PRAXISnah: „Ich möchte erreichen, dass möglichst viele Patient:innen das Auto stehen lassen.“

Wir geben Einblicke in Besonderheiten anderer Praxen von Kollegen. Diesmal mit Michael Streicher, Physiotherapeut in Konstanz.

Praxisnah mit Michael Streicher

Herr Streicher, was ist das Besondere an Ihrer Praxis?

Meine Praxis und mich zeichnet sicher aus, dass hier über den Tellerrand hinausgeschaut wird. Ich möchte nicht nur den ganzen Tag an der Bank stehen und mit meinen Patient:innen die Übungen machen, sondern ganz bewusst noch andere Dinge mit in die Arbeit einbringen und alles etwas ganzheitlicher betrachten.

Zum Beispiel?

Ich mache beispielsweise Ernährungsberatung und habe dafür auch eine entsprechende Ausbildung. Das gehört für mich einfach mit dazu, wenn ich den ganzen Menschen sehen und behandeln will. Aber ich gehe auch noch ein Stück weiter: Ich möchte erreichen, dass möglichst viele Patient:innen das Auto stehen lassen und zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu mir kommen.

Weil es gesünder ist?

Ja, das ist ein Aspekt. Aber mir geht es durchaus auch um Natur- und Klimaschutz. Das sind für mich ganz wichtige Themen, bei denen sich jede:r überlegen sollte, was er oder sie selbst unternehmen könnte – und ist der Beitrag auch noch so klein. Deshalb habe ich mir überlegt, wie ich die Menschen dazu animieren kann, auf das Auto zu verzichten. Und da reicht es eben nicht, bloß zu appellieren, sondern man muss entsprechende Anreize schaffen.

Welche Anreize sind das bei Ihnen? 

Ich habe ein Bonussystem entwickelt: Jede:r, der oder die nicht mit dem Auto zur Therapie fährt, bekommt einen Stempel auf eine Bonuskarte. Und wenn eine bestimmte Anzahl von Stempeln erreicht wurden, erhält man eine kleine Prämie von mir oder von einem meiner Partner, die ich für das Projekt gewonnen habe: Das sind ein Fahrradladen mit Rabatten auf Reparaturen, der ÖPNV hier in Konstanz mit kostenlosen Bustickets und ganz neu die Naturstrom AG, die Fahrradtaschen für das Projekt gestiftet hat. Und mein Praxisangebot ist eine Behandlungsverlängerung um zehn Minuten.

Wie reagieren Ihre Patient:innen darauf?

Sehr positiv. Denen macht es richtig Spaß, sich ihre Karten abstempeln zu lassen und da mitzumachen. Natürlich gibt es auch Menschen, die nicht auf das Auto verzichten wollen oder können, aber das Gros der Leute zieht gerne mit.

Sie sind ja nur eine Einmannpraxis...

Noch! Ich wollte eigentlich schon vor einer Weile jemanden einstellen, aber dann kam die Pandemie mit all ihren Verunsicherungen dazwischen. Jetzt ist es aber endlich so weit, und im Dezember fängt ein Therapeut bei mir an.

...dafür fällt auf, dass Ihre Praxiswebsite professioneller ist als die von vielen Großpraxen. Warum ist Ihnen das wichtig?

Weil die Außendarstellung heutzutage weitgehend über das Netz läuft. Deshalb sollte meine Website etwas hermachen, optisch wie inhaltlich. Ganz neu ist auf der Seite zum Beispiel ein Blog, der es mir ermöglicht, zu bestimmten, grundlegenden Dingen etwas sagen zu können. Dafür reicht die Zeit in der Therapie leider häufig nicht aus.

Und dann gibt es dort noch den Bereich „Praxis-Online“. Was hat es mit dem auf sich?

Er ist am Anfang der Pandemie entstanden, weil ich damals nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern der Herausforderung begegnen wollte. In dieser Zeit sind ganz viele Videos entstanden, zu denen Patient:innen dann einen Zugang kaufen konnten. Und eine Videotherapie ist über den Bereich natürlich auch möglich – leider inzwischen ja wieder nur noch als Privatleistung.

Das ist ein guter Übergang zu unserer berufspolitischen Frage: Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang Gesundheitsminister wären?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich glaube, ich würde mir zuerst einmal ein richtig gutes Team zusammentrommeln – in dem die heute aktiven Lobbyist:innen ganz sicher keinen Platz hätten. Und dann würde ich Vertreter:innen von anderen Ministerien einladen, damit wir gemeinsam schauen, wie wir die Gesundheit der Menschen in Deutschland verbessern können. Ich denke da zum Beispiel an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und ein Verbot von Glyphosat. Das wäre wirklich wichtig!

Sie denken also auch hier wieder an das Große und Ganze. Berufspolitische Ziele hätten Sie an diesem Tag nicht?

Doch! Ich würde den Topmanager:innen an der Spitze der Krankenkassen das Gehalt kürzen und es stattdessen auf unsere Pflegekräfte umlegen.

Und die eigene Gruppe der Heilmittelerbringer:innen?

Wir haben ja gerade schon eine ordentliche Erhöhung bekommen. Und bei allem Gemecker über unseren geringen Verdienst: Vielleicht sollten wir alle auch mal in uns gehen und mit dem etwas zufriedener sein, was wir haben. Ich kann für mich persönlich zumindest sagen, dass ich mit dem, was ich verdiene, ganz gut klarkomme.

Rasterelement

Michael Streicher | Physiotherapeut, Sportphysiotherapeut, Manualtherapeut, Ernährungsberater

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