Im Netz aktiv: Therapie und Social Media

Wie sind Therapeut:innen auf Social Media unterwegs? Welche Chancen und Herausforderungen sind damit verbunden? Ein Blick auf Trends und Themen.

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Das „Emotionsgewitter“ ist deutlich zu sehen – die passende Botschaft auch: Während ein kleines blondes Mädchen wütend die Fäuste ballt und seinen Kopf energisch schüttelt, legt sich eine Schrift über das kurze Video auf Instagram: „Mein Emotionsgewitter hat eine Ursache. Versuche, mich zu verstehen“, heißt es dort. Die Bedürfnisse des Kindes werden mit dem Text angesprochen, am Ende des Clips liegt es friedlich schlafend auf dem Bauch seiner Mutter, dazu der Schriftzug: „Ich brauche dich, deine Liebe, dein offenes Ohr, deine Fürsorge.“ Und: „Bitte verurteile mich nicht für meinen Gefühlsausbruch.“

Kurz, prägnant, eindringlich: Patricia Köper, Ergotherapeutin beim Stuttgarter FON Institut, versteht es, fachliche Themen über Social Media zu vermitteln und dabei unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen und verschiedene Kanäle zu bespielen. Auf YouTube ist sie mit zahlreichen Videos präsent, als ErgoMom nutzt die dreifache Mutter auch Facebook und Instagram. Wobei ihre Kinder, wie bei dem beschriebenen Video, sehr selten vor der Kamera sind. Die visuelle Stärke von Instagram nutzt Köper vor allem für optisch ansprechende Posts, die zum Beispiel das Bild eines Leuchtturms aufgreifen („Sende klare Signale“) oder ein Elterntraining mit großen Lettern durchbuchstabieren (von „A“ wie „Augenhöhe“ bis „R“ wie „Regeln“). Auf Facebook bewirbt Köper vor allem Veranstaltungen, etwa das Webinar „Einführung in die gewaltfreie Kommunikation“ oder das Online-Tagesseminar „Pädiatrie Basics“. Und auf YouToube reichen ihre Playlists von Neuroathletik-Übungen bis zu Tipps zum Homeschooling.

Gefragt nach ihrer Motivation, auf Social Media so aktiv zu sein, hat Patricia Köper eine klare Antwort: „Wir haben in der Ergotherapie und der Logopädie einen extremen Fachkräftemangel. Social Media ist ein Weg, um kreativ und originell präsent zu sein und potenzielle neue Kolleg:innen auf uns als Arbeitgeber aufmerksam zu machen.“ Dabei zielt sie weder auf persönliche Popularität, noch auf Follower-Rekorde. „Mir ist wichtig, dass ich die Menschen erreiche, die unserem Team weiterhelfen können.“ Und dafür sieht sie sich mit ihren Followern, zum Beispiel rund 3.500 auf Instagram, allemal gut unterwegs.

Therapeut:innen im Netz: vielfältig erfolgreich

Auch andere Therapeut:innen sind auf Instagram, das bei den jüngeren Zielgruppen Facebook längst den Rang abgelaufen hat, aktiv und zeigen im Netz Präsenz. Zum Beispiel Ergotherapeutin Imke Stropp aus Düsseldorf, die als ergoiris unter anderem zu hochsensitiven Kindern in der Schule oder zum Verringern der Wartezeit auf einen Therapie-Platz informiert. Oder Logopädin Patricia S. Pomnitz aus Fürth, die unter @sprachgold etwa Tipps zum Sprachverständnis gibt oder Fragen nach Sprachmeilensteinen beantwortet. Der Regensburger Physiotherapeut Andi Lieb präsentiert in seinen Instagram-Clips zahlreiche Übungen, etwa bei Ischiasschmerzen, zur Mobilisation des Sprunggelenks oder zur schnellen Hilfe beim Hexenschuss. Und das Videoportal TikTok nutzt Lieb ebenfalls, um in kurzen Videos für sich und die Schmerzbekämpfung zu werben.

Bei Patricia Köper hat sich die Wahl der Kanäle durch ihre verschiedenen Ziele ergeben. „Ich finde keinen Kanal wichtiger als den anderen, aber ich setze unterschiedliche Schwerpunkte.“ Bei Instagram hat sie in erster Linie die Zielgruppe der Nachwuchstherapeut:innen als neue Kolleg:innen im Blick („Ich kann zeigen, wie cool und abwechslungsreich unser Beruf ist!“). An Facebook schätzt sie die Möglichkeit, Gruppen des Netzwerks gezielt mit ihren Inhalten anzusprechen: „Hier organisieren sich immer noch einige sehr interessante Gruppen. Natürlich Ergotherapeut:innen, aber zum Beispiel auch Erzieher:innen.“ YouTube nutzt Köper wiederum insbesondere, um auf ihre Webinare aufmerksam zu machen und die Spezialisierung auf ihre „Herzensthemen“ Fein-, Grafo- und Schreibmotorik sowie Händigkeit zu unterstreichen. „Mit den etwas längeren Videos können Interessierte nicht nur einen ersten Eindruck von meiner Kompetenz gewinnen, sondern auch von meiner Art, Inhalte zu vermitteln.“

„Von zu hohen Erwartungen nicht abschrecken lassen“

Gezielt agieren statt massig Follower und Likes zu generieren, ist der Anspruch Patricia Köpers. Aber natürlich gibt es auch Kolleg:innen, die durch Social Media große Popularität über ihre eigene Praxis hinaus gewonnen haben. Andi Lieb zählt zum Beispiel allein auf Instagram bald 70.000 Follower. Und die Ergotherapeutin Denise Calhoun hat mit ihrem Kanal mykidslounge bereits 109.000 Follower gewonnen. Mit ihrem Fokus auf Förder- und Spielideen für Kinder rückt die Deutsch-Amerikanerin zusätzlich zu fachlichen Tipps auch nicht zuletzt ihren Onlineshop stärker in den Vordergrund als Köper.

Die Stuttgarterin sieht das ganz entspannt: „Ich will gar keine Influencerin sein, die jeden Tag etwas Neues postet. Mir genügt es, über die Woche im Netz mit 200 Leuten zu meinen Angeboten wie den Webinaren im Austausch zu sein.“ Ihr Bruder, der sich als Social-Media-Experte selbstständig gemacht hat, war eine große Hilfe beim Aufsetzen der Kanäle. Doch Köper sagt auch: „Man sollte sich nicht von zu hohen Erwartungen abschrecken lassen. Vermutlich könnte ich größere Reichweiten aufbauen, wenn ich mir Woche für Woche ein festes Zeitfenster für Social Media blocken würde. Aber ich weiß nicht, ob ich dann noch so kreativ wäre. Lieber integriere ich die Social-Media-Aktivitäten in meinen Arbeitsalltag, und lasse mich von ihm für meine Posts inspirieren.“


Social Media: Pro & Contra

Social Media ist kein Selbstzweck. Wer sich auf Instagram, Facebook und Co. präsentiert, steht unter verstärkter Beobachtung. Schnell kann ein lockerer Post unseriös wirken. Überhaupt die Inhalte: Wer sich für die Präsenz auf Social Media entscheidet, muss diese mit regelmäßigen Posts pflegen, sonst wird die vermeintliche Werbung schnell zum traurigen Aushängeschild. Auch hat die direkte Kommunikation über Social Media nicht nur Vorteile: Schnell kann man dort zur Zielscheibe von (unsachlicher) Kritik werden. Unbestritten ist aber auch: Mit Social Media lässt sich die Reichweite einer Praxis wesentlich erhöhen. Man ist dort präsent, wo zahlreiche potenzielle Mitarbeiter:innen und Patient:innen unterwegs sind. Social Media bietet die Chance zu zeigen, dass eine Praxis die Zeichen der Zeit erkannt hat. Und auch als finanzieller Faktor ist Social Media nicht zu unterschätzen. Mit ihrer Hilfe lässt sich zum Beispiel der Online-Shop einer Praxis wirksam bewerben – und manche Therapeut:innen sind durch ihre Popularität auf Social Media sogar zu gut bezahlten Werbeträger:innen geworden.

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