PRAXISnah: „Langfristig ist es unser Ziel, Kolleg:innen in etablierten therapeutischen Systemen zu neuen Sichtweisen anzuregen.“

Kollegen über die Schulter schauen und voneinander lernen: unter diesem Motto geben wir Einblicke in Besonderheiten anderer Praxen. Heute mit dem Therapiezentrum Eifel.

Ergotherapie, Systemische Therapie und vieles mehr: Im Therapiezentrum Eifel haben Anne Kramer und Professor Mario Staller ein außergewöhnliches Angebot aufgebaut, das vielschichtig auf Klient:innen und die bei der Therapie eingebundenen Tiere blickt.

Frau Kramer, Herr Professor Staller, was ist das Besondere an Ihrem Angebot?

Anne Kramer: Uns hebt weniger eine bestimmte Methodik oder ein besonderes Verfahren von anderen Angeboten ab, sondern eher die Grundhaltung: Wir betrachten alles durch eine systemische Brille und entwickeln daraus individualisierte Angebote für unsere Klientys.

Mario Staller: Da wir breit aufgestellt sind, können wir sozusagen an mehreren Schrauben drehen und auch einen Transfer zwischen unseren verschiedenen Angeboten ermöglichen. Wir nutzen unseren Überblick, um die jeweilige Therapie bestmöglich zusammenzustellen. Dabei bringt Anne unter anderem ihre Praxiserfahrungen aus der Tiergestützten Therapie ein, während ich von meinem wissenschaftlichen Hintergrund, etwa bei psychologischen, pädagogischen und sozialen Themen, profitiere.

Anne Kramer: Eltern erwarten zum Beispiel häufig, dass wir Kinder „reparieren“. Wir schauen aber nicht auf Defizite, sondern umfassend auf die Ressourcen, die unsere Klientys mitbringen. Wir betrachten sozusagen das Gesamtsystem. Wie ist die Situation in der Familie, wie sieht es in der Schule aus? Gerade in den Familien entdecken wir oft Konflikte, Spannungen oder belastende Muster, die den Betroffenen zunächst gar nicht bewusst sind. Dort können wir ansetzen und zum Beispiel mit den Familien systemtherapeutisch arbeiten.

Im Therapiezentrum Eifel versammeln Sie auch sieben Pferde beziehungsweise Ponys, drei Hunde, fünf Meerschweinchen und zwei Katzen. Welche Bedeutung hat die Tiergestützte Therapie in Ihrem Angebot?

Anne Kramer: Das lässt sich mit einem Beispiel veranschaulichen: Ein vierjähriges Kind hat keine Deutungshoheit. Es muss damit leben, dass andere von ihm berichten und erzählen – es kann sich nicht auf derselben Ebene äußern. An diesem Punkt kommen die Tiere ins Spiel: Ein Kind, das in Gruppen mit Gleichaltrigen oft unruhig und laut ist, kann oft sehr erfolgreich mit Tieren kommunizieren. Diese spiegeln direkt, wie wir ihnen begegnen. Und so können wir zum Beispiel aufdecken, dass manches Kind vielleicht auch nur laut wird, weil man ihm nicht angemessen zuhört.

Mario Staller: Wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen. Auf der funktionalen, sehr individuellen Ebene können wir zum Beispiel mit Ergotherapie und Tiergestützter Therapie ansetzen und das Reflexionsniveau der Klientys unmittelbar nutzen. Dabei bleiben wir aber nicht stehen, sondern greifen falls nötig auch auf ergänzende Therapie-Formate zurück, um ein bestehendes System grundsätzlich zu hinterfragen. Wir können dazu anregen, die Dinge einmal anders zu betrachten. Prägende Muster werden erleb- und sichtbar – und zugleich zeigen wir alternative Handlungsweisen auf.

Sie Herr Staller, haben zudem einen Hintergrund im Spitzensport, und wurden unter anderem zweimal Weltmeister im Ju-Jutsu Fighting. Im Therapiezentrum Eifel bieten Sie auch Kurse zur Selbstverteidigung an.

Mario Staller: Auch auf dieser Ebene geht es um Konfliktgestaltung – und darum, nicht nur auf Defizite, sondern vor allem auf Ressourcen zu blicken. Unsere Klientys entdecken: „Hey, ich kann ja was!“ Es ist sehr erfüllend, in unserem Therapiezentrum einen so vielfältigen Mix an Angeboten bieten zu können. Wir haben aktuell sogar eine junge Klientin, die unsere Angebote nahezu komplett nutzt. Es ist auch für uns unheimlich bereichernd, zu erleben, wie vielschichtig man mit Menschen arbeiten und dabei immer wieder selbst dazulernen kann.

Anne Kramer: Die beschriebene, offene Haltung nehmen wir natürlich auch gegenüber unseren Mitarbeitys und unseren Tieren ein. Leider ist das nicht selbstverständlich. Viel zu oft werden Tiere in der Therapie nur als Mittel zum Zweck betrachtet. Aber auch für sie gilt: Sie sind gut, wie sie sind. Und beim gemeinsamen therapeutischen Arbeiten finden wir heraus, was möglich ist und was nicht. „Systemisches Coachen mit Menschen und Tieren“ lautet auch der Titel unseres gemeinsamen Buches, das im Oktober 2024 erscheint. Darin zeigen wir, wie Tiere zu einem besseren menschlichen Selbstverständnis beitragen können.

Was wünschen Sie beide sich für die Zukunft?

Anne Kramer: Hier fällt mir die Antwort nicht leicht. Auch weil mir bewusst ist, dass wir in unserer aktuellen Situation sehr privilegiert sind.

Mario Staller: Als einen Wunsch an die Zukunft würde ich den Anspruch nennen, dass wir mit unserer Arbeit einen möglichst weitreichenden Unterschied machen. Wir erleben, dass unser systemischer Ansatz funktioniert und wir Menschen damit helfen können. Dafür sind wir sehr dankbar. Langfristig ist es aber auch unser Ziel, Kollegys in etablierten therapeutischen Systemen zu neuen Sichtweisen anzuregen. Es wäre wunderbar, wenn es uns gelingt, über die Grenzen unserer eigenen Arbeit hinaus zu einem nachhaltigen Unterschied in Theorie und Praxis der Therapie beizutragen.

Therapiezentrum Eifel

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