Verschiebung der TI-Pflicht: Verbände äußern gemischte Reaktionen – jetzt Zeit für Digitalisierung nutzen
In einem Änderungsantrag zum „Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ haben sich CDU, CSU und SPD auf eine Verschiebung der Pflicht zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) auf den 1. Oktober 2027 verständigt. Ursprünglich war sie bereits ab dem 1. Januar 2026 vorgesehen. Im Änderungsantrag wird der Schritt mit der Verschiebung der Einführung von elektronischer Heilmittelverordnung und Hilfsmittelverordnung begründet: „Das hat zur Folge, dass auch die Verpflichtung für Heilmittelerbringer und für Hilfsmittelerbringer zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur zeitlich nach hinten verschoben werden muss“, heißt es da.
„Wer sich jetzt schon auf den Weg macht, wird profitieren“
Bereits im Juni appellierten der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e. V., der Deutsche Bundesverband für Logopädie e. V., der Deutsche Bundesverband für akademische Sprachtherapie und Logopädie, der Deutsche Verband Ergotherapie e.V. sowie der Bundesverband für Podologie e. V. an die Politik, die Frist für die verpflichtende Anbindung an die TI im Heilmittelbereich zu verschieben. Vor der Einführung der eVerordnung fehle der Mehrwert und es bestünde die Gefahr einer niedrigen Akzeptanz trotz des zukünftigen Nutzens. „Bei ca. 40.000 Physiopraxen in Deutschland war uns klar, dass die Anbindungsfrist nicht zu halten ist. Die Fristverschiebung auf den 01. Oktober 2027 ist somit der logische Schritt“, sagt Markus Norys, stellvertretender Vorsitzender von Physio Deutschland gegenüber Optica. „Generell wollen wir unsere Mitglieder motivieren und sensibilisieren sich mit der Telematikinfrastruktur zu beschäftigen. Dabei soll aber keine Panik entstehen. Wer sich jetzt schon auf den Weg macht, wird profitieren.“
Der Deutsche Bundesverband für Logopädie e. V. (dbl) bewertet die Verschiebung der Frist mit gemischten Gefühlen. Zwar begrüße man die in Aussicht stehende Verlängerung grundsätzlich, weil sie den Praxen ermögliche, die Anbindung an die TI sorgfältiger und mit mehr Planungssicherheit vorzubereiten. Gleichzeitig warnt der Verband jedoch davor, die Zeit „zum Anlass zu nehmen, den Anschluss an die TI auf die lange Bank zu schieben“. Die Digitalisierung müsse trotz Aufschub konsequent vorangetrieben werden, um den künftigen Nutzen der Telematikinfrastruktur für die Patient:innenversorgung tatsächlich zu realisieren.
Kritische Stimmen: Digitalisierung bleibt gefährdet
Für den Hilfsmittelbereich sieht der Verband Versorgungsqualität Homecare e.V. (VVHC) die Verschiebung kritisch. Er befürchtet, dass der Digitalisierungsrückstand im ambulanten Bereich dadurch weiter zementiert wird. „Jede weitere Verzögerung beim Anschluss der Versorgungspartner an die Telematikinfrastruktur bremst den digitalen Fortschritt, von dem Ärztinnen und Ärzte, Leistungserbringer, Kostenträger und vor allem die Patientinnen und Patienten profitieren würden“, so Dennis Giesfeldt, stellvertretender Geschäftsführer und Leiter Politik, Versorgungsmanagement und Digitalisierung. Während Apotheken und Arztpraxen längst an die Telematikinfrastruktur angebunden seien, bedauert der VVHC, dass die Hilfsmittelversorgung weiter außen vor bleibe.
Weitere kritische Reaktionen
Auch der Verband für Physiotherapie (VPT) e.V. äußert Unmut: „Eine weitere Verzögerung der Anbindung der Heilmittelerbringer an die TI würde die ohnehin schleppende Digitalisierung im Gesundheitswesen erneut um Jahre zurückwerfen“, warnt Bundesvorsitzende Manuela Pintarelli-Rauschenbach. „Wer es mit der Digitalisierung ernst meint, darf sie nicht ständig vertagen. Viele Praxen haben investiert, geschult und vorbereitet. Sie dafür nun erneut warten zu lassen, ist nicht nur unfair, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch kontraproduktiv.“
Ebenso kritisiert das Bündnis Wir versorgen Deutschland (WvD) die Verschiebung für Sanitätshäuser und Hilfsmittelbetriebe scharf: „Die vorgesehene erneute Verzögerung … auf den 1. Oktober 2027 ist ein Rückschritt für die Digitalisierung und die Entbürokratisierung im Gesundheitswesen.“ Zusätzlich wird ein drohender Systembruch bemängelt: Ärzt:innen sollen ab dem 1. Juli 2027 ausschließlich elektronische Verordnungen für Hilfsmittel stellen, während die Versorgungspartner erst ab Oktober an die TI angebunden werden – mit „massiven Folgen für die betrieblichen Abläufe“.
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Verbesserte Kommunikation durch KIM und TIM
Praxen und Betriebe, die bereits auf die TI als Datenautobahn des Gesundheitswesens eingebogen sind, können etwa die Kommunikationssysteme KIM und TIM sowie die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen. Das bringt zukünftig spürbare Verbesserungen in der Kommunikation mit den Ärzt:innen, Apotheken und Patient:innen: Rückfragen können dann digital schneller beantwortet, Verordnungen per Mausklick korrigiert oder Befunde schneller übermittelt werden. Auch Fehler bei der Abrechnung lassen sich reduzieren, Patient:innen gezielter behandeln und Schreibtischarbeit verkürzen. Dabei befürchtet der Verband für Physiotherapie (VPT) e.V. durch die Verschiebung der TI-Pflicht u.a. Rückschritte in der Digitalisierung der Heilmittelpraxen: „Die beantragten Karten haben eine Gültigkeit von fünf Jahren. Diejenigen, die bereits angebunden sind, haben zudem bereits viel Zeit und Geld, etwa in Konnektoren, gesteckt. Dabei zeichnet sich schon jetzt ab, dass sie zukünftig auf TI-Gateways umsatteln müssen“, stellt Toralf J. Beier, Geschäftsführer der Landesgruppe Mitte im VPT heraus. „Auch wenn sich noch nicht angeschlossene Praxen über die gewonnene Zeit freuen dürften, zeigt die Verschiebung, dass es von den verantwortlichen Akteuren versäumt wurde, der Branche mit der Digitalisierung den versprochenen Mehrwert zu verschaffen.“
Auch aus Sicht des Bundesinnungsverbands für Orthopädie-Technik (BIV-OT) bringt die neue Frist den Betrieben zwar einen zeitlichen Puffer für die Vorbereitung, gleichzeitig bleibe der Handlungsdruck aber bestehen. Spätestens mit dem Start der eVerordnung 2027 wird die TI zum festen Bestandteil der Hilfsmittelversorgung. Der BIV-OT fordert, den Betrieben frühzeitig Zugang zur sicheren Kommunikation im Medizinwesen (KIM) mit Ärztinnen und Ärzten zu ermöglichen, um die Versorgung nicht zu gefährden.
Alle Wege führen in die TI: Prozesse jetzt digitalisieren
Der Deutsche Verband Ergotherapie e.V. (DVE) begrüßt die Verschiebung: „Sie war folgerichtig, weil eine Anbindung ohne die eVerordnung noch nicht sinnvoll ist“, so Vorstandsmitglied Irini Tsangaveli. Dabei sieht sie in der Verschiebung auch eine Möglichkeit, in der aktuellen Diskussion um die GKV-Finanzen eventuell Kosten zu senken, wenn etwa Refinanzierungen bei noch nicht spürbarem Mehrwert für die Heilmittelerbringende entfallen. Praxen und Betriebe sollten die gewonnene Zeit nun nutzen, um ihre Prozesse zu digitalisieren und etwa eine Verwaltungssoftware wie Optica Viva oder Optica Omnia einzuführen. Dabei führen alle Wege in die TI, auch wenn die Zufahrten angesichts der rasanten technischen Entwicklungen noch nicht fertig gepflastert sind, bis die Politik alle entsprechenden Voraussetzungen geschaffen hat.
Mehrwert entfaltet sich nur in durchgängigem Workflow
Aktuell sind die digitalen Prozesse im Gesundheitswesen noch gezeichnet von vielen Medienbrüchen: So muss das Papierrezept digitalisiert werden, die Quittung für die Zuzahlung ausgedruckt oder die Abrechnung sowohl digital als auch auf Papier an die Kostenträger übermittelt werden. Besserung verspricht die eVerordnung. Dabei entfaltet sich ihr Mehrwert nur in einem durchgängigen Workflow, dessen Realisierung komplex ist. Im September fand ein Treffen zur elektronischen Heilmittelverordnung bei der gematik mit Vertreter:innen der Heilmittelverbände, Kostenträger und weiterer Akteur:innen statt. „Die Herausforderung besteht nicht zuletzt darin, genau diesen durchgängigen Workflow zu schaffen, ohne dabei 1:1 den aktuellen Prozess zu übernehmen“, verrät Toralf J. Beier. Für ihn bedeutet die Verschiebung der TI-Pflicht zunächst: „Wir werden es länger mit papierbasierten Prozessen zu tun haben – mit entsprechenden Folgen für Abrechnung, interdisziplinäre Kommunikation und Bürokratie.“
Fazit
Die Verschiebung der TI-Pflicht bringt zwar kurzfristig Entlastung, langfristig aber neue Herausforderungen. Während die einen die gewonnene Zeit als Chance zur strukturierten Vorbereitung sehen, warnen andere vor einem Digitalisierungsstau.
Eines steht fest: Die TI kommt – und wer sich frühzeitig auf den Weg machen, wird am Ende profitieren.
Update 06.11.2025
In der 37. Bundestagssitzung am 06.11.2025 wurde beschlossen: Die TI-Anschlusspflicht für Heilmittelerbringende wird vom 01.01.2026 auf den 01.10.2027 verschoben.
Wir beobachten auch die weiteren Entwicklungen rund um die TI-Pflicht und informieren, sobald es Neuigkeiten gibt – hier auf Wissenswert oder tagesaktuell in Optica OWL.