Arbeitsschutz in der Heilmittelpraxis: Wichtige rechtliche Grundlagen

Im beruflichen Alltag einer Heilmittelpraxis sind eine Vielzahl rechtlicher Vorgaben zum technischen Arbeitsschutz zu beachten. Wie Sie in diesem Regelungsdickicht den Überblick behalten und damit Ihre Praxis an den Anforderungen des Arbeitsschutzes ausrichten können, erläutert Rechtsanwalt & Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Dr. Thomas Ruppel.

Als Arbeitgeber:in rechtssicher handeln: Einstellung, Arbeitsvertrag, Kündigung

Was versteht man unter technischem Arbeitsschutz?

Der technische Arbeitsschutz dient der Verhütung von durch Betriebsstätten, Arbeitsmittel und Arbeitsabläufe verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit.

Wichtigste Basis: die Gefährdungsbeurteilung Ihrer Praxis

Um überhaupt festzustellen, welche Arbeitsschutzmaßnahmen der oder die Praxisinhaber:in im Rahmen der einzelnen Praxisarbeitsplätze und Praxisabläufe zu treffen hat, ist von Praxisinhaber:innen eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Der oder die Praxisinhaber:in muss dabei ermitteln, welche Gefährdungen vorliegen und wie die damit verbundenen Risiken zu bewerten sind.

Die Pflicht zur Vornahme einer solchen Gefährdungsbeurteilung ergibt sich aus § § 5 Abs. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchg). Dieses für den Arbeitsschutz zentrale Gesetz dient der Verhütung von Unfällen und Gesundheitsgefahren und soll die Sicherheit der Beschäftigten gewährleisten.

Sollten Praxisinhaber:innen die Gefährdungsbeurteilung nicht vornehmen, hätte dies aber auch arbeitsrechtliche Folgen: In Ihrer Funktion als Arbeitgeber:innen ergibt sich aus § 618 BGB für Sie die Pflicht sicherzustellen, dass Arbeitnehmer:innen vor Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind. Diese Verpflichtung kann der oder die Arbeitgeber:in nicht durch Regelungen im Arbeitsvertrag umgehen (§ 619 BGB).

Unterstützung bei der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung können Sie – im Rahmen der Arbeitsschutzbetreuung – von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit erhalten. Für Heilmittelpraxen gilt dabei zumeist das Regelbetreuungsmodell, da eine durchschnittliche Heilmittelpraxis nicht mehr als 10 Mitarbeiter:innen aufweist. Diese Regelbetreuung bedeutet, dass es eine Grundbetreuung und zudem eine anlassbezogene Betreuung je nach Bedarf gibt. Geregelt werden diese Betreuungsformen und die damit verbundene Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit im Arbeitssicherheitsgesetz. Konkretisiert werden die Regelungen des Arbeitssicherheitsgesetzes durch die als autonome Regelungen erlassene DGUV-Vorschriften der Berufsgenossenschaften, hier besonders die DGUV Vorschrift 2. Diese bestimmt, welche Betreuungsmodelle bei welcher Mitarbeiterzahl in Betracht kommen.

Was ist bei der Einrichtung der Praxisräume und Arbeitsplätze zu beachten?

Der oder die Praxisinhaber:in hat im Rahmen der Einrichtung und baulichen Ausgestaltung seiner Praxis z.B. sicherzustellen, dass Fluchtwege und Notausgänge sowie Sanitär- und Pausenräume vorhanden sind und Brandschutzmaßnahmen eingehalten werden. Diese Anforderungen ergeben sich aus der Arbeitsstättenverordnung. Diese konkretisiert die gesetzlichen Vorgaben und regelt das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Dabei werden z.B. Anforderungen an Raumabmessungen, Raumtemperaturen, Barrierefreiheit und Nichtraucherschutz formuliert.

Praxisinhaber:innen sind aufgrund der Zulassungsempfehlungen für Heilmittelerbringer:innen des GKV-Spitzenverbandes z.B. auch verpflichtet, sicherzustellen, dass die Raumhöhe der Behandlungsräume 2,50 m lichte Höhe nicht unterschreitet. Die aktuellen Zulassungsvoraussetzungen finden Sie im Rahmenvertrag Ihrer Berufsgruppe.

Des Weiteren sind Sie als Praxisinhaber:in verpflichtet, sicherzustellen, dass eingesetzte Arbeitsmittel den für sie geltenden Vorschriften entsprechen. Eine elektrisch höhenverstellbare Praxisliege fällt z.B. entweder unter die Betriebssicherheitsverordnung oder die Medizinprodukte-Betreiberverordnung und muss die jeweiligen Anforderungen erfüllen. Achten Sie also bei der Anschaffung darauf, dass diese Kriterien erfüllt werden.

Was gilt bei der Organisation von Arbeitsabläufen und der Gesundheitsförderung meiner Mitarbeiter:innen?

Inhaber:innen einer Heilmittelpraxis müssen nach durchgeführter Gefährdungsbeurteilung die Arbeitsabläufe so organisieren, dass die Arbeit gesundheitsfördernd gestaltet ist und Gefährdungen und Belastungen vermieden werden. Sie müssen z.B. dafür Sorge tragen, dass Hygienebestimmungen eingehalten und die Desinfektionsmaßnahmen so organisiert werden, dass die Haut der Mitarbeiter:innen möglichst wenig geschädigt wird.

Auch ist auf rückenschonende Arbeitsabläufe zu achten, indem Sie z.B. eine ausgewogene Mischung aus Sitz- und Steharbeiten bereitstellen. Zudem haben Sie sicherzustellen, dass Ihre Mitarbeiter:innen einen Zugang zu arbeitsmedizinischer Vorsorge haben. Dabei gibt es Untersuchungen, wie die Arbeitsmedizinische Untersuchung G 37 Bildschirmarbeit, welche den Mitarbeitern lediglich angeboten werden muss. Hingegen stellt zum Beispiel die Arbeitsmedizinische Untersuchung G 42, welche bei Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung zu veranlassen ist, eine Pflichtuntersuchung dar. Geregelt sind die Pflichtuntersuchungen, Angebotsuntersuchungen und Wunschuntersuchungen in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).

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Welche Regelungen sind bei der therapeutischen Arbeit an Patient:innen wichtig?

Im Zusammenhang mit der therapeutischen Arbeit an Patient:innen sind verschiedene Arbeitsschutzmaßnahmen zu beachten. So müssen Sie Ihre Mitarbeiter:innen – da sie unter anderem mit Desinfektionsmitteln in Berührung kommen – z.B. im Umgang mit Gefahrstoffen und biologischen Arbeitsstoffen schulen. Dies ist über die Gefahrstoffverordnung und die Biostoffverordnung geregelt.

Auch aufgrund der Coronapandemie müssen Sie besondere Infektionsschutzregelungen beim Umgang mit Patient:innen beachten. Aktuell sind das Sicherheitsabstände von 1,5 Metern und wenn dies nicht möglich ist, muss eine FFP2- oder schutzentsprechende Maske getragen werden. Dies ergibt sich aus dem „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard für therapeutische Praxen“ der BGW und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV), welche bis zum 19.03.2022 verlängert wurde.

Arbeitsschutz bei der Büroarbeit in der Praxis

Auch im Rahmen der Bürotätigkeiten ist die oben schon erwähnte rückenschonende Ausrichtung der Arbeitsabläufe wichtig. Dies können Sie z.B. erreichen, indem Sie am Büroarbeitsplatz einen oder höhenverstellbaren Schreibtisch verwenden. Auch müssen Bildschirmarbeitsplätze so eingerichtet werden, dass es zu keinerlei störenden Reflexionen kommt. Auch diese Anforderungen ergeben sich aus der Arbeitsstättenverordnung.

Welche Rechtsfolgen muss bei Nichteinhaltung der Vorgaben erwarten?

Halten Sie als Praxisinhaber:in die öffentliche rechtlichen Regelungen zum Arbeitsschutz vorsätzlich oder fahrlässig nicht ein, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar und Sie müssen mit einem Bußgeld rechnen. Zudem können Sie sich sich gegenüber ihren Arbeitnehmer:innen schadensersatzpflichtig machen, da Sie durch die Nichteinhaltung der Arbeitsschutzvorgaben auch den oben bereits benannten arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen.

Fazit

Diese nicht abschließende Überblicksdarstellung verdeutlicht, dass das Regelungssystem zum Arbeitsschutz nicht sonderlich übersichtlich gestaltet worden ist. Um auch die detaillierten Verästelungen des Regelungsgeflechtes nicht zu übersehen, ist es für Praxisinhaber:innen ratsam, bei der Ausgestaltung der Arbeitsschutzmaßnahmen besonders gründlich und bedacht vorzugehen – in vielen Fällen reicht aber auch schon der gesunde Menschenverstand.

Praxistipp: Ein besonders wichtiges Element des Arbeitsschutzes stellt die Gefährdungsbeurteilung dar. Diese sollten Sie besonders gründlich vornehmen, da sich anhand dieser bestimmt, welche Maßnahmen zum Arbeitsschutz Sie treffen müssen.

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