Und App dafür?

Was bringen Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), auch bekannt als „Apps auf Rezept“? Ein Blick auf Chancen, Grenzen und neueste Entwicklungen.

Sportler schaut auf Fitnessuhr

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) – das klingt erst einmal innovativ und nicht zuletzt: logisch. Wenn die Digitalisierung unser Leben schon mehr und mehr prägt, warum sollte sie nicht auch neue Möglichkeiten der Behandlung mit sich bringen? „Apps auf Rezept“ ist ein anderer Name der DiGA, die der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur Verabschiedung des Digitale-Versorgung-Gesetz im November 2019 ankündigte: „Digitale Lösungen können den Patientenalltag konkret verbessern. Darum gibt es ab 2020 gesunde Apps auf Rezept. Das ist Weltpremiere. Deutschland ist das erste Land, in dem digitale Anwendungen verschrieben werden können.“ Deutschland ist bei den DiGA immer noch internationaler Vorreiter; unter anderem können Apps zur Behandlung von Knieschmerzen, Tabakabhängigkeit oder Schlafstörungen verordnet werden. Zugleich gibt es viel zu tun. Im November 2021, ein gutes Jahr nach den ersten Verordnungen, zog etwa das Beratungsunternehmen McKinsey Bilanz und schrieb in einem Report: „Noch stecken viele Anwendungen in ihren Kinderschuhen. Doch mit mehr Daten aus den Erprobungsstudien, einer Einigung bei der Preisgestaltung und wachsender Nutzungserfahrung im Versorgungsalltag wird auch die App auf Rezept reifen und ihre Verordnungsrate steigen.“

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Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) waren im Februar 2022 im Verzeichnis des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet

DiGA-Verzeichnis: Strenge Aufnahmeregeln

Nur die wenigsten „Gesundheits-Apps“ dürfen sich DiGA nennen. Aktuell listet das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 30 DiGA, 21 von ihnen wurden bisher nur „vorläufig“ in das Verzeichnis aufgenommen. Das BfArM prüft die Wirksamkeit der DiGA gründlich. Nach Aufnahme in das Verzeichnis können sie von Ärzt:innen verschrieben und bei entsprechender Diagnose direkt von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden. DiGA im Sinne des BfArM-Verzeichnisses sind Produkte, „die z. B. dazu bestimmt sind, Erkrankungen zu erkennen oder zu lindern, die bei der Diagnosestellung unterstützen und die dabei maßgeblich auf digitaler Technologie beruhen“.

13, und damit die mit Abstand meisten der 30 Anwendungen im BfArM-Verzeichnis, helfen bei psychischen Problemen, von der Therapieunterstützung bei Depressionen und depressiven Verstimmungen bis zum kognitiv-verhaltenstherapeutischen Nichtrauchercoaching. Andere Anwendungen unterstützen zum Beispiel bei der Gewichtsreduzierung, ermöglichen „digitales Diabetesmanagement“ oder bieten ein Behandlungsprogramm für Migränepatient:innen. Vier der gelisteten DiGA sind für Beschwerden mit Muskeln, Knochen oder Gelenken gedacht. So stellt etwa die App Mawendo für die Behandlung von Erkrankungen der Kniescheibe Trainingsprogramme mit Übungsvideos, Gesundheitsinformationen und Dokumentationsmöglichkeiten zur Verfügung. Die App Vivira unterstützt Patient:innen mit Rücken-, Knie- und Hüftschmerzen. Das individuelle bewegungstherapeutische Trainingsprogramm soll laut Anbieter „dabei helfen, Schmerzen zu reduzieren, körperliche Funktionen wiederherzustellen sowie ihre Selbstwirksamkeit und Souveränität zu fördern“. 

Wie die allermeisten DiGA waren Vivira und Mawendo bei Redaktionsschluss der vorliegenden ZUKUNFT PRAXIS im Februar  2022 nur vorläufig in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen; ihre Wirksamkeit muss noch abschließend geprüft werden. Dabei setzt Deutschland schon auf das auch international beachtete Fast-Track-Verfahren, das die Verordnung von DiGA bereits erlaubt, wenn der Nachweis eines positiven Versorgungseffekts durch eine klinische Studie noch aussteht. Voraussetzung für eine vorläufige Aufnahme in das BfArM-Verzeichnis ist aber eine systematische Datenauswertung, in der die Verbesserung der Versorgung plausibel begründet wird.
 

50.000

DiGA-Verordnungen wurden innerhalb des ersten Jahres nach Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes in Deutschland registriert.

Kein Ersatz für menschliche Erfahrungen 

Unabhängig davon ist aber klar: Keine App kann den oder die Therapeut:in ersetzen. Zu klein ist das Leistungsspektrum, zu wichtig der menschliche Faktor. Selbst wenn eine App dazulernt, bleibt sie letztlich weit entfernt von der Behandlungsqualität, die Therapeut:innen durch Erfahrungen und Begegnungen mit unterschiedlichsten Patient:innen erreichen. Eine App kann sich nicht auf dieselbe Weise ein Bild von Patient:innen machen und entsprechend reagieren. 

Der Schlüssel liegt wohl im Zusammenspiel von digitaler Innovation und bewährter Praxis. „Ich empfehle Vivira in geeigneten Fällen zur Ergänzung der Physiotherapie, um Schmerzen zu lindern und körperliche Funktion wiederherzustellen“, sagte etwa zum Start der App Dr. med. Markus Klingenberg, Leiter des Vivira Medical Board. Und Ute Repschläger, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten — IFK e. V., hat es auf die Formulierung „Digitalisierung heißt Unterstützung, nicht Ersatz“ gebracht. Am Ende sei es unerlässlich, dass Therapeut:innen das gesamte Krankheitsbild im Blick behalten und festlegen, welche Übungen ein Patient in welcher Intensität ausführen sollte.
 


DiGA: Geprüfte Anwendungen

App ist nicht gleich App: Um in das Verzeichnis des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen zu werden, müssen Apps oder browserbasierte Anwendungen mehrere Voraussetzungen erfüllen:

Zertifiziert:
Alle DiGA-Entwickler müssen nachweisen, dass ihr Produkt mit einem niedrigen Risiko die europäische CE-Zertifizierung erhalten hat und dafür alle Anforderungen erfüllt, etwa an Sicherheit und Leistungsfähigkeit, klinische Bewertung, Qualitätssicherung und Risikobewertung.

Geprüft:
Das BfArM prüft alle Apps zusätzlich, zum Beispiel mit Blick auf Datenschutz, Interoperabilität mit anderen DiGA bzw. Datenplattformen, Sicherheit der medizinischen Angaben und einen „positiven Versorgungseffekt“.

Verordnungsfähig:
Die im DiGA-Verzeichnis enthaltenen Informationen für Leistungserbringer:innen wie Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen sollen dabei helfen, die jeweils am besten geeignete DiGA zu verordnen.

Erstattbar:
Die Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ist bei entsprechender Diagnose grundsätzlich gegeben. Die Kosten werden im DiGA-Verzeichnis gelistet, ebenso ggfs. von den Patient:innen zu bezahlende Kosten bei zusätzlichen Leistungen über die Verordnung hinaus.

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