Wir sehen uns in Köln.

Schwierig, herausfordernd und ermutigend - so beschreibt Chefredakteur und Veranstalter der ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK Wolfgang Best das Jahr 2022. Im Interview spricht er offen über die Grundlage einer erfolgreichen Zukunftssicherung für die Branche und die OST Messe in Köln.

Was war das Besondere an der ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK Messe und wie war das Konzept des IVO -Kongresses 2022?

In diesem Jahr waren wir erstmals mit unserer Veranstaltung auch Gastgeber des Kongresses des Internationalen Verbandes der Orthopädieschuhtechnik (IVO), der nur alle drei Jahre stattfindet. Wir haben und sehr gefreut, dass wir nach Stationen in Toronto (2018), Paris (2015) und Sydney (2012) nun den Kongress in Köln ausrichten durften – wenn auch ein Jahr später als geplant. Die Corona bedingte Verschiebung, die wir Anfang 2021 nach intensiven Diskussionen, auch mit dem IVO, beschlossen, hat sich im Nachhinein als richtig erwiesen. Die Pandemie war im Herbst letzten Jahres noch nicht überwunden, aber weltweit gab es, im Gegensatz zum Vorjahr, nur noch wenige Reisebeschränkungen. Nur so war es möglich, dass wir Besucher aus 34 Ländern begrüßen konnten. Die Messe und der Kongress waren deshalb noch internationaler als die früheren Veranstaltungen. Deshalb können wir, denke ich, sagen, dass die ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK in Köln sich zur weltweit wichtigsten Veranstaltung für die Orthopädieschuhtechnik entwickelt hat.

Vor welchen Chancen und Herausforderungen hat die Pandemie die Orthopädieschuhtechnik und die Branche im Hinblick auf wichtige Veranstaltungen gestellt?

Durch die Pandemie konnten leider einige wichtige Veranstaltungen gar nicht oder nur in digitaler Form stattfinden. Wie sehr den Menschen der direkte Austausch auf Messen und Kongressen gefehlt hat, haben wir im letzten Jahr gesehen. Nicht nur bei uns in Köln, sondern auch auf der OTWorld in Leipzig oder bei anderen Veranstaltungen der Branche wie dem Kongress Technische Orthopädie in Garching hat man die Freude gespürt, dass man sich wieder persönlich treffen kann.

Haben sich die digitalen Messeformate in der Pandemie ein Stück weit bewährt und was hieß das für die Messe in Präsenz?

Wie gut die digitalen Messeformate funktioniert haben, kann ich nicht beurteilen. Wir hatten uns entschieden, ganz auf eine Präsenzveranstaltung zu setzen. Mein Eindruck von den digitalen Weiterbildungs-Formaten ist, dass manches wirklich erstaunlich gut funktioniert hat und sicher auch nach der Pandemie weitergeführt wird. Wir haben in unserer Verlagsgruppe sehr gute Erfahrungen mit Webinaren gemacht, bei denen in kompakter Form zu einem konkreten Thema Wissen vermittelt wird. Das wurde sehr gut angenommen, weil es einen hohen Nutzwert bietet bei vergleichsweise geringem Aufwand. Zwei Stunden für ein Webinar kann man immer in den Wochenplan einbauen. Einen Tag für eine Veranstaltung freimachen, ist für viele schon schwieriger.

Wie sehen Sie die Zukunft von Messen überhaupt? Werden digitale Angebote Präsenzveranstaltungen mehr und mehr verdrängen? Wird sich die Messelandschaft im Bereich Hilfsmittel und Orthopädie verändern?

Die Pandemie hat uns gezwungen, digitale Formate zu entwickeln, die wir jetzt als sinnvolle Ergänzung der bisherigen Angebote nutzen können. Präsenzveranstaltungen werden meiner Meinung nach weiter ihre Berechtigung haben oder sogar noch wichtiger werden. Die besondere Qualität einer Messe ist ja nicht nur, dass man sich konzentriert über alle Neuheiten informieren kann.

„Man kann mit den Experten der Anbieter diskutieren, sich alles zeigen lassen, ein Produkt in die Hand nehmen und sich vor allem mit den Kollegen, die man auf der Messe trifft, direkt darüber austauschen und dadurch das Gesehene einordnen. Das schafft kein digitales Format. Auch bei allen Fortbildungen, bei denen es darum geht, etwas handwerklich Praktisches zu lernen, werden die Präsenzformate sicher Bestand haben."

Wo sehen Sie die zentralen Branchentrends?

Auch wenn man das in der Branche vielleicht nicht so gerne hört: Der Fachkräftemangel war in den vergangenen Jahren ein wesentlicher Treiber für viele Entwicklungen in der Orthopädieschuhtechnik. Dazu gehört der vermehrte Einsatz neuer Technologien für die Herstellung von Hilfsmitteln wie Fräsen oder der 3D-Druck, aber auch die vermehrte Nutzung von externen Dienstleistern für die Herstellung orthopädischer Maßschuhe. Wenn Hilfsmittel nicht mehr überwiegend von Hand oder in der eigenen Werkstatt produziert werden, wird das langfristig auch das Handwerk beziehungsweise die handwerkliche Tätigkeit verändern. Eine der großen Herausforderungen wird deshalb sein, wie man die handwerklichen Fähigkeiten bewahrt und gleichzeitig neue Technologien und Herstellungsweisen integriert.

Man wird sich der Digitalisierung im Handwerk nicht verschließen können, muss sich aber natürlich dabei bewusst sein, dass digitale Herstellungsverfahren und digitale Geschäftsmodelle auch den Marktzugang für Mitbewerber ermöglichen, die nicht aus dem Handwerk kommen. Hier gilt es, die Kompetenz des Handwerks jenseits der digitalen Fertigung auszubauen. Wir wissen heute, dass Fußprobleme nicht nur vom Fuß kommen können, und über den Fuß manche Probleme am Haltungsapparat therapiert werden können. Um hier die richtige Therapie zu finden, ist eine qualifizierte Untersuchung des Fußes mit der Hand unverzichtbar. Das lässt sich nicht digital ersetzen. Aus meiner Sicht muss das Handwerk diese Kompetenz noch viel stärker vermitteln. 

Wie wird die ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK diese Trends zukünftig abbilden? Welche Teile tragen die Branchenmessen grundsätzlich dazu bei?

Bei unserem Kongress 2023 wird einer der Schwerpunkte der Themenkomplex „Analysieren – Verstehen – Versorgen“ sein.

„Wir wollen zeigen, wie sich die Orthopädieschuhmacher mit ihren ureigenen, berufsspezifischen Kompetenzen auch in der digitalen Welt ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten können."

Ein weiterer Schwerpunkt wird sein, mit welchen Konzepten Orthopädieschuhtechnik-Betriebe künftig am Markt erfolgreich sein können. Beide Themen gehören aus unserer Sicht zusammen, denn ohne die entsprechende Kompetenz wird es schwierig, am Markt zu bestehen.

Welche Programmhighlights gab es auf der ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK? Worauf haben Sie sich am meisten gefreut?

Wir wollten den IVO-Kongress nutzen, um den Austausch zwischen den einzelnen Ländern zu befördern, vor allem was die Versorgungskonzepte bei Fußproblemen betrifft. Im angelsächsischen Raum gibt es ja teils sehr verschiedene Auffassungen, nach welchen Prinzipien Einlagen für verschiedene Fußprobleme gebaut werden. Dass es gelungen ist, die unterschiedlichen Versorgungskonzepte aus Nordamerika und Europa in einer Kongresssitzung zu präsentieren und zu vergleichen, gehörte für mich zu den Highlights des Kongresses. Und wir haben uns natürlich riesig gefreut, dass bei unserer Veranstaltung zum ersten Mal der IVO-Award verliehen wurde, mit dem Personen ausgezeichnet werden, die sich in besonderem Maße um die internationale Zusammenarbeit in der Orthopädieschuhtechnik verdient gemacht haben. Dass mit Karl-Heinz Schott jemand geehrt wurde, dessen Engagement wir seit 30 Jahren mit unserer Zeitschrift begleiten, war besonders schön.

Welches Feedback gab es von den Austeller:innen in diesem Jahr? Welche Veränderungen wird es auf der ORTHOPÄDIE SCHUH TECHNIK 2023 geben?

Der Erfolg unserer Messe hängt ganz eng mit der Zufriedenheit unserer Aussteller zusammen. Deshalb waren wir sehr froh, dass nach der pandemiebedingten Verschiebung das Interesse aus der Branche groß war und wir sogar die Besucherzahl von 2019 noch leicht übertreffen konnten. Eine Umfrage unter den Ausstellern nach der Messe hat gezeigt, dass sie nicht nur mit der Zahl, sondern auch mit dem Interesse und der Qualität der Besucher sehr zufrieden waren. Die allermeisten haben angekündigt, dass sie bei der nächsten Messe wieder dabei sein werden. Mit der Veranstaltung in diesem Jahr, am 20./21. Oktober 2023, sind wir wieder in unserem normalen Messerhythmus, nämlich alternierend zur OT-World, die immer in den geraden Jahren stattfindet, während wir in den ungeraden Jahren nach Köln einladen. Das war auch der Wunsch der Aussteller, die Messen zu entzerren, damit nicht zwei große Messen in einem Jahr stattfinden.

Was war Ihr schönster Messe-Moment in 2022 und worauf sind Sie und Ihr Team besonders stolz?

Wenn man eine Veranstaltung vorbereitet, tut man alles, Menschen von einem Messe- und Kongressbesuch zu überzeugen. Aber ganz sicher kann man sich natürlich nie sein, wie viele tatsächlich kommen – vor allem am Ende einer noch nicht ganz überwundenen Pandemie. Deshalb war für mich der schönste Moment, als ich am Freitag nach der Kongresseröffnung die Treppe zur Messehalle hochging. Ich sah als Erstes die vollen Gänge und die gut besuchten Messestände und konnte vor allem gleich die gute Stimmung auf der Messe spüren. Da wusste ich, dass sich all die Anstrengungen unseres Teams in der Vorbereitung gelohnt haben, zumal auch der Kongress in diesem Jahr mit 500 Teilnehmern und 750 verkauften Seminartickets sehr gut besucht war. Und darauf sind wir natürlich auch stolz.

Wenn Sie das Jahr 2022 in drei Worten beschreiben müssten, welche sind das? Was möchten Sie den Orthopädieschuhtechniker:innen für 2023 mitgeben?

Schwierig, herausfordernd, aber auch ermutigend. Die Pandemie und ein Krieg, den wir in Europa bis vor kurzem nicht für möglich gehalten hätten, machten vieles in der Branche schwieriger und forderten uns heraus, einiges zu über- und neu zu denken. Ermutigend war, dass die Weiterbildungsbereitschaft in der Branche weiterhin hoch ist. Das würde ich mir auch für 2023 wünschen: Dass unsere Leser nicht aufhören, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Das ist die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunftssicherung. Und natürlich würden wir uns freuen, wenn es wieder heißt: „Wir sehen uns in Köln“.

Vielen Dank für das Interview, Herr Best. 

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