Wohlfühlen und weiterempfehlen

Zufriedene Patient:innen erzählen ihren Bekannten gerne von der jeweiligen Praxis. Das gelingt mit wohldurchdachten Strategien.

Logopädin arbeitet mit kleinem Mädchen

In der freien Wirtschaft sprechen Fachleute ohne großes Zögern vom Empfehlungsmarketing: Unternehmen können ihre Kund:innen offen darum bitten, dass diese sie weiterempfehlen. Im Gesundheitswesen gelten andere Spielregeln. Se sind durch das Heilmittelwerbegesetz und weitere Vorgaben bestimmt. So ist anpreisende, irreführende und vergleichende Werbung verboten. „Sechs Sitzungen bei mir, und Ihre Rückenschmerzen sind passé!“ – eine derartige Aussage einer Physiotherapie-Praxis könnte zu Problemen führen. Mehr zum Thema Werbung lesen Sie hier: "Richtig werben - rechtliche Fallstricke erkennen"

Silvia Köchling hat sich mit ihrer Firma com4healthcare auf deutschlandweite Unternehmensberatungen im Gesundheitswesen spezialisiert. Nach ihrer Erfahrung kann es „sehr penetrant wirken“, Patient:innen direkt um eine Empfehlung oder ein Like auf der Facebook-Seite der Praxis zu bitten. Sie schlägt vor, dass sich das Praxis-Team ruhig mal eine Stunde Zeit nimmt für ein grundsätzliches Brainstorming: Welche Strategie sollen wir fürs Empfehlungsmarketing wählen? Wann haben wir selbst zuletzt eine Therapie oder eine Person weiterempfohlen – und warum? Und was folgern wir daraus?

Vor allem sollten Therapeut:innen sich aber darauf konzentrieren, ein solides Vertrauensverhältnis zu den Patient:innen aufzubauen, empfiehlt Silvia Köchling. Wenn diese sich fachlich in guten Händen wüssten und sich in der Praxis wohlfühlten, würden sie die Praxis ganz von alleine weiterempfehlen. Was Patient:innen hingegen nachhaltig verärgert: „Wenn in der Praxis niemand ans Telefon geht, der Ton unfreundlich ist, Therapeut:innen zwar arbeiten, aber abgehetzt wirken und sich nicht wirklich für die Patient:innen interessieren.“

Auch der Berliner Psychologe und Trainer Valentin Nowotny weiß um die Wirkung von Mundpropaganda. Mit ihr lasse sich die jeweilige Zielgruppe passgenau ansprechen. Wenn sich die Logopädie-Praxis etwa auf Kinder spezialisiert hat, werden zufriedene Eltern in erster Linie anderen Eltern von der guten Arbeit erzählen.

„Alles steht und fällt mit der Beziehung zwischen Therapeut:innen und Patient:innen“, mahnt Nowotny. Neben der fachlichen Expertise gehe es darum, Empathie zu zeigen und eine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen. „Wenn Therapeut:innen während der Behandlung ausführlich aus ihrem Privatleben erzählen, finde ich das aufdringlich“, sagt er. Viele Patient:innen sprechen ja von sich aus über die mit ihrem Leiden verbundenen Schwierigkeiten im Alltag. Darauf sollten die Therapeut:innen natürlich eingehen, findet Nowotny: „Doch sie sollten sich nicht dazu verführen lassen, noch tiefer in diesen Problemen zu schürfen.“ Eher sei es angebracht, das Gespräch auf angenehme Themen zu lenken, etwa auf die Urlaubspläne der Patient:innen.

Die Unternehmensberaterin Köchling plädiert dafür, schon beim ersten Telefonat zu fragen, wie die Patient:innen auf die Praxis aufmerksam geworden sind. Wenn sie dann beim Behandlungstermin auch erzählen möchten, wer die Empfehlung ausgesprochen hat, könne sich das Team bei nächster Gelegenheit bei dieser Person bedanken. An der Rezeption oder im Wartezimmer könnten Feedbackbögen ausliegen, ferner Visitenkarten oder Broschüren der Praxis. Silvia Köchling rät davon ab, Patient:innen solche Unterlagen direkt in die Hand zu drücken. „Auch das kann aufdringlich wirken“, sagt sie.

Geschickter sei es, Patient:innen (und ihre Bekannten) zu einem Fachvortrag in die Praxis einzuladen, selbstverständlich, ohne dafür Eintritt zu verlangen, sagt Köchling: „In einer Physiotherapie-Praxis können Behandler:innen beispielsweise über Achtsamkeit oder über rückenfreundliche Morgengymnastik sprechen. Oder die Ergotherapie-Praxis zeigt in einer kleinen Ausstellung, was Patient:innen während der Therapie hergestellt haben.“ Ein weiterer Vorteil: Solche Termine sprechen sich in der jeweiligen Stadt oder im Viertel schnell herum.

Auch öffentliche Präsenz der Therapeut:innen macht potenzielle Patient:innen auf die geleistete Arbeit aufmerksam und sorgt für Weiterempfehlungen. Zum Beispiel ein Interview einer Logopädin mit der Lokalzeitung darüber, wie man seine Stimme in den vielen Videokonferenzen fit hält. Oder die Physiotherapie-Praxis startet einen verständlichen Blog über rückenfreundliches Verhalten im Alltag. Und warum nicht mal darüber einen Vortrag an der Volkshochschule halten? Valentin Nowotny unterstreicht: „Therapeut:innen werden dadurch sichtbar – als Fachleute und als Personen.“

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