigemessen. Zwar gibt es innovative und konstruktive Maßnahmen und engagierte Unternehmen in der Gesundheitsbranche, diese beschränken sich aber im Wesentlichen auf wenige Leuchttürme und einzelne engagierte Akteure”, so das Fazit. 

 

Wir engagieren uns für Nachhaltigkeit, nicht um in der Öffentlichkeit gut dazustehen, sondern weil das Thema bei uns tief in der Unternehmenskultur verankert ist.

Daniel Behm, Prokurist beim Sanitätshaus Gäher

 

Ausgezeichnet mit dem Leonardo Award 2024 für Nachhaltigkeit

Doch gerade solche engagierten Akteure sind oft Vorreiter eines breiten Trends. So auch das Sanitätshaus Gäher mit neun Standorten im Münsterland. Ob in der Produktion von Prothesen, Orthesen oder Einlagen, bei Auslieferungen und Dienstfahrten, durch Recyclingkartons für den Postversand oder durch CO2-Kompensation für Drucksachen – Geschäftsführung und Mitarbeiter:innen haben an vielen Stellen im Unternehmen angesetzt, um nachhaltiger zu werden. Dafür wurde das Unternehmen mit dem Leonardo Award 2024 ausgezeichnet, der in diesem Jahr erstmals in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ vergeben wurde.

Effiziente Produktion senkt Materialverbrauch und Kosten 

„Wir engagieren uns für Nachhaltigkeit nicht, um in der Öffentlichkeit gut dazustehen, sondern weil das Thema bei uns tief in der Unternehmenskultur verankert ist“, sagt Daniel Behm, Prokurist beim Sanitätshaus Gäher. Möglichkeiten gab es viele. Zum Beispiel in der Produktion, die heute viel nachhaltiger abläuft als früher, weil der Materialverbrauch optimiert wurde. Der Zuschnitt von Carbon für Prothesen und Orthesen oder von Kork für Dummys für Gelenkabstandshalter erfolgt nicht mehr mit Skalpell oder Schere, sondern mit dem Laser. „Wir können die einzelnen Dummys besser anordnen und so einen Großteil des bisherigen Verschnitts vermeiden. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern senkt auch unsere Kosten, wenn wir so aus einer teuren Platte deutlich mehr Dummys herausschneiden können“, erklärt Behm. 

Auch die Einlagen werden bei Gäher umweltfreundlicher als früher hergestellt, indem auf den herkömmlichen Trittschaum verzichtet wird, der entweder aus Polyurethanschaum oder aus Ethylenvinylacetat besteht. Beides sind Stoffe, für deren Herstellung fossile Rohstoffe und viel Energie aufgewendet werden müssen – mit entsprechendem CO2-Ausstoß. Sie sind biologisch nicht abbaubar, ihr Recycling ist schwierig, aufwendig und teuer. Das Sanitätshaus Gäher hat schon vor Jahren alle Filialen mit Flachbettscannern ausgestattet. „Hier werden die Füße gescannt, und der Scan kann direkt in der Werkstatt weiterverarbeitet werden. So verbrauchen wir kein Material, produzieren keinen Abfall und profitieren zudem von einem digitalen Arbeitsprozess, der schlank und schnell ist“, so Behm.

Mobilität und Energie neu denken 

Auch außerhalb der Produktion bieten sich Gelegenheiten, nachhaltiger zu sein. Für ein in und um Deutschlands Fahrradhauptstadt Münster angesiedeltes Unternehmen lag es nahe, das Fahrrad zum bevorzugten Verkehrsmittel zu machen. „Wenn mal eine Toilettensitzerhöhung oder ein Hilfsmittel ausgeliefert werden soll, schnappen sich die Kolleg:innen sehr gerne das Fahrrad. Solche Kurzstreckenlieferungen funktionieren in den Stadtgebieten rund um unsere Filialen hervorragend“, sagt Behm. Dazu habe es nicht einmal einer Unternehmensrichtlinie oder Ähnlichem bedurft: „Das hat sich bei uns im Alltag einfach so ergeben.“ In einigen Filialen haben wir inzwischen E-Bikes angeschafft. 

Bei den Autos hat das Sanitätshaus das Ziel, auf Elektromobilität umzustellen. „Wir haben jetzt sechs E-Ladesäulen auf dem Firmengelände, und nach und nach kommen auch E-Autos dazu, aber die Stadtflitzer fehlen uns noch.“ Energetisch ist man bei Gäher aber schon vorbereitet. Auf dem Dach des kürzlich eingeweihten neuen Firmengebäudes ragt eine Solaranlage mit einer Leistung von knapp 100 kW-Peak in den Himmel. „Die Anlage produziert zeitweise mehr Strom, als wir im Betrieb benötigen, die überschüssige Energie speichern wir in Akkus oder speisen sie ins Netz ein“, erläutert Behm. 

Nachhaltigkeit lässt sich an vielen Stellen im Betrieb verbessern

Die nachhaltigen Maßnahmen des Sanitätshauses Gäher sind nur einige von vielen Möglichkeiten, die jedes Unter- nehmen für sich ausloten und priorisieren kann. Viele inspirierende Ideen finden sich in der umfangreichen Maßnahmenübersicht, die viamedica in den untersuchten Unternehmen gefunden und zusammen mit dem Gutachten veröffentlicht hat. Diese Übersicht bietet einen guten Einstieg, wie man Nachhaltigkeit angehen und vielleicht sogar finanziell davon profitieren kann. Denn die Kosten für CO2-Emissionen werden in den nächsten Jahren steigen und fossile Brennstoffe verteuern. Wie bei jedem großen Ziel ist eines besonders wichtig: Man muss sich auf den Weg machen.


Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit

Was tun andere Betriebe aus der Hilfsmittelbranche schon heute für mehr Ressourceneffizienz und Klimaschutz? Das „ReKlimaMed“- Gutachten gibt einen Überblick – anbei eine Auswahl. 

Gebäudeenergie 

  • Wärmeeffizienz

  • Dachbegrünung

  • Einbau dreifach verglaster Fenster 

Erneuerbare Energien 

  • im Wärme- und Strombereich 

  • Einbau einer Wärmepumpe, die im Sommer umgeschaltet werden kann, sodass sie den Boden kühlt 

  • Bezug von Ökostrom

  • Strom aus Wasserkraft bzw. Photovoltaik

Abfallmanagement

  • Reduktion von Kunststoffen
     
  • ökologisches Kassenpapier
     
  • Abgabe und Sammlung von Druckerpatronen und Tonerkassetten
     
  • Verwendung wiederverwendbarer Transportsysteme für die Anlieferung von Neuware

Alle Maßnahmen finden Sie unter: bit.ly/Hilfsmittelversorgung

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